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Chemie

„Unmögliches“ Helium-Mineral im Erdinneren?

Im unteren Erdmantel könnte das Edelgas Helium doch eine stabile Verbindung bilden

Erdinneres
Tief im unteren Erdmantel könnte das bindungsscheue Edelgas Helium in einem Mineral gefangen sein. © Gerhardus Swanepoel/ iStock.com

Verborgene Heliumfalle: Im unteren Erdmantel könnte es ein bisher unerkanntes Helium-Reservoir geben – in Form eines heliumhaltigen Minerals. Diese bislang für  „unmöglich“ gehaltene Verbindung aus Eisenoxid und Helium könnte unter den extremen Bedingungen des Erdinneren stabil sein, wie Computermodelle nun nahelegen. Die Existenz dieses Minerals würde erklären, warum an bestimmten Vulkanen noch immer Helium aus der Frühzeit der Erde ausgast – es war im Erdinneren gefangen.

Helium ist zwar das zweithäufigste Element im Universum, doch bei uns auf der Erde ist dieses Edelgas Mangelware. Denn wegen seiner geringen Dichte entweicht das Gas unaufhaltsam ins All, wenn es nicht in Behältern oder Hohlräumen des Gesteins eingeschlossen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Heliumatome extrem reaktionsträge sind – freiwillig geht das Edelgas keine chemische Bindung ein. Nur unter hohem Druck und hohen Temperaturen lässt sich Helium zu Bindungen zwingen.

Woher kommt das uralte Helium?

Das Seltsame jedoch: Trotz seiner extremen Flüchtigkeit findet sich im Erdinneren noch immer Helium aus der Frühzeit unseres Planeten: Ausgasungen von vulkanischer Lava, beispielsweise auf Hawaii, belegen, dass das Tiefengestein Spuren dieses Edelgases enthalten muss. Forscher vermuten daher, dass es irgendwo im tiefen Erdmantel ein Reservoir von Helium gibt, das trotz seiner Reaktionsträgheit fest in einem Mineral gebunden ist.

Kilauea-Krater
An Hotspot-Vulkanen, wie hier dem Kilauea auf Hawaii, gast primordiales Helium aus. © Ivtorov/ CC-by-sa 4.0

Doch wo dieses Helium-Reservoir liegt und in welcher Form das Edelgas dort vorliegt, ist rätselhaft. Denn bisher hat man keine von Natur aus heliumhaltigen Mineralien gefunden, wie Jurong Zhang von der chinesischen Jilin Universität und seine Kollegen berichten.

Die Forscher sind daher für ihre Fahndung nach dem Helium-Reservoir einen anderen Weg gegangen: Mithilfe eines speziellen Computerprogramms suchten die Forscher nach Eisen- oder Magnesiummineralen, die unter den extremen Bedingungen des Erdinneren Helium aufnehmen könnten. Ihr Algorithmus suchte dabei gezielt nach Verbindungen, die durch die Reaktion mit Helium in einen energetisch günstigeren Zustand wechseln – nur so wäre eine solche Bindung auch stabil.

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Eisenmineral als Heliumfalle?

Das Ergebnis: Bei den magnesiumhaltigen Mineralen wurde das Programm nicht fündig, wohl aber bei den Eisenverbindungen. Die Berechnungen ergaben, dass Eisendioxid (FeO2) bei Temperaturen zwischen 2.720 und 4.720 Grad und dem enormen Druck von 135 bis 300 Gigapascal das stabile heliumhaltige Mineral FeO2He bilden kann.

Könnte dieses Mineral das lange gesuchte Helium-Reservoir im Erdinneren sein? Nach Ansicht der Forscher wäre das durchaus möglich. Denn die Bedingungen, unter denen FeO2He stabil ist, entsprechen in etwa denen an der Grenze des unteren Erdmantels zum Erdkern, wie Zhang und sein Team berichten. „Das Mineral FeO2He wäre damit die erste und bisher einzige Heliumverbindung, die unter realen geophysikalischen Bedingungen existieren kann“, konstatieren die Forscher.

Mantelplumes als Helium-Fahrstuhl

Das flüchtige Edelgas könnte demnach in Form dieses Minerals die Jahrmilliarden überdauert haben. Sollte dieses mineralische Helium-Reservoir im tiefen Erdmantel existieren, könnte das erklären, warum das Edelgas nur an Hotspot-Vulkanen freigesetzt wird: Das Heliummineral ist schwer genug, um unter normalen Umständen tief im Erdmantel liegen zu bleiben. Nur an den vulkanischen Hotspots, wo ein Mantelplume große Gesteinsmengen vom unteren Erdmantel in die Höhe transportiert, steigt das Heliummineral auf. Weil dabei Druck und Temperatur nachlassen, zerfällt die Kristallstruktur und das Heliumgas wird frei.

Für die Existenz des heliumhaltigen Minerals tief im Erdinneren könnten auch seine seismischen Eigenschaften sprechen: In ihren Computersimulationen ermittelten die Forscher, dass FeO2He Erdbebenwellen in gleichem Maße abbremst, wie es für den unteren Mantel beobachtet wurde.

„Aufregendes Ergebnis“

„Das ist ein aufregendes Ergebnis – sofern es sich in Laborstudien bestätigen lässt“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Geophysiker Matt Jackson von der University of California in Santa Barbara. Da sowohl Eisendioxid und auch eine Verbindung aus Eisenoxid und Wasserstoff bereits in Laborversuchen unter Hochdruck und hohen Temperaturen erzeugt worden sind, könnte auch die Herstellbarkeit und Stabilität von FeO2He schon bald überprüft werden, sagt Koautor Changfeng Chen von der University of Nevada. (Physical Review Letters 2019; doi: 10.1103/PhysRevLett.121.255703)

Quelle: American Physical Society (APS)

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