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Geowissen

San Francisco: Spuren des Bebens von 1906 entdeckt

Historisches Beben verursachte Erdrutsche am unterseeischen Teil der San-Andreas-Spalte

Erdbeben von San Francisco
Das Erdbeben von 1906 zerstörte einen Großteil von San Francisco – nördlich der Stadt haben Forscher nun geologische Relikte dieses Bebens entdeckt. © US Library of Congress

Überraschender Fund: Nördlich von San Francisco haben Forscher geologische Spuren des katastrophalen Erdbebens von 1906 entdeckt – an einem zuvor kaum untersuchten Abschnitt der San-Andreas-Verwerfung. Die schweren Erdstöße verursachten damals nicht nur einen starken Versatz an einem unterseeischen Abschnitt der Plattengrenze – sie lösten auch eine Verflüssigung des Sediments aus. Davon zeugen zwei große Rutschungen am Küstenhang.

Die Katastrophe ereignete sich am Morgen des 18. April 1906: Der nördliche Teil der San-Andreas-Verwerfung riss abrupt auf einer Länge von rund 450 Kilometern auf und verursachte ein Erdbeben der Stärke 7,9. Die nahegelegene Stadt San Francisco wurde davon am härtesten getroffen: Gebäude stürzten ein, Straßen wellten sich auf und schon nach wenigen Minuten breitete sich ein verheerender Großbrand aus. Insgesamt wurden fast 30.000 Häuser zerstört, mehr als 3.000 Menschen kamen um.

„Blinder Fleck“ an der San-Andreas-Verwerfung

Bis heute gilt dieses Erdbeben als eine der schlimmsten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA – und die San-Andreas-Verwerfung als eine der gefährlichsten Plattengrenze der Erde. Denn hier gleiten die Pazifische und die Nordamerikanische Erdplatte mit rund 30 bis 36 Millimeter pro Jahr aneinander vorbei. Weil sich dabei das Gestein verhakt, staut sich Spannung auf – das nächste starke Beben in der Region San Francisco ist bereits überfällig.

San Andreas Verwerfung
Verlauf der San-Andreas-Verwerfung und Lage der Bodega Bay mit dem bisher kaum untersuchten Abschnitt. © NASA / Podbregar

Das Problem jedoch: Zwar sind die meisten Abschnitte der San-Andreas-Verwerfung inzwischen gut untersucht. Aber nördlich von San Francisco verläuft diese Nahtstelle teilweise vor der Küste und ist daher schwer zugänglich. „Es ist eine schwere Unterlassung, dass diese nördlichen Abschnitte nicht schon früher untersucht worden sind“, sagt Samuel Johnson vom US Geological Survey. Er und sein Team haben dies nun nachgeholt – und diesen 35 Kilometer langen Abschnitt mithilfe von bathymetrischen und seismischen Daten kartiert.

Abgerutschtes Sediment in der Bodega Bay

Die Daten enthüllten: Selbst auf diesem kurzen Stück ist die San-Andreas-Verwerfung sehr komplex und in mehrere parallele Störungszonen aufgeteilt. In der Bodega Bay nördlich von San Francisco teilt sich die Verwerfung in zwei Arme, wie die Kartierung ergab. An einem dieser Arme machten die Forscher eine spannende Entdeckung: Unter dem modernen Sediment liegen zwei große Rutschungszonen verborgen – Bereiche, wo Teile des Küstenhangs abrupt abgerutscht sind.

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„Diese Zonen umfassen zwei große, rund fünf Quadratkilometer große Flächen mit eingekerbten Kanälen und langgezogenen Sedimentzungen“, berichte Johnson und seine Kollegen. „Die einzelnen Rutschungen in diesem Feld sind bis zu 1.250 Meter lang und 300 Meter breite und erheben sich rund vier Meter über den umgebenden Meeresgrund.“ Aus der Form und Struktur dieser Rutschungen schließen die Forscher, dass sie von einem Erdbeben ausgelöst wurden.

Bodenverflüssigung beim Erdbeben von 1906

Aber von welchem? Aus der Schichtung des Untergrunds und dem geologischen Kontext schließen die Forscher, dass diese Rutschungen beim letzten großen Erdbeben dieser Region entstanden sind – dem großen Beben von 1906. „Wir vermuten, dass die von der San-Andreas-Verwerfung ausgehenden starken Erdstöße damals eine Verflüssigung der sandigen Sedimente verursachten“, erklären Johnson und seine Kollegen. Dabei verlieren die Körner im wassergesättigten Sand durch die Erschütterungen ihre Haftung und die ganze Schicht wird instabil.

„Das destabilisierte Sediment floss dann durch Vertiefungen im Meeresgrund abwärts und blieb als zungenförmige Ablagerung in tieferem Gebiet liegen“, erklären die Forscher. „Solche Destabilisierungen von Schelfhängen durch Liquefaktion sind durchaus häufig.“ Gerade vor der Küste Kaliforniens könnte es viele solcher alter Bebenspuren geben, viele davon sind jedoch entweder unter frische Ablagerungen verborgen oder von der Erosion abgetragen.

„Wir sind gerade noch rechtzeitig gekommen: Wenn man in 50 oder 100 Jahren zurückkommt, sieht man diese Strukturen wahrscheinlich nicht mehr“, sagt Johnson.

Versatz an beiden Armen der Verwerfung

Doch die Kartierung enthüllte noch etwas: In der Bodega Bay teilt sich die San-Andreas-Verwerfung in zwei parallele, rund 740 Meter voneinander entfernte Hauptarme und mehrere kurze Seitenäste auf. Und beide Hauptarme sind aktiv wie die Forscher feststellten: „Strang 1 zeigt rund 36 bis 42 Prozent der rund 200 Meter Versatz entlang der nördlichen San-Andreas-Verwerfung. Der Rest muss sich im zweiten Arm manifestieren“, berichten die Wissenschaftler.

„Das ist eine wichtige Lehre für die Erdbebenforschung: Man muss komplexe Verwerfungszonen immer komplett betrachten“, betont Johnson. Denn misst man die Versatzrate nur an einer der Spalten, verkennt man die wahre Versatzrate.“ Dies sei vor allem deswegen wichtig, weil aus dem historischen Versatz oft auf die aktuelle Erdbebengefahr geschlossen wird. (Bulletin of the Seismological Society of America, 2019: doi: 10.1785/0120180158)

Quelle: Seismological Society of America

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