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Biologie

Amphibienseuche: Erschreckende Bilanz

Chytridpilz verursacht größten Artenschwund durch einen einzelnen Erreger

Frosch
Die in Guatemala und Honduras heimische Froschart Duellmanohyla soralia gehört zu jenen Spezies, die der Chytridpilz in Bedrängnis gebracht hat. © Jonathan E. Kolby/ Honduras Amphibian Rescue & Conservation Center

Verheerender Killer: Forscher haben erstmals quantifiziert, welche Folgen der tödliche Chytridpilz für Amphibien weltweit hatte. Ihren Analysen zufolge ist der Erreger verantwortlich für Bestandsrückgänge bei mehr als 500 Arten – 90 davon sind inzwischen ausgestorben. Der Pilz ist damit schuld am bisher größten Verlust der Biodiversität durch einen einzelnen Erreger, wie das Team im Fachmagazin „Science“ berichtet.

Der sogenannte Chytridpilz gilt als Hauptverursacher des weltweiten Amphibiensterbens. Der ursprünglich aus Asien stammende Erreger mit dem wissenschaftlichen Namen Batrachochytrium dendrobatidis kann Frösche und Co über die Haut infizieren und führt bei der Mehrheit der befallenen Tiere zum Tod. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Pilz in vielen Teilen der Erde regelrechte Epidemien ausgelöst und inzwischen sogar so entlegene Inseln wie Madagaskar erreicht.

Doch obwohl diese Amphibienseuche mittlerweile recht gut erforscht ist, konnten Wissenschaftler das wahre Ausmaß der durch ihn verursachten Schäden bisher höchstens schätzen. Es fehlte schlicht an einer übergreifenden Erhebung und einer zusammenfassenden Auswertung der verschiedenen Daten.

90 ausgestorbene Spezies

Ben Scheele von der Australian National University in Canberra und seine Kollegen haben das nun geändert. Um das pilzbedingte Amphibiensterben zu quantifizieren, werteten sie die Rote Liste der gefährdeten Arten sowie eine Vielzahl von Fachveröffentlichungen zum Artenschwund unter Fröschen und Co aus und sprachen zudem mit Amphibienexperten aus aller Welt.

Die Analyse der gesammelten Informationen ergab ein erschreckendes Bild: Den Ergebnissen zufolge hat der Chytridpilz in den vergangenen 50 Jahren zu einem Bestandsrückgang bei mindestens 501 Amphibienspezies beigetragen – dies entspricht 6,5 Prozent der gesamten Amphibienvielfalt weltweit. „Von diesen 501 Spezies sind 90 nachweislich oder höchstwahrscheinlich in Freiheit ausgestorben“, berichten Scheele und sein Team. Bei 124 weiteren Amphibienarten seien die Bestände um mehr als 90 Prozent geschrumpft.

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„Größer jemals dokumentierter Verlust“

„Dies repräsentiert den größten jemals dokumentierten Verlust der Biodiversität, der auf einen einzigen Erreger zurückzuführen ist“, konstatieren die Forscher. Die beispiellose Zerstörungskraft des Pilzes mache ihn zu einer der schädlichsten invasiven Spezies überhaupt. „Die Schadwirkung dieses Erregers beruht auf seiner anhaltend hohen Pathogenizität, dem breiten Wirtspektrum, der hohen Übertragungsrate innerhalb und zwischen den Arten und seiner langen Verweildauer in der Umwelt“, erklären Scheele und sein Team.

Für viele Amphibienarten ist der Pilz inzwischen zur Hauptbedrohung geworden – er hat schlimmere Folgen als selbst der dramatische Verlust des Lebensraums. „Das zeigt sich unter anderem in extremen Massensterben von Amphibien selbst in unberührten Umwelten“, so die Wissenschaftler. Am stärksten von der Seuche in Mitleidenschaft gezogen wurden Populationen im tropischen Australien sowie in Zentral- und Südamerika, wie die Forscher herausfanden. Dies stütze die Hypothese, dass sich der Amphibienpilz von Asien aus zuerst in die Neue Welt ausgebreitet habe.

Hoffnung, aber keine Entwarnung

Doch es gibt auch Hoffnung: Den Daten zufolge war der mit dem Chytridpilz assoziierte Amphibienrückgang in den 1980er Jahren am größten – und geht seitdem zurück. Damit scheint der Höhepunkt der Seuche überwunden. Manche Spezies haben zudem schon Resistenzen gegen den tödlichen Erreger entwickelt.

Völlige Entwarnung können die Wissenschaftler dennoch nicht geben. Denn nur zwölf Prozent der vom Rückgang betroffenen Spezies zeigen bisher deutliche Zeichen der Erholung. Bei 39 Prozent gehen die Populationszahlen dagegen nach wie vor zurück. „Außerdem besteht immer noch das Risiko, dass die Chytridiomykose in neuen Regionen ausbricht“, betonen Scheele und seine Kollegen.

Ihre Analysen legen nahe, dass besonders größere und stark vom Wasser abhängige Arten mit geografisch eng begrenztem Verbreitungsgebiet auch weiterhin akut durch den Pilz bedroht sind. „Zu wissen, welche Spezies zur Risikogruppe gehören, kann uns helfen, künftige Schutzprogramme zu entwickeln und dem Aussterben weiterer Arten besser entgegenzuwirken“, konstatiert Scheele.

Amphibienhandel ist mit schuld

Dazu muss seiner Meinung nach auch eine strengere Regulierung des Amphibienhandels gehören. Tatsächlich deuten Untersuchungen darauf hin, dass der weltweite Handel mit Fröschen und Co zur Ausbreitung des Pilzes beigetragen und seine tödlichen Varianten erschaffen hat. Denn durch den Handel kommt es immer wieder zu Kreuzungen zuvor getrennter Erregerpopulationen.

„Die vom Menschen vermittelte Ausbreitung von Wildtierpathogenen hat bereits begonnen, die Evolutionsgeschichte des Lebens auf der Erde zu formen“, beschreiben Dan Greenberg und Wendy Palen von der Simon Fraser University im kanadischen Burnaby den Einfluss des globalen Handels in einem Kommentar im Fachmagazin „Science“.

„Wir müssen nun alles in unser Macht stehende tun, um die Pandemie zu stoppen, indem wir den Handel mit Wildtieren auf der ganzen Welt besser kontrollieren“, schließt Scheele. „Hoch aggressive Erkrankungen wie die Chytridiomykose tragen zum sechsten Massenaussterben der Erde bei – und wir haben schon einige ganz wundervolle Arten verloren.“ (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aav0379)

Quelle: AAAS/ Australian National University

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