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Sonnensystem

Reste eines Protoplaneten im Erdmantel?

Zwei gewaltige Störzonen könnte aus Resten des Protoplaneten Theia bestehen

Theia-Kollision
Wo blieben die Trümmer des Protoplaneten Theia nach der Kollision mit der jungen Erde? © NASA/JPL-Caltech

Relikte einer Planetenkollision: Tief im Erdmantel könnten sich Reste des Protoplaneten Theia verbergen – dem Objekt, dessen Kollision mit der Erde einst den Mond schuf. Indizien dafür sehen Forscher in zwei gewaltigen Anomalien im unteren Erdmantel unter Westafrika und dem Pazifik. Dort ist das Magma heißer und dichter als normal – und möglicherweise extraterrestrischen Ursprungs.

Vor rund 4,5 Milliarden Jahren kollidierte die junge Erde mit dem marsgroßen Protoplaneten Theia – mit dramatischen Folgen. Ein Großteil des Materials beider Himmelskörper verdampfte und aus einem Teil der Trümmer bildete sich der Erdmond. Wo aber sind die Reste von Theia geblieben? Gängiger Annahme nach könnten sich die schweren Elemente aus dem Kern des Protoplaneten vorwiegend im Mondkern gesammelt haben. Wo aber Theias Mantel blieb, ist strittig.

LLSVP
Dieses Modell zeigt die Lage und Ausdehnung der beiden großen Mantelanomalien (LLSVP). © Sanne.cottaar /CC-by-sa 4.0

Heiße Anomalien im Erdmantel

Eine mögliche Antwort liefern nun Forscher um Qian Yuan von der Arizona State University in Tempe. Denn ihrer Ansicht lassen sich Teile von Theia bis heute im Erdinneren nachweisen – in Form von zwei riesigen Anomalien im unteren Erdmantel. Diese beiden Zonen liegen unter Westafrika und dem Pazifik und zeichnen sich durch ungewöhnlich heißes und dichtes Magma aus, wie Analysen seismischer Wellen schon vor einigen Jahren enthüllten.

„Diese Zonen sind die größten Strukturen des Erdmantels“, sagt Yuan. Gleichzeitig zeigen diese mehrere hundert Kilometer hohen und tausende Kilometer breiten Anomalien auffallende chemische und physikalische Abweichungen vom umgebenden Mantelmaterial. Ihre höhere Dichte und Temperatur legt nahe, dass diese Zonen mehr schwere Elemente und vor allem Eisen enthalten als sonst für den Erdmantel typisch, wie die Forscher erklären.

Erst vermischt, dann abgesunken

Und genau das liefert die Verbindung zu Theia: Analysen von Mondgestein der Apollo-Missionen legen nahe, dass dieser Protoplanet einen eisenreicheren und damit etwas dichteren Mantel hatte als die junge Erde. Welche Folgen dies auf die Vermischung und das spätere Schicksal der Planetentrümmer von Theia gehabt haben könnte, rekonstruierten Yuan und sein Team mithilfe eines Simulation.

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Es zeigte sich: Als sich das Mantelmaterial von Theia und der Erde bei der Kollision mischte, bildeten beide zunächst gemeinsam den neuen Erdmantel. Doch die Komponenten blieben nicht gleichmäßig verteilt. Dem Modell nach hätte schon ein Dichteunterschied von 1,5 bis 3,5 Prozent ausgereicht, um im Laufe der Erdgeschichte eine Entmischung zu verursachen. Dabei wurden die dichteren Reste von Theia durch die Schwerkraft allmählich in die Tiefe gezogen.

„Unsere geodynamischen Simulationen zeigen konsistent, dass das Theia-Material bis zur Kern-Mantel-Grenze absinkt“, berichten die Forscher. „Dieses Material überdauert selbst die Mantelkonvektion, wenn es dichter ist als der restliche Erdmantel.“ In unteren Erdmantel sammelt sich dieses Material dann in zwei großen Gebieten an – den ausgedehnten seismischen Anomalien.

Theias Reste sind noch erhalten – vielleicht

Nach Ansicht des Forscherteams könnte dieses Szenario nicht nur erklären, wo das Mantelmaterial von Theia geblieben ist, sondern auch, wodurch die riesigen Mantelanomalien entstanden. „Unsere Simulationen legen nahe, dass so zumindest einige Teile von Theias Mantel die Erdgeschichte intakt überdauert haben könnten – im Erdmantel“, konstatieren Yuan und seine Kollegen.

Beweisen lässt sich dieses Szenario bislang aber nicht. Denn es gibt zwar einige chemische Auffälligkeiten in Lava, die aus tiefen Mantelplume-Reservoiren gefördert wurde. Aber weder auf dem Mond noch auf der Erde tritt unverändertes Magma aus den tieferen Mantelschichten zutage. Ob Theias Mantel daher wirklich dichter und eisenreicher war und ob es noch Reste davon in Mond und Erde gibt bleibt vorerst offen. (Lunar and Planetary Science Conference 2021, abstr. 1980)

Quelle: LPSC

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