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Geowissen

„Touchdown“ über der Antarktis

Forscher finden Spuren einer seltenen intermediären Meteoritenexplosion vor 430.000 Jahren

Touchdown
Glühender Strahl: Vor rund 430.000 Jahren verursachte ein 100 bis 150 Meter großer Meteorit ein katastrophales "Touchdown"-Ereignis. © Mark A. Garlick / markgarlick.com

Unterschätzte Gefahr? Vor 430.000 Jahren raste über der Ostantarktis ein gut 100 Meter großer Meteorit in die Atmosphäre – und explodierte noch in der Luft. Dadurch kam es zu einem „Touchdown“: Ein dichter Strahl aus geschmolzenem und verdampftem Material traf die Erdoberfläche und verdampfte dort Eis und Gestein. Würde sich ein solches Ereignis heute über bewohntem Gebiet wiederholen, wäre eine Katastrophe die Folge, wie Forschende im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

Wenn ein Meteorit oder Asteroid die Erde trifft, hängt es von seiner Größe ab, was mit ihm passiert: Ist er nur wenige Meter groß, explodiert er noch in der Luft – wie beim Tunguska-Ereignis oder dem Tscheljabinsk-Meteor der Fall. Deutlich größere Brocken dagegen schlagen in die Erdoberfläche ein, hinterlassen einen Krater und können im Extremfall eine globale Katastrophe verursachen. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Einschlag des Chicxulub-Asteroiden auf Yucatan vor 66 Millionen Jahren.

Zwischen Airburst und Krater

Doch es gibt noch eine dritte Variante: den Touchdown, wie nun Funde in der Antarktis bestätigen. Bei einem solchen Ereignis explodiert ein 100 bis 150 Meter großes Objekt zwar noch in der Luft, setzt aber so viel Energie frei, dass ein dichter Strahl aus verdampftem und geschmolzenem Material mit hohem Tempo und großer Wucht auf die Erde trifft. „Es ist damit ein intermediärer Typ zwischen dem Airburst und einem kraterbildenden Einschlag“, erklären Matthias van Ginneken von der University of Kent und seine Kollegen.

Die Überreste eines solchen Touchdown haben Mitglieder einer Belgischen Expedition im Sør-Rondane-Gebirge von Queen Maud Land in der Ostantarktis eingesammelt und nach Europa gebracht. Diese meist dunklen, rundlichen Gesteinspartikel haben van Ginneken und sein Team nun im Labor einer genaueren Untersuchung unter anderem mittels Elektronenstrahl-Mikrosonde unterzogen.

Spherulen
Diese mikroskopisch kleinen Körnchen zeugen von dem Ereignis. © Scott Peterson / micro-meteorites.com

Extraterrestrische Körnchen im Antarktiseis

Die Analysen bestätigen: Die in der Ostantarktis geborgenen Partikel sind extraterrestrischen Ursprungs. „Die chemische Zusammensetzung der Spurenelemente und der hohe Nickelgehalt zeigen die außerirdische Natur der geborgenen Partikel“, berichtet Koautor Lutz Hecht vom Museum für Naturkunde Berlin. Datierungen belegen, dass diese Bröckchen vor rund 430.000 Jahren auf die Erde gelangt sein müssen.

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Das Ungewöhnliche jedoch: Anders als die Trümmer eines normalen Meteoriteneinschlags sind die Komponenten dieser Trümmerstückchen stark oxidiert und auch ihre Sauerstoff-Isotopensignaturen unterscheiden sich von typischen Einschlags-Spherulen. „Die Zusammensetzung der Spinel-Minerale stimmt zudem mit der von Impakt-Trümmern überein, die bei Airburst-Ereignissen in der unteren Atmosphäre entstehen“, so die Forschenden. Die Partikel müssen demnach von einem Meteoriten stammen, der groß genug war, bis in die tiefen Atmosphärenschichten einzudringen.

Gleichzeitig jedoch deuten die Form und chemische Zusammensetzung der Spherulen darauf hin, dass sie in einer Impaktwolke entstanden – dem bei einem Einschlag hoch aufschießenden Gemisch aus verdampftem und geschmolzenem Gestein des Meteoriten und des Untergrunds. Im Falle der Körnchen aus der Ostantarktis fehlen jedoch Spuren des Untergrundgesteins.

So lief das Ereignis ab

Nach Ansicht des Forscherteams deutet all dies darauf hin, dass sich vor 430.000 Jahren eine Katastrophe der besonderen Art über der Ostantarktis ereignete: Ein 100 bis 150 Meter großer Meteorit raste mit rund 20 Kilometern pro Sekunde in steilem Winkel auf die Erdoberfläche zu. Die Reibungsenergie heizt ihn dabei bis auf 30.000 Grad auf und lässt ihn kurz über dem Grund zerplatzen.

„Anders als bei kleineren Ereignissen wie Tunguska verliert der entstehende Jet aus verdampftem Material aber kaum an Impuls und trifft mit sechs bis zehn Kilometern pro Sekunde auf die Eisoberfläche der Antarktis“, berichten van Ginneken und sein Team. Trotz seiner enormen Energie reicht die Dichte dieses Explosionsjets aber nicht aus, einen Krater zu erzeugen. Es kommt zu einem Touchdown-Ereignis – der Interaktion eines überhitzten Dampfstrahles mit dem eisbedeckten Untergrund.

Körnchenregen über tausende Kilometer

Das Auftreffen des Explosionsjets lässt die Eisoberfläche verdampfen und erzeugt eine mehrere Kilometer große Wolke aus verdampften Wasser und Gestein. „Innerhalb von drei bis vier Minuten erreicht diese Wolke aus Meteoritenmaterial, Wasser und Luft seine maximale Höhe von rund 400 Kilometern“, so das Forscherteam. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Teil des verdampften Gesteins zu kleinen Spherulen erstarrt.

„Schließlich kollabiert die Wolke und fällt zurück in die dichteren Schichten der Atmosphäre, wo sie eine Spherulen-reiche Wolke mit einem Radius von tausenden Kilometern bildet“, schildern die Wissenschaftler den weitern Verlauf der Katastrophe. Dies könnte erklären, warum Körnchen dieses Ereignisses sogar noch in einem Eisbohrkern des 2.700 Kilometer entfernten Dome Concordia gefunden wurden.

Was wäre, wenn es heute passieren würde?

Für die Lebenswelt der Erde war dieses Ereignis vermutlich wenig folgenreich, da es sich über der eisigen Antarktis abspielte. Doch wenn sich ein solcher „Touchdown“ heute wiederholen würde, wäre dies anders: „Wenn sich ein solches Ereignis über dicht besiedeltem Gebiet ereignen würde, könnte es Millionen von Toten und schwere Schäden über Entfernungen von mehreren hundert Kilometern nach sich ziehen“, erklärt van Ginneken.

Allein die Druckwelle bei der Explosion eines solchen, relativ großen Meteoriten wäre noch in tausenden Kilometern Entfernung zu spüren. „Die thermische Strahlung könnte im Umkreis von zehn bis 1.000 Kilometern Brände verursachen“, so die Forscher. Weil solche intermediären Ereignisse in der Erdgeschichte kaum nachweisbare Spuren hinterlassen, sind ihre Folgen und auch das Risiko für solche Touchdowns weit weniger gut erforscht als für klassische Einschläge mit Kratern. (. Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abc1008)

Quelle: University of Kent, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung

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