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Klima

Rekordtief beim Meereis der Antarktis

Was hat das abrupte Absinken der antarktischen Meereisfläche verursacht?

Antarktisches Meereis
In diesem Jahr ist das antarktische Meereis so stark zurückgegangen wie noch nie zuvor gemessen. © Advances in Atmospheric Sciences

Rekord mit unklarer Ursache: Erstmals seit Beginn der Messungen hat auch das antarktische Meereis ein neues Rekordtief erreicht. Die bisher als noch weitgehend stabil geltenden Eisflächen rund um die Antarktis schrumpften in diesem Südsommer auf weniger als zwei Millionen Quadratkilometer, wie Satellitendaten belegen. Einige Gründe für diesen abrupten Schwund haben nun Forschende ausfindig gemacht – aber nicht alle.

Anders als das rapide schwindende Meereis der Arktis galten die Eisflächen rund um die Antarktis bisher als noch relativ stabil. Zwar schrumpfen auch die Gletscher an ihren Rändern immer schneller und in der Westantarktis könnte ein Teil der Eisschmelze sogar schon unumkehrbar sein. Dennoch ging das antarktische Meereis trotz einiger großer Eisberg-Abbrüche bisher deutlich langsamer zurück als im hohen Norden.

Rückgang um bis zu 30 Prozent

Doch in diesem Jahr meldeten Wissenschaftler auch beim Meereis der Antarktis einen neuen Abtaurekord: Ende Februar 2022 und damit kurz vor Ende des südlichen Polarsommers ist das antarktische Meereis erstmals auf 1,9 Millionen Quadratkilometer geschrumpft. Dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1978.

Überraschend auch: Während die Meereisfläche rund um die Antarktis seit den 1970er Jahren im Schnitt nur um rund ein Prozent pro Jahrzehnt abgenommen hat, stürzten die Werte in diesem Jahr regelrecht ab: Gegenüber dem 30-Jahres-Mittel von 1981 bis 2010 ging das Meereis in diesem Südsommer um gleich 30 Prozent zurück. Besonders stark betroffen sind von diesem Rückgang das Wedellmeer, die Amundsen- und Bellinghausensee und der Bereich südwestlich des Indischen Ozeans.

Kombination mehrerer Faktoren

Was aber ist der Grund für diesen abrupten Rückgang? Das haben nun Jinfei Wang von der Sun Yatsen Universität in China und seine Kollegen näher erforscht. Wie sie berichten, gab es vor fünf Jahren schon einmal ein ähnliches, wenn auch weniger starkes Absinken der antarktischen Meereisfläche. Deshalb untersuchte das Team die Wetterlagen und Klimafaktoren, die diese beiden Minimumjahre vom Rest der Zeit unterscheiden und erstellten ein umfassendes Meereis-Budget für die Zeit von 1979 bis 2022.

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Das Ergebnis: Die ungewöhnlich starke Meereis-Schmelze geht offenbar auf mehrere Faktoren zurück.  Zunächst einmal sorgten zwei Klimaphänomene in diesen Sommern dafür, dass außergewöhnlich viel warme Luft aus nördlicheren Gefilden bis in die Amundsensee, den pazifischen Teil der Antarktis und das östliche Wedellmeer transportiert wurde. Im Südsommer 2021/2022 trafen eine La Nina im Pazifik mit einem positiven Zustand der antarktischen Oszillation (AAO) zusammen, wie das Team berichtet.

Letzteres sorgt dafür, dass der Westwindgürtel der Südhalbkugel sich intensiviert und Richtung Antarktis verschiebt. Dies wiederum wirkt sich auf die antarktische Ringströmung des Südozeans und die Luftmassen im Umfeld der Antarktis aus.

Dünner Eisrand und positive Rückkopplung

Allerdings erklären diese natürlichen Schwankungen nur zum Teil, warum bei ähnlichen Wetterlagen nicht schon früher so viel Meereis abgetaut ist und warum sie diesmal so stark ausfielen. Einen möglichen Grund fanden die Forschenden in der Amundsensee: Weil dort der Eisrand in den letzten Jahrzehnten deutlich dünner geworden ist, reagiert das Meereis dort sensibler auf eine Erwärmung und taut entsprechend schneller ab.

Dieses Abtauen wiederum erzeugt eine positive Rückkopplung: Das Schmelzen des Meereises legt mehr dunkle Wasserflächen frei, die Sonnenlicht absorbieren und die Aufheizung der Meeresoberfläche noch verstärken. Dazu kommt noch eine besonders starke Ausprägung der natürlichen Klimaanomalien, wie Wang und seine Kollegen erklären. Sie vermuten den Ursprung dafür in weiter nördlich liegenden Gefilden – in den Tropen. „Das ist die Region, die wir als nächstes unter die Lupe nehmen müssen“, sagt Wang. (Advances in Atmospheric Sciences, 2022; doi: 10.1007/s00376-022-2087-1)

Quelle: Institute of Atmospheric Physics, Chinese Academy of Sciences

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