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Oberrheingraben: Lithium reicht für Jahrzehnte

Lithiumgewinnung durch Geothermie-Kraftwerke wäre ohne Versiegen des Nachschubs möglich

Oberrheingraben
Das Tiefenwasser im Oberrheingraben könnte mindestens 30 Jahre lang Lithium liefern, ohne dass der Nachschub versiegt, wie Forschende ermittelt haben. © Frank Ramspott/ Getty images

Großes Potenzial: Im Oberrheingraben ist die Gewinnung des begehrten Batterie-Rohstoffs Lithium auch längerfristig lohnend und nachhaltig. Denn auch bei jahrzehntelangem Abpumpen des lithiumreichen Tiefenwassers droht keine Erschöpfung der Rohstoff-Nachschubs, wie Forschende ermittelt haben. Demnach könnte schon ein einziges Geothermie-Kraftwerk genug Lithium fördern, um mehr als 30 Jahre lang bis zu drei Prozent des Bedarfs der deutschen Batterieproduktion zu decken.

Beim Rohstoff Lithium ist Deutschland bisher komplett auf Importe angewiesen – der größte Teil kommt aus China und Südamerika. Doch das müsste nicht sein, denn auch in Deutschland gibt es reiche Lithiumvorkommen. Ein Teil dieser Ressourcen findet sich in Mineralen des Erzgebirges, eine zweite, größere Lithiumquelle liegt im Oberreingraben. Dort enthält das warme Tiefenwasser bis zu 190 Milligramm Lithium pro Liter. Würde man es extrahieren, könnten die bestehenden Geothermie-Kraftwerke daraus bis zu 4.700 Tonnen Lithium jährlich gewinnen, wie Forschende ermittelt haben.

Lithium
Lithium wird vor allem für Lithium-Ionen-Batterien benötigt. © jroballo/ Getty images

Wovon der Nachschub abhängt

Unklar war bislang jedoch, wie lange eine solche Lithiumgewinnung aus dem Tiefenwasser möglich ist. Der Grund: „Das im Wasser gelöste Lithium kommt in einem weitverzweigten Netzwerk aus Klüften und Hohlräumen im Gestein vor. Es ist aber nur punktuell über einzelne Bohrungen zugänglich“, erklärt Seniorautor Fabian Nitschke vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Menge des förderbaren Lithiums hängt daher auch davon ab, wie schnell das lithiumreiche Wasser aus umliegenden Teilen des Netzwerks in das Bohrloch nachströmen kann.

Ein zweiter Grund: Im Rahmen der Lithium-Gewinnung wird das lithiumreiche Wasser aus den 2.500 bis 5.000 Meter tief liegenden Aquiferen entnommen. Nach der Extraktion des Lithiums wird das Restwasser über ein zweites Bohrloch wieder in die Tiefe gepumpt. Wenn nun dieses nahezu lithiumfreie Wasser schneller zurück in die Förderbohrung strömt als das noch intakte Tiefenwasser, verdünnt es dieses und im Extremfall sinkt der Lithiumgehalt auf nahe Null. Entsprechend wichtig ist es, auch diese Rückstromrate zu kennen.

30 Jahre Lithiumextraktion im Modell rekonstruiert

Diese für die Lithiumgewinnung wichtigen Faktoren haben nun Nitschke, sein Kollege Valentin Goldberg und ihr Team für die Geothermie-Standorte am Oberrheingraben untersucht. Dafür bildeten sie die geologischen Gegebenheiten des Untergrunds und den Fluss von Tiefenwasser und Geothermie-Rückfluss in einem Modell ab. Die Daten dafür und für die Lithiumgehalte des Tiefenwassers lieferten Messwerte aus mehreren Geothermie-Kraftwerken im Oberrheingraben.

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„Wir nutzen dafür eine dynamische Transportmodellierung, angelehnt an die Untergrundverhältnisse des Oberrheingrabens, bei der wir thermische, hydraulische und chemische Prozesse gekoppelt betrachten“, erklärt Nitschke. „Ähnliche Modelle sind bereits aus der Öl- und Gasindustrie bekannt, wurden aber bisher noch nicht auf Lithium angewendet.“

Lithiumausbeute sinkt erst ab, bleibt dann aber stabil

Das Ergebnis: „Nach unseren Erkenntnissen ist ein Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich“, berichtet Goldberg. Konkret ergaben die Analysen, dass die Lithiumausbeute unabhängig von der Anfangskonzentration im Tiefenwasser rund fünf Jahre lang weitgehend stabil bleibt. Dann kommt es zu einem Absinken der Lithiumkonzentration um 30 bis 50 Prozent – je nach Fördermenge und Rückstrom. „Auch bei der Kohlenwasserstoffförderung oder im Erzbergbau ist die Ausbeute am Anfang am höchsten und nimmt dann allmählich ab“, sagt Nitschke.

Das Positive jedoch: Nach diesem Absacken der Lithiumwerte stabilisieren sich die Förderquoten wieder und der Lithiumgehalt nähert sich einem konstanten Wert an. Eine Lithiumgewinnung wäre demnach auch mehrere Jahrzehnte lang durchaus möglich, ohne dass der Rohstoffnachschub versiegt. „Das ist auf das offene Kluftsystem zurückzuführen, das kontinuierlich frisches Tiefenwasser aus anderen Richtungen nachliefert“, erläutert Nitschke.

Genug Lithium für zehntausende Elektroautos

Eine Lithiumgewinnung im Oberrheingraben wäre demnach auch langfristig lohnend. Schon ein Geothermie-Kraftwerk könnte demnach über die 30 Jahre gemittelt jährlich 234 Tonnen reines Lithium fördern. „Das reicht für die Batterien von 17.000 bis 23.000 Elektrofahrzeugen“, berichten Goldberg und seine Kollegen. Würde man die Lithiumextraktion ausbauen, könnten allein durch die schon bestehenden Geothermie-Kraftwerke bis zu zwölf Prozent des prognostizierten Lithiumbedarfs der deutschen Batterieproduktion gedeckt werden.

Nach Ansicht der Forschenden könnte die Lithiumextraktion am Oberrhein damit einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffversorgung Deutschlands leisten. „Wir wussten bereits, dass die Geothermie uns über Jahrzehnte grundlastfähige, erneuerbare Energie liefern kann“, sagt Koautor Thomas Kohl vom KIT. „Unsere Studie zeigt nun, dass ein einziges Kraftwerk im Oberrheingraben zusätzlich bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Lithiumbedarfs decken könnte.“

Positiv auch: Die Kombination von Geothermie und Lithiumgewinnung würde Deutschland unabhängiger von Lithiumimporten und gleichzeitig auch von Energieimporten machen. „Im nächsten Schritt muss nun die Skalierung der Technologie auf einen industriellen Maßstab erfolgen“, sagt Kohl. (Energies, 2023; doi: 10.3390/en16165899)

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie

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