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Archäologie

Maya vergifteten ihr eigenes Wasser

Quecksilber und giftige Algen machten Wasservorräte von Tikal ungenießbar

Tikal
Blick auf die Ruinen der Mayastadt Tikal. Ihre Bewohner könnten versehentlich ihre eigenen Wasservorräte vergiftet haben. © shark/ wikipedia litauen/ /CC-by-sa 3.0

Doppelt giftig: Die Bewohner der Mayastadt Tikal vergifteten ihre eigenen Wasservorräte – und beschleunigten so ihren Niedergang, wie Analysen nun enthüllen. Durch Quecksilber und giftige Algen wurde demnach das Wasser der Reservoire gegen Ende der Maya-Periode giftig und ungenießbar. Ursachen der Kontamination waren eine quecksilberhaltige rote Farbe, mit der Gebäude und Plätze gestrichen waren, sowie die Überdüngung der Teiche durch Essenreste.

Mehr als 2.000 Jahre lang herrschten die Maya über weite Teile Mittelamerikas. Sie errichteten gewaltige Monumentalbauten, Tempelpyramiden und ausgeklügelte hydraulische Bewässerungssysteme für ihre Städte. Doch um 900 nach Christus wurden viele der großen Maya-Städte wie Palenque, Chichen Itza oder Tikal verlassen, das Maya-Reich zerfiel. Die Ursachen für diesen Niedergang sind strittig, als wahrscheinliche Gründe gelten aber ein trockener werdendes Klima, die Übernutzung der Böden und auch innere Konflikte.

Spurensuche in Tikal

Jetzt enthüllt eine Studie aus Tikal einen möglichen weiteren Grund. Wie viele Mayastädte sammelten die Bewohner von Tikal das Wasser der Regenzeit in großen gemauerten Becken, um auch in den trockenen Sommern genügend Nass zu haben. „Viele der großen, gepflasterten Plätze im Stadtzentrum waren eigens so geneigt, dass sie den Regen in die Reservoire leiteten“, erklären David Lentz von der University of Cincinnati und seine Kollegen.

Wie gut das Wasser in diesen Reservoiren war, haben Lentz und sein Team nun mittels Sedimentanalysen untersucht. Dafür analysierten sie Proben aus den Ablagerungen zweier am Stadtrand liegender Reservoire sowie der beiden zentralen Becken, dem Tempel- und Palastreservoir auf verschiedene Schwermetalle, aber auch auf die Präsenz giftiger Algen.

Giftiges Quecksilber in den Wasser-Reservoiren

Das Ergebnis: Die beiden zentralen Reservoire von Tikal waren mit überraschend großen Mengen an Quecksilber kontaminiert. In der Spätphase der Besiedlung lagen die Konzentrationen dieses hochgiftigen Schwermetalls teilweise um das Zehnfache über der Schwelle, ab der Gesundheitsschäden auftreten. „Die meisten Proben mit extrem hohen Quecksilberwerten stammen aus der späten und terminalen Klassik – der Zeit kurz vor Aufgabe der Stadt“, berichten die Forscher.

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Quecksilber
Die Quecksilberkonzentrationen in den zentralen Reservoiren von Tikal waren in der Spätklassik und terminalen Klassik (LCP/TCP) besonders hoch. © Lentz et al./ Scientific Reports, CC-by 4.0

Urheber des giftigen Quecksilbers waren die Maya selbst. Denn sie verzierten ihre Tempel, Paläste und Plätze mit Zinnober, einem roten Mineralfarbstoff, der Quecksilber enthält. Und dieser Farbstoff wurde bei Regen immer wieder von den Wänden und Böden in die Reservoire ausgewaschen. „Wir haben einen mineralischen Fingerabdruck gefunden, der ohne Zweifel belegt, dass das Quecksilber im Wasser ursprünglich aus dem Zinnober stammte“, sagt Lentz.

Schleichende Vergiftung der Elite

Für die Bevölkerung von Tikal und vor allem die Maya-Elite hatte dies wahrscheinlich schwerwiegende Folgen: „Das Wasser zum Trinken und Kochen für die Herrscher von Tikal und ihre Entourage kam fast sicher aus dem Tempel- und Palastreservoir“, sagen Lentz und seine Kollegen. „Dadurch aßen die führenden Familien von Tikal bei jeder Mahlzeit mit Quecksilber kontaminiertes Essen.“

Als Folge könnten die Herrscher, aber auch Priester und andere hochrangige Vertreter der Maya-Eliten unter einer chronischen Quecksilbervergiftung gelitten haben. Typische Symptome sind unter anderem Durchfälle und Kopfschmerzen, aber auch Gedächtnisschwächen, Muskelzuckungen, Gangstörungen und Persönlichkeitsveränderungen, weil das Schwermetall die Nerven angreift.

Durch giftige Blaualgen ungenießbar

Doch das war nicht das einzige Problem: Die Analysen enthüllten zudem, dass das Wasser der beiden zentralen Reservoire von Tikal in der Spätphase massenhaft giftige Blaualgen enthielt. „Wir haben zwei Arten von Cyanobakterien gefunden, die toxische Chemikalien produzieren“, berichtet Lentz. Deren Gifte lassen sich selbst durch Kochen nicht zersetzen und machten das Wasser giftig und wahrscheinlich nahezu untrinkbar. „Das Wasser sah wahrscheinlich unappetitlich aus und schmeckte auch scheußlich“, sagt Lentz‘ Kollege Kenneth Tankersley.

Auch für diese giftige Kontamination des Wassers waren die Maya vermutlich selbst verantwortlich. Denn wie die Untersuchungen ergaben, war das Wasser der Reservoire durch die Einschwemmung organischer Reste stark überdüngt. Hauptquelle dieses Phosphats waren Essenreste aus der direkt am Wasser liegenden Palastküche, so die Archäologen. Beim Spülen von Tellern, aber auch vom Abfallplatz direkt neben dem Reservoir gelangten diese Reste ins Wasser, wo sie dann zur Algenblüte führten.

Abkehr von Tikal und den alten Herrschern

Für die Menschen von Tikal war diese Verwandlung ihrer einst lebensspendenden Wasserreservoire in stinkende Algentümpel vermutlich ein Schock – und ein Faktor, der ihr Vertrauen in ihre Herrscher und deren göttliche Macht zunichte machte. „Die Autorität der Maya-Herrscher war eng damit verknüpft, dass sie für sauberes Wasser sorgen konnten“, erklären die Wissenschaftler. „Sie hatten eine spezielle Beziehung zu den Regengöttern.“

Doch in der Endphase von Tikal war von diesem speziellen Draht nichts mehr zu spüren: Der Regen blieb immer häufiger aus und das wenige Wasser, das noch in den Reservoiren war, wurde zunehmend ungenießbar. „All dies zusammen muss die Bevölkerung demoralisiert haben“, so die Forscher. „Angesichts der schwindenden Wasser- und Nahrungsvorräte waren sie schließlich mehr als bereit, ihre Heimat zu verlassen.“

Nach Ansicht von Lentz und seinen Kollegen könnten diese „hausgemachten“ Umweltprobleme nicht nur in Tikal, sondern auch in anderen Mayastädten zum Niedergang der Kultur beigetragen haben. Denn sie verschlimmerten die Folgen des Klimawechsels und machten die Städte selbst nach Ende der trockenen Klimaperiode weiterhin unbewohnbar. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-67044-z)

Quelle: University of Cincinnati

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