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Geowissen

Klimabohrung auf Rekordkurs

40 Millionen Jahre alte Sedimente geborgen

Eisbrecher Sowetskiy Sojus mit Forschungsflugzeug © Forschungszentrum Ozeanränder

Eine Expedition im Rahmen des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) hat bei Bohrungen im arktischen Meer eine Rekordtiefe von mehr als 250 Metern erreicht. Die Wissenschaftler konnten mehr als 40 Millionen Jahre alte Sedimentebohrkerne bergen – für die Klimaforschung unschätzbare Zeugen der Vergangenheit.

Seit gut einer Woche operieren drei starke Eisbrecher etwa 225 Kilometer vom Nordpol entfernt. Das Ziel: die 500 Meter mächtigen Ablagerungen am Grund des Arktischen Ozeans zu durchbohren, um so erstmals das Auf und Ab der Klimageschichte im Hohen Norden nachzuzeichnen. Inzwischen ist eine Bohrtiefe von mehr als 250 Metern erreicht. Das Alter der Sedimente in dieser Rekordtiefe wird auf etwa 40 Millionen Jahre geschätzt. Große Treibeisschollen, zum Teil besetzt mit meterdicken Packeisrücken, bereiten der internationalen Bohrmannschaft immer wieder Probleme.

Gestern Abend liefen die ersten Erfolgsmeldungen vom Nordpol ein: Seit Beginn der Bohrungen am Freitag vergangener Woche ist das Bohrgerät in mehr als 250 Meter Tiefe vorgedrungen. Expeditionsleiter Prof. Jan Backman schätzt das Alter dieser ältesten jemals in der Arktis erbohrten Sedimente auf etwa 40 Millionen Jahre. „Bislang standen uns nur wenige Meter Meeresablagerungen aus der Nordpolarregion zur Verfügung“, sagt der an der Universität Stockholm tätige Geowissenschaftler. „Das Material, das wir jetzt erbohrt haben, erzählt uns die Geschichte eines eisfreien, im Vergleich zu heute deutlich wärmeren Arktischen Ozeans.“ Backman, der das Projekt über lange Jahre vorantrieb, zeigt sich

begeistert: „Als Klima- und Umweltarchiv sind die Ablagerungen einzigartig! Die Sedimente werden uns helfen, die Klimageschichte unseres Planeten besser zu verstehen, denn im globalen Klimapuzzle spielt die Arktis eine wichtige Rolle.“

Dabei sah es zunächst gar nicht gut für die Expedition aus: An der Bohrstelle ist das Meer zu 90 bis 100 Prozent mit zum Teil mächtigen, driftenden Eisschollen bedeckt. Sie verhinderten zunächst, dass das Bohrschiff „Vidar Viking“ sich über der ins Auge gefassten Bohrstelle festsetzen konnte. Eine feste Bohrposition ist aber notwendig, damit das Bohrgestänge nicht abbricht. Für den Schutz des Bohrschiffs sorgen zwei weitere PS-starke Eisbrecher, die schwedische „Oden“ und die russiche „Sowetskiy Sojus“. Auch in der aktuellen Expeditionsphase muss die Bohrung treibeisbedingt immer wieder für Stunden unterbrochen werden.

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Hinzu kamen in der vorigen Woche technische Probleme am Bohrgerät, die zunächst mit Bordmitteln behoben werden konnten. Gestern wurde indes zur Sicherheit ein Herkules-Transportflugzeug der schwedischen Armee in Marsch gesetzt. Bei marginalen Sichtbedingungen gelang den Piloten das Kunststück, aus nur 130 Metern Höhe drei Packete von insgesamt 750 Kilogramm Gewicht abzuwerfen (siehe Fotos). Sie enthielten die angeforderten Ersatzteile für das Bohrgerät, aber – zur Freude der Köche auf den Eisbrechern – auch etliche Kilo frischer Tomaten, Salat und Vollmilch, die für die Küchenbesatzung am Nordpol sicher fast so wertvoll sind wie die bislang erbohrten Sedimente für die Wissenschaftler.

Für das Expeditionsteam um Backman & Co. wird der Besuch der Herkules vorerst das einzige Lebenszeichen aus der Zivilisation bleiben. Geplant ist, die Bohrungen am Pol bis in den September hinein fortzusetzen. Die Expedition, die im Rahmen des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) vom British Geological Survey, der Universität Bremen sowie dem Schwedischen Polarforschungssekretariat durchgeführt wird, soll am 15. September in nordnorwegischen Tromsoö zu Ende gehen. Intensiv untersucht und ausgewertet werden die Sedimentkerne ab Anfang November durch ein internationales Wissenschaftlerteam an der Universität Bremen.

(Forschungszentrum Ozeanränder, 25.08.2004 – NPO)

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