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Evolution

Homo sapiens: Besserer Geruchssinn als der Neandertaler

Riechhirn und damit verbundene Hirnbereiche waren bei unseren Vorfahren größer

Schädel eines Jetztmenschen (links) und eines Neandertalers © P.L. Walker/ E.H. Hagen

Ein besserer Geruchssinn könnte unseren Vorfahren entscheidende Vorteile gegenüber den Neandertalern verliehen haben. Nicht nur das Riechhirn, auch die damit verknüpften Gehirnregionen für Sprachfähigkeit, Gedächtnis und soziale Fähigkeiten waren beim Homo sapiens deutlich größer als bei seinem heute ausgestorbenen Vetter. Das hat ein internationales Forscherteam beim Vergleich der inneren Schädelform der beiden Menschenarten festgestellt. „Diese Veränderungen scheinen einzigartig für den modernen Menschen zu sein und könnten wichtige Aspekte des menschlichen Verhalten beeinflusst haben“, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“.

Der Geruchssinn gilt einer der ursprünglichsten Sinne des Menschen. Er ist enger als andere Wahrnehmungen mit unseren Gefühlen, aber auch mit Erinnerungen verknüpft. „Daher nimmt der Geruchssinn im Nervensystem eine Stellung ein, die weit über das bloße Riechen hinausgeht“, schreiben Markus Bastir vom Museo Nacional de Ciencias Naturales in Madrid und seine Kollegen.

Riechhirn und verbundene Areale größer

Die neuen Analysen der Forscher zeigen, dass die Gehirne von Neandertaler und modernem Mensch zwar etwa gleich groß sind. Aber die Gehirnstrukturen, die Geruchsinformationen empfangen und verarbeiten, sind bei uns und unseren Vorfahren ungefähr zwölf Prozent größer als bei den Neandertalern. Nach Ansicht der Forscher könnte dies einerseits bedeuten, dass unsere Vorfahren besser riechen konnten als die Neandertaler. Gleichzeitig aber könnte die Gehirnveränderung auch andere damit verbundene Fähigkeiten verbessert haben, wie beispielsweise das unbewusste Erkennen von Familienangehörigen, den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe und das soziale Lernen.

Bisher sei das Geruchsvermögen bei Primaten und Menschen als ein relativ unbedeutender Wahrnehmungssinn angesehen worden. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Bedeutung des Geruchssinnes in der Entwicklung unserer eigenen Art neu beurteilt werden muss“, sagt Mitautorin Katerina Harvati von der Universität Tübingen. Vor allem hinsichtlich der Entwicklung sozialer Fähigkeiten könnte der Geruchssinn eine wichtige Rolle gespielt haben.

Schnittbilder der Schädelbasis verraten Gehirnform

Für ihre Studie haben die Forscher mehrere fossile Schädel des Homo sapiens und des Neandertalers mittels Computertomografie (CT) untersucht. Aus den Schnittbildern erstellten sie dreidimensionale Rekonstruktionen der Schädelbasis. Weil das wachsende Gehirn bereits im Mutterleib eines Menschen auf die sich bildenden Schädelknochen drückt, prägt es dem Schädel seine Form auf. Aus der Größe und Form bestimmter Wölbungen in der Schädelbasis der beiden Menschenarten konnten die Wissenschaftler daher rekonstruieren, wie sich verschiedene Gehirnbereiche bei Neandertaler und Homo sapiens unterschieden.

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Unmittelbare Verbindung zu Gefühlen und Erinnerungen

Die Ausläufer des vorne im Kopf sitzenden Riechhirns reichen weit in andere Gehirnbereiche hinein. Informationen darüber, was wir riechen, gelangen daher ohne Umweg direkt zu den Gehirnregionen, die für die Verarbeitung von Gefühlen, Ängsten, Erinnerungen, Vergnügen und sexuelle Anziehung verantwortlich sind. „Der Geruchssinn ist mehr als alle anderen Sinne direkt mit Erinnerungen verbunden. Dies erklärt, warum bestimmte Gerüche sofort starke Gefühle in Bezug auf vergangene Ereignisse oder bestimmte Personen hervorrufen“, erklärt Harvati.

Aber auch bei der Partnerwahl und beim Erkennen von Verwandten spielt das Riechen eine wichtige, uns weitgehend unbewusste Rolle. „Jüngste Forschungen deuten auch darauf hin, dass Menschen tatsächlich den Geruch der Angst bei ihrem Gegenüber wahrnehmen können – etwas, das für das Sozialverhalten sehr wichtig ist“, schreiben Bastir und seine Kollegen. Ein besserer Geruchssinn könnte daher auch in diesen Aspekten unseren Vorfahren Vorteile verschafft haben. (Nature Communications, 2011; doi:10.1038/ncomms1593)

(Nature / Universität Tübingen, 14.12.2011 – NPO)

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