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Geowissen

„Extraterrestrisches“ Mineral gibt Rätsel auf

Erster Fund des Meteoritenminerals Allabogdanit am Toten Meer – wie kommt es da hin?

Allabogdanit
Das eingerahmte Körnchen dieser Gesteinsprobe enthält das seltene Mineral Allabogdanit - es ist der erste Fund in einem irdischen Gestein. © Mineralogical Society of America

Mysteriöser Ursprung: Forscher haben das seltene Meteoritenmineral Allabogdanit am Toten Meer entdeckt – es ist der erste Nachweis dieses Minerals in irdischem Gestein. Das Merkwürdige daran: Dieses Mineral entsteht nur bei einem Druck von mindestens 25 Gigapascal. Dieser kommt auf der Erde aber nur bei großen Meteoriteneinschlägen oder 500 Kilometer tief im Erdmantel vor – beides passt für den Fundort nicht. Wie das Allabogdanit vom Toten Meer entstand, ist daher rätselhaft.

Allabogdanit ((Fe,Ni)2P) ist eine erst 1994 entdeckte Variante von Phosphid-Mineralen – Verbindungen aus Phosphor und Metallen. Das extrem seltene, metallisch-grau glänzende Mineral wurde bisher ausschließlich in Proben einiger Eisenmeteoriten nachgewiesen, aber noch nie in irdischen Gesteinen. Kein Wunder: Zur Entstehung benötigt das Allabogdanit einen extrem hohen Druck. Laborversuche mit Hochdruckpressen belegen, dass die Gitterstruktur dieses Minerals erst bei mehr als 25 Gigapascal aus seinem chemisch gleichen Vorgänger Barringerit entsteht.

„So hohe Drücke treten auf der Erde nur bei katastrophalen Kollisionen mit einem großen Meteoriten auf oder unter den Bedingungen des Erdmantels in mehr als 500 Kilometer Tiefe“, erklärt Erstautor Sergey Britvin von der Universität Sankt Petersburg.

Hatrurim-Formation
Blick auf das Hatrurim-Becken und die Aufschlüsse der Formation © Mineralogical Society of America

Unerwarteter Fund am Toten Meer

Umso merkwürdiger ist der aktuelle Fund: Britvin und sein Team haben Allabogdanit in einer Gesteinsformation in der Nähe des Toten Meeres entdeckt – und damit zum ersten Mal in einem irdischen Gestein. „Das ist der erste terrestrische Nachweis dieses zuvor nur aus Eisenmeteoriten bekannten Minerals“, konstatieren die Forschenden. In ihren Gesteinsproben konnten sie winzige Körnchen sowohl von Barringerit als auch von Allabogdanit nachweisen.

„Wir haben das Allabogdanit in Assoziation mit Oberflächengestein der Hatrurim-Formation gefunden“, berichtet Britvin. Diese auch als Mottled Zone – gefleckte Zone – bezeichnete Gesteinsformation tritt an mehreren Stellen rund ums Tote Meer, in der Negev-Wüste und bis ins Westjordanland hinein zutage. Gängiger Theorie nach entstanden diese kalkreichen Ablagerungen in der Zeit vor 70 bis 35 Millionen Jahren, wurden dann aber durch Brände unterliegender Kohle- oder Erdölschichten starker Hitze ausgesetzt. Geologen bezeichnen dies als Pyrometamorphismus.

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Entstehung ebenso rätselhaft…

Damit gibt der Fund des Allabogdanits in doppelter Weise Rätsel auf. Zum einen ist völlig unklar, wie dieses Hochdruck-Mineral in der Hatrurim-Formation entstehen konnte. „Bisher gibt es keinerlei Hinweise auf große Meteoriteneinschläge oder Vorkommen von Mantelgestein in der südlichen Levante“, erklärt Britvin. Möglich sei höchstens, dass es eines von beiden gab, aber die Erosion deren Spuren seither getilgt hat.

Dagegen spricht allerdings, dass die Geologen zusammen mit dem Allabogdanit ein weiteres Mineral gefunden haben, dass sich bei hohem Druck zersetzt. Das Silikatmineral Diopsid ist nur bis zu einem Druck von rund 17 Gigapascal stabil. „Das macht es unwahrscheinlich, dass sich das Allabogdanit vor Ort durch einen Hochdruck-Schock, beispielsweise durch einen Meteoriteneinschlag oder ein natürliches Explosionsereignis, gebildet hat“, so das Forschungsteam.

…wie die heutige Präsenz

Das zweite Problem: Die Hitze der urzeitlichen Brände hätte das Allabogdanit eigentlich vollständig zerstören müssen. „Experimente demonstrieren, dass Allabogdanit bei normalem Druck metastabil ist und dass es bei Erhitzen auf etwa 800 Grad irreversibel in seine Niederdruck-Variante Barringerit übergeht“, schreiben die Wissenschaftler. Das weckt die Frage, warum dieses seltene Mineral dann heute noch existiert.

Noch können die Wissenschaftler nur spekulieren, wie das seltene Mineral an seinen Fundort kam. Sie hoffen aber, dass weitere Untersuchungen insbesondere der Hatrurim-Formation erste Antworten liefern werden. (American Mineralogist, 2021; doi: 10.2138/am-2021-7621)

Quelle: Staatliche Universität Sankt Petersburg

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