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Evolution

Wir sind alle „Asgardianer“

Eukaryoten entstanden aus einer Untergruppe der Asgard-Archaeen

Urzeit
Aus welchen Vorfahren entstanden einst die ersten Eukaryoten – und damit auch unsere Urahnen? Bisher ist der Stammbaum an dieser Stelle unklar. © Jorge Villalba/ Getty images

Revolution im Lebens-Stammbaum: Ähnlich wie Vögel eigentlich Dinosaurier sind, sind wir Menschen und alle Eukaryoten eigentlich Asgard-Archaeen. Denn einer Studie zufolge gehen alle Eukaryoten auf eine kleine, seltene Untergruppe dieser zellkernlosen Mikroben zurück, die noch heute in extremen Lebensräumen vorkommen. Eukaryoten sind damit keine Schwestergruppe der Archaeen, sondern gehören zu ihnen, wie Forschende in „Nature“ berichten. Damit hat der Lebensstammbaum nur noch zwei statt drei Hauptäste.

Irgendwann, vor rund zwei Milliarden Jahren, ging eine urtümliche, zellkernlose Zelle eine Endosymbiose mit einer zweiten, wahrscheinlich bakteriellen Zelle ein – und setzte damit eine evolutionäre Kaskade in Gang, aus der sich die Eukaryoten und damit alles höhere Leben entwickelten. Doch wer war diese erste Vorläuferzelle? Einer Theorie nach gehörte sie zu den Vorfahren der Archaeen, der neben den Bakterien zweiten prokaryotischen Domäne des Lebens. Eukaryoten wären demnach die Schwestergruppe aller Archaeen.

Doch 2015 entdeckten Forschende an hydrothermalen Schloten mitten im Atlantik eine Archaeengruppe, die einige für Eukaryoten typische Gene in sich trug. DNA-Analysen zufolge waren diese Asgard-Archaeen trotz ihrer ansonsten urtümlichen Merkmale enger mit uns höheren Lebewesen verwandt als die restlichen Archaeengruppen.

Archaaen-Stammbaum
Auf Basis ribosomaler Gene rekonstruierter Archaeen-Stammbaum. © Eme et al./ Nature, CC-by 4.0

Spurensuche unter Asgard-Archaeen

Seither ist strittig, wo genau die Wurzeln der Eukaryoten liegen. Einige Wissenschaftler sehen unsere Urvorfahren weiterhin als Schwestergruppe der Archaeen, andere als Schwestergruppe der Asgard-Archaeen und wieder andere mutmaßen einen Ursprung innerhalb der „Asgardianer“. „Die exakte evolutionäre Beziehung der Archaeen zu den Eukaryoten blieb ungeklärt“, erklären Laura Eme von der Universität Uppsala und ihre Kollegen.

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben sie an verschiedenen Standorten weltweit nach weiteren Asgard-Archaeen gesucht. Dafür nahm das Team Sedimentproben aus hydrothermalen Schloten, heißen Quellen, vom Meeresgrund und Binnengewässern weltweit und unterzog sie einer DNA-Analyse. Tatsächlich stießen sie dabei auf die Erbgutsignaturen von 63 zuvor unbekannten Vertretern der Asgard-Archaeen.

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Auf Basis dieser Funde und zuvor beschriebener Genome von Asgard-Archaeen erststellten Eme und ihr Team einen neuen Stammbaum dieser Einzeller. Dann suchten sie mithilfe von Genvergleichen nach Ähnlichkeiten zu den Eukaryoten.

Eukaryoten-Gene bei den Hodarchaeales

Das überraschende Ergebnis: Die größten Übereinstimmungen zeigte eine kleine Untergruppe innerhalb der Asgard-Archaeen, die Hodarchaeales. Diese erst kürzlich in Meeressedimenten entdeckte Archaeen-Ordnung besitzt mehr eukaryotentypische-Gene, sogenannte ESP-Gene, als jede andere Gruppe der Asgard-Archaeen wie die Forschenden feststellten. Darunter sind Gene für eine DNA-Polymerase-Untereinheit, für einige Membranproteine sowie Histonproteine, die für die Verpackung der Eukaryoten-DNA kennzeichnend sind.

„Das Spannende daran ist, dass wir damit bei diesen Hodarchaeales den Übergang von urtümlichen Archaeen zu Organismen sehen, die schon eher den Eukaryoten ähneln“, sagt Koautor Brett Baker von der University of Texas in Austin. Auffallend bei den Hodaercheales sei auch, dass ihr Erbgut viele Genkopien umfasst. „Wir wissen, dass Genverdopplungen oft zu neuen Funktionen und einer erhöhten zellulären Komplexität geführt haben“, so Baker. „Bei den Asgard-Archaeen könnte dies den Weg zu den Eukaryoten geebnet haben.“

Eukaryoten-Stammbaum
Alle Eukaryoten, uns Menschen eingeschlossen, stammen von einer Untergruppe der Asgard-Archaeen ab. © University of Texas at Austin

Wir sind ein Seitenast der Asgard-Archaeen

Zusammen werfen diese Erkenntnisse ein neues Licht auf den Ursprung der Eukaryoten – und damit auch unserer frühen Vorfahren. „Dies stützt die Annahme, dass die Hodarchaeales die engsten Archaeen-Verwandten der Eukaryoten sind“, schreiben Eme und ihr Team. Anders als lange gedacht sind die zellkerntragenden Organismen demnach nicht die Schwestergruppe der Archaeen und damit auch keine eigene, dritte Domäne des Lebens.

Stattdessen entstanden die Vorfahren aller höheren Lebewesen einst als kleiner Seitenast innerhalb der Asgard-Archaeen. Alle Eukaryoten sind damit phylogenetisch betrachtet eigentlich Asgard-Archaeen. Unser gesamter Stammbaumast ist in die Verzweigungen der Asgard-Archaeen eingebettet – ähnlich wie der der Vögel in den Stammbaum der Dinosaurier. „Ich sage deswegen gerne: Wir sind alle Asgardianer“, so Baker.

Unser Urahn war mesophil und heterotroph

Interessant auch: Die genetischen Untersuchungen lieferten auch erste Hinweise darauf, wie und wo die Urahnen aller Eukaryoten lebten. Demnach sind die meisten frühen und heutigen Asgard-Archaeen zwar Extremophile, die in heißen Umgebungen leben und ihre Energie chemisch aus Wasserstoff und anderen Molekülen gewannen. Die Hodarcheales – und damit wahrscheinlich auch die Urahnen der Eukaryoten – bevorzugen dagegen kühlere Temperaturen um 37 Grad und waren heterotroph: Sie gewannen ihre Energie aus dem Abbau organischer Kohlenstoffverbindungen.

„Dies gibt uns erste Einblicke in die Natur und Identität des Asgard-Archaeen-Urahns der Eukaryoten und liefert Ansatzpunkte für zukünftige Forschungen, um noch weitere Puzzleteile der Eukaryoten-Entstehung aufzudecken“, konstatieren Eme und ihre Kollegen. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06186-2)

Quelle: Nature, University of Texas at Austin

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