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Biologie

Wir haben mehr Kuschelhormon in uns als gedacht

Neue Methode zeigt hundertfach höhere Oxytocinkonzentration

Das Kuschelhormon Oxytocin beeinflusst unser Sozialverhalten auf vielfältige Weise. © Tom Kuex/ freeimages

Überraschendes Messergebnis: In unserem Blut schwimmt rund hundertmal mehr Oxytocin als bisher bekannt. Das offenbart nun eine von norwegischen Forschern entwickelte Messtechnik. Demnach war ein Großteil des als Kuschelhormon bekannten Botenstoffs für frühere Methoden unsichtbar, weil es an Proteine gebunden war. Das neue Verfahren soll künftig wichtige Fragen rund um die Wirkweise des Oxytocins klären.

Der Botenstoff Oxytocin gilt als Kuschelhormon, als Beziehungskitt und Glücklichmacher: Das Hormon wird bei Frauen während der Geburt ausgeschüttet und hilft, die Bindung zwischen Mutter und Kind zu stärken. Es macht uns außerdem zu treuen Partnern, stärkt unsere Empathie und verleiht uns eine optimistische Weltsicht. Gleichzeitig hemmt es Angst und dämpft Misstrauen gegenüber anderen.

„Allerdings wissen wir nicht, ob Oxytocin für emotionale Bindungen zwischen Menschen wirklich unerlässlich ist. Denn es gibt keine Möglichkeit, das Hormon im menschlichen Körper vollständig zu blockieren“, sagt Siri Leknes von der University of Oslo. „Für die Forschung ist es deshalb wichtig, die individuellen Oxytocinmengen genau bestimmen zu können.“ So könne gezeigt werden, ob unterschiedliche Konzentrationen zu Unterschieden im Sozialverhalten führen.

Ungenaue Messverfahren

Das Problem: Bisher gab es keine Methode, mit der die Konzentration des Kuschelhormons exakt gemessen werden konnte. Je nach Messverfahren erhielten Forscher unterschiedliche Ergebnisse. Doch das Team um Leknes und Erstautor Kristian Brandtzaeg hat nun eine Lösung dafür. Die Wissenschaftler haben eine neue Methode entwickelt, die präziser sein soll als sämtliche ältere Verfahren.

Die norwegischen Forscher entdeckten, dass Oxytocin im Blut oft an Proteine gebunden ist – nur ein geringer Teil liegt gelöst vor. „Das heißt, dass viele Oxytocinmoleküle für gängige Messtechniken unsichtbar sind“, sagt Brandtzaegs Kollege Steven Ray Wilson. Die Idee der Wissenschaftler: Bricht man die Bindung zwischen den Proteinen und dem Botenstoff, steht die gesamte Menge des Kuschelhormons für die Analyse – zum Beispiel via Massenspektrometrie – zur Verfügung.

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„Proteine bestehen aus langen, molekularen Ketten, die dreidimensional gefaltet sind. Wir ziehen die Proteine mit unserer Methode sozusagen auseinander und entfalten sie, sodass sie das gebundene Oxytocin freigeben“, erklärt Brandtzaeg.

Hundertmal mehr Oxytocin

Mit dem neuen Verfahren haben Brandtzaeg und seine Kollegen bereits eine überraschende Entdeckung gemacht: Im menschlichen Blutplasma und Serum ist weitaus mehr Oxytocin vorhanden als bisher gedacht. Die Hormonkonzentration ist demnach rund hundertmal höher als frühere Messungen vermuten ließen.

„Die Ergebnisse haben uns einen kleinen Schock versetzt“, sagt Wilson. „Sie bedeuten auch, dass viele Erkenntnisse rund um das Kuschelhormon erneut überprüft werden sollten.“ Unklar sei bislang allerdings, welchen Effekt Oxytocin im gebundenen Zustand überhaupt habe – und ob es einen Zusammenhang zwischen der gelösten und der gebundenen Menge des Botenstoffs im Blut gibt.

Vom Blut ins Gehirn

Neben dieser Frage wollen die Forscher mithilfe der Methode künftig außerdem ein weiteres entscheidendes Rätsel klären: Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Konzentration des Kuschelhormons im Blut und jener im Gehirn, wo der Botenstoff Signale zwischen Nervenzellen überträgt? So wird Probanden im Rahmen von Studien beispielsweise häufig Oxytocin über Nasensprays oder Injektionen verabreicht.

„Doch wie viel davon passiert tatsächlich die Blut-Hirn-Schranke und wirkt im Gehirn? Wir glauben, dass unsere Messtechnik neue und genauere Antworten auf diese Frage liefern wird“, schließen die Wissenschaftler. Sie erhoffen sich auf diese Weise künftig noch mehr darüber zu erfahren, wie sehr Oxytocin unser Verhalten und unsere Gesundheit beeinflusst. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep31693)

(University of Oslo, 08.11.2016 – DAL)

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