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Botanik

Wie Sonnenblumen der Sonne folgen

Tages-Rotation des Pflanzenkopfes ist komplexer als bislang angenommen

Sonnenblume
Sonnenblumen drehen sich kollektiv der Sonne entgegen, aber wie? © gehringi/ Getty Images

Überraschend anders: Sonnenblumen drehen ihren Kopf der Sonne entgegen, wenn diese den Himmel überquert. Doch anders als angenommen, wachsen die Pflanzen dabei nicht aktiv dem Licht entgegen, wie Forschende nun herausgefunden haben. Stattdessen rotiert ihr Kopf offenbar auch durch eine Vermeidungsreaktion: Sie wollen aus schattigen Bedingungen herauswachsen. Dabei kommt es zu einem verblüffend komplexen Zusammenspiel verschiedener Lichtrezeptoren, das noch nicht vollständig aufgeklärt ist.

Sonnenblumen folgen mit ihrem Kopf der Sonne, wenn diese den Himmel in einem Bogen von Ost nach West überquert. Das gelingt den Pflanzen, indem sie tagsüber vermehrt an der Ostseite ihres Stängels wachsen und sich so nach Westen verbiegen. Nachts wachsen Sonnenblumen hingegen stärker auf der Westseite und schwenken ihren Kopf so pünktlich zum Sonnenaufgang wieder zurück nach Osten. Doch wie gelingt den Sonnenblumen dieses „Heliotropismus“ genannte Kunststück?

Zeitraffer-Aufnahme einer Sonnenblume, die mit ihrem Kopf der Sonne folgt. © Discover Magazine

Immer der Sonne nach

Ein Erklärungsansatz besagt, dass Heliotropismus eine spezielle Form des „Phototropismus“ ist – der Fähigkeit von Pflanzen, gezielt einer Lichtquelle entgegenzuwachsen. Der blaue Lichtanteil regt dabei spezielle Proteine, die sogenannten Phototropine, an. In der Folge verteilen diese das pflanzliche Wachstumshormon Auxin um, sodass es sich an der lichtabgewandten Seite der Pflanze ansammelt. In einem bislang nicht vollständig entschlüsselten Prozess führt das Auxin schließlich dazu, dass die Pflanze dem blauen Licht entgegenwächst.

Ob Sonnenblumen bei ihrer täglichen Kopfrotation ähnlich vorgehen, haben Forschende um Christopher Brooks von der University of California in Davis nun zum ersten Mal experimentell überprüft. Dafür überwachten sie die Genaktivität von Sonnenblumen im Labor und Freiland und konnten so indirekt herausfinden, welche Rolle Phototropin bei der Kopfbewegung der Sonnenblumen spielt.

Phototropin nicht so wichtig wie gedacht

Das Ergebnis: In den speziellen Labor-Wachstumskammern, in denen sich die Lichtquelle nicht bewegte, verhielten sich die Sonnenblumen ähnlich wie andere phototrope Pflanzen, berichten die Forschenden. Sie aktivierten vermehrt Gene, die mit Phototropin in Verbindung stehen, ließen die Proteine ihre Arbeit verrichten und wuchsen dadurch direkt auf das Licht zu.

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Bei den Sonnenblumen auf dem Feld beobachteten Brooks und seine Kollegen jedoch eine völlig andere Genaktivität, bei der die Phototropin-Tätigkeit nicht erheblich hochgeregelt wurde. „Das war eine totale Überraschung für uns“, sagt Ko-Autorin Stacey Harmer, ebenfalls von der UC Davis. „Wir scheinen den Phototropin-Weg ausgeschlossen zu haben.“

Schatten als treibende Kraft?

Doch wenn Sonnenblumen nicht mithilfe von Phototropin der Sonne folgen, wie machen sie es dann? Noch konnten Brooks und sein Team nicht die genauen Gene identifizieren, die für die Kopfrotation sorgen, aber: „Unsere Genexpressionsanalyse deutet darauf hin, dass frühe Transkriptionsereignisse im Heliotropismus mehr mit Schattenvermeidungsreaktionen als mit dem klassischen, durch blaues Licht vermittelten Phototropismus gemein haben könnten.“

Den Forschenden zufolge könnten Sonnenblumen somit eher auf sogenannte Phytochrome statt auf Phototropin setzen. Phytochrome sind spezielle Lichtrezeptoren, die rötliches, gestreutes Licht und somit schattige Bedingungen wahrnehmen. Sie sind zum Beispiel nützlich, um andere Pflanzen in der Nähe wahrzunehmen und diese zu überwuchern, um selbst mehr Sonnenlicht abzubekommen. Stimmt die neue Theorie, wachsen Sonnenblumen also nicht der Sonne entgegen, sondern einfach nur aus dem Schatten heraus.

Verschiedene „Licht-Augen“ weisen den Weg

Um die Idee zu überprüfen, stülpten Brooks und sein Team einigen der Feld-Sonnenblumen spezielle Boxen über, die rotes Licht herausfiltern. Indem die Phytochrome so kein rotes Licht mehr wahrnehmen konnten, hätten sie theoretisch keine Reaktion zur Schattenvermeidung mehr auslösen dürfen und die Kopfrotation der Sonnenblumen hätte stoppen müssen. Aber das war nicht der Fall. Sowohl Boxen, die rotes Licht als auch solche, die blaues herausfilterten, konnten die tägliche Bewegung der Köpfe nicht aufhalten, wie die Forschenden beobachteten.

Das Team geht daher davon aus, dass sich Sonnenblumen bei ihrer Rotation an verschiedenen Lichtbereichen orientieren und gleichzeitig eine starke innere Uhr haben, die ihnen offenbar selbst bei „Blindheit“ den Weg weist. Wie dieses Zusammenspiel aus verschiedenen Prozessen und Molekülen konkret funktioniert, sollen nun weitere Experimente zeigen. (PLoS Biology, 2023; doi: 10.1371/journal.pbio.3002344

Quelle: University of California – Davis, PLoS Biology

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