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Astronomie/Kosmos

Eine kosmische Geisterhand

Röntgenteleskop zeigt die „Knochen“ des Pulsarwind-Nebels MSH 15-52

Pulsarnebel-Wind
Der Pulsar-Windnebel MSH 15-52 hat die Form einer menschlichen Hand. © X-ray: NASA/CXC/Stanford Univ./R. Romani et al. (Chandra); NASA/MSFC (IXPE); Infrared: NASA/JPL-Caltech/DECaPS; Image Processing: NASA/CXC/SAO/J. Schmidt

Was hier aussieht wie die knochige, violette Hand eines kosmischen Geistes, mag zwar zunächst wie ein Halloween-Gag der NASA erscheinen. Doch es handelt sich um einen realen, rotierenden Neutronenstern, der intensive Winde in der Form einer menschlichen Hand ausstößt. Astronomen haben die 16.000 Lichtjahre entfernte Struktur nun erstmals über einen längeren Zeitraum hinweg im Röntgenspektrum beobachtet und dadurch mehr über ihre Entstehung gelernt.

Kollabiert ein massereicher Stern in einer Supernova, wird er zu einem Schwarzen Loch oder einem extrem dichten Neutronenstern. Manche Neutronensterne rotieren sehr schnell und beschleunigen dabei auch die Teilchen ihres starken Magnetfeldes auf enorme Geschwindigkeiten. Es entstehen Kegel energiereicher Strahlung, die wie die Lichtkegel eines Leuchtturms in regelmäßigem Takt durch das All pulsieren. Man nennt diese Art von Neutronenstern daher auch Pulsar.

Eine Weltraumhand wird geröntgt

Junge Pulsare können außerdem Jets aus hochenergetischen Materie- und Antimaterieteilchen erzeugen, die von ihren Polen aus ins All schießen und dabei unterschiedlich geformte Pulsarwind-Nebel formen. Ein besonders ungewöhnliches Beispiel für einen solchen Nebel ist MSH 15-52. Die Struktur liegt rund 16.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und hat von uns aus gesehen die Form einer menschlichen Hand. Ihr dazugehöriger Pulsar PSR B1509-58 ist erst vor 1.500 Jahren zu seiner jetzigen Form kollabiert und auf dem Bild als leuchtende Kugel an der Basis der „Handfläche“ zu erkennen.

Das Chandra-Röntgenobservatorium der NASA hat das Paar erstmals im Jahr 2001 beobachtet. Nun hat das neueste NASA-Röntgenteleskop, der IXPE (Imaging X-ray Polarimetry Explorer), die ungewöhnliche Struktur erneut ins Auge gefasst. Fast 17 Tage lang beobachtete das Teleskop den Pulsarwind-Nebel im Röntgenspektrum – so lange wie noch kein anderes Objekt zuvor.

An der Grenze des physikalisch Möglichen

„Wir alle kennen Röntgenstrahlen als medizinisches Diagnosewerkzeug für den Menschen“, sagt Josephine Wong von der Stanford University. „Hier verwenden wir Röntgenstrahlen auf eine andere Art und Weise, aber sie enthüllen wieder Informationen, die uns sonst verborgen bleiben.“ Denn IXPE kann jene Röntgenstrahlung sichtbar machen, die von den geladenen Teilchen im Magnetfeld des Pulsars ausgeht. So liefert das Teleskop nun erstmals eine genaue Magnetfeld-Karte der „kosmischen Geisterhand“.

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Und diese Karte könnte erklären helfen, warum der Pulsarwind-Nebel ausgerechnet die Form einer Hand hat. Denn das Magnetfeld von PSR B1509-58 ist in weiten Bereichen so gerade und gleichförmig, wie es theoretischen Arbeiten zufolge maximal möglich ist. Das bedeutet, dass es in diesen Regionen des Pulsarwind-Nebels kaum Turbulenzen gibt, wodurch dessen Ausläufer so geradlinig verlaufen können wie menschliche Finger, erklären die Forschenden.

Lebensgeschichte der Pulsar-Teilchen aufgedeckt

Ebenfalls interessant ist der helle Röntgenstrahl, der vom Pulsar am „Handgelenk“ aus nach unten schießt. Die IXPE-Daten zeigen, dass dieser Jet zunächst durch eine turbulente Region mit komplexen, verworrenen Magnetfeldern führt und erst gegen Ende in ruhige, geglättete Gefilde kommt. Dieser Turbulenz-Gradient deutet laut Forschenden darauf hin, dass die Teilchen zunächst in den turbulenten Regionen in der Nähe des Pulsars einen Energieschub erhalten und dann in gleichförmigere Bereiche fließen, wo sie die geraden Formen einer menschlichen Hand nachbilden können.

„Wir haben die Lebensgeschichte von superenergetischen Materie- und Antimaterieteilchen in der Umgebung des Pulsars aufgedeckt“, sagt Niccolò Di Lalla von der Stanford University. „Das lehrt uns, wie Pulsare als Teilchenbeschleuniger wirken können.“

Quelle: NASA’s Chandra X-ray Observatory

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