Anzeige
Paläontologie

Spinosaurus: Mehr Reiher als Raubtaucher?

Neue Analyse stellt schwimmende Jagdstrategie der Spinosaurier in Frage

Spinosaurus auf der Jagd
Spinosaurus jagte seine Beute wahrscheinlich wie ein Reiher, der knietief im Wasser ausharrt und dann blitzschnell zuschlägt. © Daniel Navarro

Reiher oder Robbe? Offenbar jagte der kreidezeitliche Spinosaurus seine fischige Beute doch nicht aktiv schwimmend und tauchend, wie bisher meist angenommen. Denn dazu war dieser Raubdinosaurier anatomisch nicht geeignet, wie nun Paläontologen anhand neuer Analysen herausgefunden haben. Stattdessen könnte Spinosaurus seiner Beute im Wasser stehend aufgelauert haben – um sie dann durch einen blitzschnellen Schnauzenstoß zu fangen und zu töten.

Mit einer Länge von 16 Metern war der Spinosaurus aegyptiacus eines der größten Raubtiere, die jemals auf der Erde gelebt haben. Doch die pflanzenfressenden Dinosaurier seiner Zeit mussten sich nicht vor ihm fürchten, denn mit seinem krokodilartigen Kiefer und den kegelförmigen Zähne war Spinosaurus wahrscheinlich eher auf den Fang von Fischen und anderen Wassertieren spezialisiert. Wie genau der Urzeitriese seine Beute vor rund 97 Millionen Jahren jagte, ist allerdings weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Debatten.

Robbe oder Reiher?

Manche Paläontologen gehen davon aus, dass der sieben Tonnen schwere Raubsaurier mit dem markanten Rückensegel sich am Rande von Gewässern aufhielt oder wie ein Reiher in sie hineinwatete, um dann blitzschnell mit seiner langen Schnauze und den scharfen Krallen zuzuschlagen. Andere gehen davon aus, dass Spinosaurus halbaquatisch lebte und Fische erbeutete, während er an der Oberfläche schwamm oder ihnen sogar aktiv wie ein Seelöwe hinterhertauchte.

Letztere Hypothese stützt sich vor allem auf einen besonderen Fund aus dem Jahr 2020. Damals war es Paläontologen erstmals gelungen, Schwanzknochen des Urzeitriesen zu bergen. Und anders als erwartet lief der Schwanz des Spinosaurus nicht schmal und spitz wie der anderer Raubsaurier zu, sondern bestand aus verlängerten stacheligen Knochen. Zu Lebzeiten glich der Schwanz daher wahrscheinlich eher dem eines Aals oder einer Kaulquappe und hätte zumindest äußerlich als Ruderorgan getaugt.

Harte Kritik an der Tauchhypothese

Eine Studie aus dem Jahr 2022 verlieh der Idee, Spinosaurus hätte wie ein agiler Seelöwe tauchen und schwimmen können, weiteren Auftrieb. Mithilfe einer Knochendichtemessung glaubten die Paläontologen, eindeutige Beweise für ein solches Jagdverhalten gefunden zu haben, doch nun gibt es Kritik an ihrer Vorgehensweise. Denn als Forschende um Nathan Myhrvold von dem US-amerikanischen Patentverwertungsunternehmen Intellectual Ventures die Ergebnisse replizieren und auf ihnen aufbauen wollten, fielen ihnen verschiedene methodische Mängel auf.

Anzeige

Ihr Hauptkritikpunkt: Die Verwendung einer wenig ausgereiften Diskriminanzanalyse. Für diese wird ein spezieller Algorithmus darauf trainiert, Gemeinsamkeiten von wenig bekannten mit gut bekannten Arten zu finden und so die wahrscheinlichste Lebensweise eines ausgestorbenen Tieres zu ermitteln.

Doch: „Leider funktioniert diese Technik nicht richtig, wenn man nicht viele Daten hat, Äpfel mit Äpfeln vergleicht und nicht überprüft, ob die Daten bestimmte statistische Voraussetzungen erfüllen“, sagt Myhrvold. „Keine dieser Voraussetzungen wurde in der früheren Studie erfüllt, sodass die Ergebnisse einer erneuten Prüfung nicht standhielten.“

Knochenquerschnitt Spinosaurus
Die Knochen von Spinosaurus waren zwar dicht, erlaubten ihm aber wahrscheinlich trotzdem keine ausgedehnten Tauchgänge. © Stephanie Baumgart and Evan Saitta

Spinosaurus war wahrscheinlich „unsinkbar“

Die Vorstellung, dass Spinosaurus ein grazil schwimmender aquatischer Jäger war, scheitert Myhrvold und seinem Team zufolge an verschiedenen Aspekten. So waren die Knochen des Raubdinosauriers zwar an einigen Stellen extrem dicht und erinnern daher an das Knochengerüst moderner Seekühe, die ihre schweren Knochen als eine Art Tauchgürtel nutzen, um unter Wasser zu bleiben. Dennoch hatte Spinosaurus wahrscheinlich zusätzlich Luftsäcke, die an den Lungen und Knochen befestigt waren und wie eine Schwimmweste wirkten.

Myhrvold und seine Kollegen charakterisieren Spinosaurus daher als „unsinkbaren“ und äußerst instabilen Schwimmer. Diese Annahme wird von früheren Hochrechnungen mittels 3D-Modell gestützt, laut denen Spinosaurus beim Schwimmen an der Oberfläche eine Geschwindigkeit von nicht einmal drei Kilometern pro Stunde erreichte – zu langsam, um zuverlässig flinke Fische zu erwischen.

Lauerjäger wie ein Reiher

Nach Ansicht der Forschenden bedeutet dies, dass die Vorstellung des schwimmend oder tauchend nach Beute jagenden Spinosaurus falsch sein muss. Der Raubdinosaurier war an eine solche Jagdweise nicht angepasst, so Myhrvold und seine Kollegen. Stattdessen könnte Spinosaurus eher ein Lauerjäger gewesen sein, dessen Jagdweise der heutiger Reiher oder Schuhschnäbel ähnelt: Sie lauern im Wasser stehend auf Fische und erlegen sie dann durch einen blitzschnellen Stoß ihres Schnabels.

„Spinosaurus war in der Lage, in mehr als zwei Meter tiefe Gewässer zu waten, wo er Fische jeder Größe mit seinen Klauen und Kiefern erbeuten konnte – und das alles, während seine Zehen fest im Schlamm verankert blieben“, beschreibt Seniorautor Paul Sereno von der University of Chicago die Lebens- und Jagdweise des Urzeiträubers. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0298957

Quelle: PLOS, University of Chicago

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche