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Biologie

Skurril: Seeschlange sieht mit dem Schwanz

Lichtsensoren im Paddelschwanz helfen ihn vor Bissen und Schäden zu schützen

Seeschlange
Die Seeschlage (Aipysurus laevis) kann mit ihrer Schwanzhaut Licht wahrnehmen -das hilft ihr, den Paddelschwanz zu schützen. © Chris Mal

Ungewöhnliches Patent der Natur: Eine australische Seeschlange kann mit ihrem Schwanz sehen. Denn in der Haut ihres abgeflachten Paddelschwanzes sitzen lichtempfindliche Pigmente, wie nun Forscher entdeckt haben. Fällt Licht auf den Schwanz, zieht ihn die Schlange ein – und schützt ihn so vor Schäden oder Angriffen von Fressfeinden. Wie genau dieser Sensor funktioniert und ob er auch bei anderen Seeschlangen vorkommt, haben die Wissenschaftler nun erstmals untersucht.

Schlangen sind eine extrem anpassungsfähige Tiergruppe: Sie kommen von heißen Wüstengebieten über dichte Urwälder bis in die gemäßigten Breiten unserer Region vor. Sogar das Fliegen haben einige baumbewohnende Schlangen perfektioniert. Besonders ungewöhnlich aber ist der Lebensraum der vieler Seeschlangen: Sie verbringen nahezu ihr gesamtes Leben im Meer – oft in Korallenriffen oder Seegraswiesen.

Sensibler Schlangenschwanz

„Seeschlangen leben ihr gesamtes Leben im Meer und schwimmen mit abgeflachten, paddelartigen Schwänzen“, erklärt Jenna Crowe-Riddell von der University of Adelaide. Obwohl diese Schlangen dank ihres Giftes durchaus wehrhaft sind, ist ihr Schwanz jedoch angreifbar: Er ist weit vom Kopf entfernt, gleichzeitig aber überlebenswichtig für das Tier. Wird er verletzt oder abgebissen, ist dies ihr Todesurteil.

Doch die vor Australien heimische Olivfarbene Seeschlange Aipysurus laevis hat zum Schutz ihres kostbaren Paddelschwanz eine ganz besonders Fähigkeit entwickelt: Sie kann mit ihrem Schwanz
Licht wahrnehmen. Normalerweise schützt sie ihren Schwanz, indem sie sich mit dem Hinterende in Korallenritzen und Höhlen versteckt. Fällt Licht auf den Schwanz, zieht sie ihn unter ihren Körper. „Die Olivfarbene Seeschlange war das einzige Reptil von mehr als 10.000 Reptilienarten, von dem man bisher wusste, dass sie so reagiert“, sagt Crowe-Riddell.

Nur drei Seeschlangenarten können das

Wie jedoch die Schlange das Licht mit ihrem Schwanz wahrnimmt und ob vielleicht auch andere Seeschlangen diese Fähigkeit besitzen, war bisher unbekannt. Deshalb haben Crowe-Riddell und ihre Kollegen nun erstmals näher untersucht, wie die Lichtsensoren dieser Seeschlange beschaffen sind und welche genetisch-biologischen Mechanismen dahinterstecken. Zudem suchten sie systematisch auch bei anderen Seeschlangen nach solchen „Schwanzaugen“.

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Das Ergebnis: Selbst in der nächsten Verwandtschaft der Olivfarbenen Seeschlange entdeckten die Forscher nur drei Arten, die ebenfalls einen Lichtsinn im Schwanz tragen. Aus dem Stammbaum dieser Schlangen schließen die Forscher, dass diese Fähigkeit relativ einzigartig ist: Sie entstand offenbar nur einmal bei dem gemeinsamen Vorfahren dieser drei und drei weiterer Arten. „Bei rund 60 Arten von Seeschlangen sind dies gerade einmal zehn Prozent“, so Crowe-Riddell. „Warum diese seltene Fähigkeit nur in einigen wenigen Aipysurus entwickelt wurde, wissen wir nicht.“

Sehpigment Melanopsin macht Hautzellen lichtsensibel

Doch wie genau „sieht“ die Schlange mit ihrem Schwanz? RNA-Analysen enthüllten, dass die Hautzellen im Schwanz von Aipysurus laevis das Pigment Melanopsin erzeugen. Dieses Molekül kommt auch in unserem Auge vor und dient dort als Lichtsensor für unsere innere Uhr. Bei der Seeschlange macht es die Hautzellen des Schwanzregion lichtempfindlich und wandelt die Lichtsignale in Nervenimpulse um.

„Melanopsin kommt in einer ganzen Palette von Stoffwechselwegen vor, die mit der Wahrnehmung von Licht verknüpft sind“, erklärt Crowe-Riddell. „Bei Fröschen hilft es beispielsweise, ihre Hautfarbe anzupassen und bei uns Menschen trägt es dazu bei, den Schlaf-Wach-Zyklus zu regulieren.“ Wie die Forscher herausfanden, besitzt die Seeschlange eine Reihe von Genen, die wahrscheinlich die Produktion des Melanopsins in den Hautzellen ihres Schwanzes steuern.

„Aber es ist noch weitere Forschung nötig, bevor wir wirklich verstehen, durch welche genetischen Mechanismen dieses faszinierende Verhalten zustande kommt, sagt Koautorin Kate Sanders von der University of Adelaide. (Molecular Ecology, 2019; doi: 10.1111/mec.15022)

The University of Adelaide

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