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Meeresforschung

Mehr Mikroplastik am Meeresgrund als gedacht

Menge an Kunststoff in der Tiefsee übertrifft schwimmenden Plastikmüll bei weitem

roboter
Mithilfe von Unterwasserrobotern entnehmen Forscher Proben vom Meeresgrund. ©CSIRO

Tief abgesunken: Mindestens 14 Millionen Tonnen Mikroplastik könnten sich am Grund der Ozeane angesammelt haben, schätzen Forscher auf Basis aktueller Proben. In der Tiefsee befinden sich damit vermutlich rund 50-mal mehr Kunststoffteile, als an der Meeresoberfläche schwimmen. Das Mikroplastik reichert sich auch weit jenseits der Küstenregionen am Meeresgrund an.

Fischernetze, Plastiktüten und Verpackungsmüll – Ozeane, Flüsse, Seen und selbst das arktische Eis sind mit Kunststoffabfällen verschmutzt. Millionen Tonnen gelangen jährlich in die Gewässer – allein die schwimmende Masse dieses Mülls beträgt fast 270.000 Tonnen. Diese Kunststoffe zerfallen und verteilen sich als Mikroplastik in Wasser, Luft und Böden. Tiere – wie zum Beispiel Fische und Vögel – nehmen das Mikroplastik auf, so dass es in der Nahrungskette schließlich auch bis zum Menschen gelangt. Außerdem setzt es giftige Substanzen und Umweltgase wie Methan frei.

Wie viel Plastik befindet sich am Meeresgrund?

Sedimentprobe
Die Sedimentproben wurden auf Mikroplastik untersucht. ©CSIRO

Einige Studien ermittelten bereits, dass ein großer Teil des im Meer schwimmenden Mikroplastiks im Laufe der Zeit in die Tiefe sinkt. Aber wie viel davon hat sich bereits am Meeresgrund angelagert? Das hat ein Forscherteam um Justine Barrett von der australischen Forschungsorganisation CSIRO untersucht. Sie entnahmen dafür mithilfe eines Unterwasserroboters Sedimentproben an sechs verschiedenen Stellen des Meeresgrunds. Die Entnahmeorte lagen in bis zu 3.000 Meter Tiefe und waren rund 300 Kilometer von der Küste Südaustraliens entfernt.

Die Sedimentproben trennten die Wissenschaftler in einer Zentrifuge in ihre Bestandteile auf und filterten sie, um den Anteil an Mikroplastik mit Hilfe eines Mikroskops zu identifizieren. Die Ergebnisse ihrer Analysen und früherer Studien rechneten sie auf die Größe des gesamten Ozeans um – und erhielten damit erstmals eine globale Schätzung über die Menge des Mikroplastiks am Meeresboden.

Rund 50 Mal so viel wie an der Oberfläche

Das Ergebnis: Die durchschnittliche Menge an Mikroplastik lag bei allen Sedimentproben der sechs Standorte etwa zwischen 0,15 und drei Teilchen pro Gramm getrocknetes Sediment. „Das ist mehr als doppelt so viel wie in früheren Studien berichtet“, so die Forscher. Anhand ihrer Hochrechnungen vermuten sie, dass 14 Millionen Tonnen Mikroplastik auf dem Meeresgrund liegen – deutlich mehr als bislang angenommen.

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Die Analysen bestätigt zudem, dass am Grund der Ozean weit mehr Plastik verborgen liegt als an der Oberfläche sichtbar ist. „Die von uns geschätzte globale Plastikmasse am Meeresgrund ist zwischen 34 und 57 Mal höher als die des an der Oberfläche erfassten Kunststoffmüll“, berichten Barrett und ihre Kollegen. Insgesamt seien ihre Schätzungen aber extrem konservativ, wahrscheinlich ist das wahre Ausmaß der Plastikverschmutzung weit höher.

Höchstwerte auch an abgelegenen Orten

Es gab jedoch auch ortsabhängige Unterschiede: Die Anzahl der Mikroplastikfragmente auf dem Meeresboden war in den Gebieten, in denen sich auch mehr an der Wasseroberfläche schwimmender Müll befand, generell höher – unabhängig davon, ob die Region nah oder weit entfernt von der Küste lag. „Wir waren überrascht, hohe Mikroplastikbelastungen an einem so abgelegenen Ort zu beobachten“, sagt Barrett. Das Plastikvorkommen an Standorten in den Küstenregionen schätzen sie und ihr Team noch höher ein.

Eine weitere Auffälligkeit war, dass eine erhöhte Menge an Mikroplastik auch mit dem Gefälle des Meeresbodens zusammenhängt: Je stärker das Gefälle, desto höher ist das Plastikvorkommen. „Aufgrund logistischer Schwierigkeiten wurden keine Proben aus dem Boden eines Steilhangs entnommen, wo zu erwarten ist, dass Mikroplastik-Fragmente sich noch mehr anhäufen“, erklären die Wissenschaftler.

Tiefsee als Plastik-„Falle“

Nach Ansicht der Forscher machen ihre Ergebnisse deutlich, dass Kunststoff-Partikel auch die Tiefen der Ozeane außerhalb der Küsten verschmutzen. „Selbst die Tiefsee ist anfällig für das Problem der Verschmutzung durch Plastik“, fasst Barrett zusammen. „Unsere Forschung ergab, dass die Tiefsee eine Fallgrube für Mikrokunststoffe ist“, ergänzt Barretts Kollegin Denise Hardesty. Und dennoch sei die Menge an Mikroplastik im Sediment nur ein kleiner Anteil des gesamten Kunstoffs, so die Forscher.

Die Ergebnisse weisen auf die dringende Notwendigkeit hin, wirksame Lösungen für die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastik zu finden, so Hardesty. „Wir können dazu beitragen, dass weniger Plastik in unseren Ozeanen landet, indem wir Einwegkunststoffe vermeiden, die Recycling- und Abfallwirtschaft unterstützen und unseren Müll sorgsam entsorgen, damit er nicht in unsere Umwelt gelangt“, konstatiert die Forscherin.

Und der Apell richtet sich an alle: „Regierung, Industrie und die Gesellschaft müssen zusammenarbeiten, um die Menge des Abfalls, den wir an unseren Stränden und in unseren Ozeanen sehen, deutlich zu reduzieren.“ (Frontiers in marine Science, 2020; doi: 10.3389/fmars.2020.576170 )

Quelle: CSIRO

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