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Umwelt

Meeresvögel: Plastikmüll als „Duftfalle“

Forscher finden heraus, warum bestimmte Vögel besonders viel Plastik fressen

Der zunehmende Plastikmüll im Meer und an den Küsten ist für viele Vögel eine tödliche Gefahr. © MonnaMoon/ iStock.com

Verlockender Duft: Warum haben Albatrosse und Sturmvögel besonders häufig Plastikmüll im Bauch? Der Grund ist ein fataler Irrtum, wie Forscher nun herausgefunden haben. Denn auf dem Kunststoff bildet sich schon nach kurzer Zeit im Ozean ein Belag, der einen speziellen Duftstoff aussendet. Dieser jedoch dient den Meeresvögeln normalerweise als Futteranzeiger – und deshalb fallen sie prompt darauf herein und fressen das Plastik.

Unsere Ozeane sind vermüllt: Mehr als fünf Billionen Kunststoffpartikel verschiedenster Größe treiben in den Weltmeeren umher – und jedes Jahr kommen rund acht Millionen Tonnen Plastik hinzu. Für viele Meerestiere endet dies fatal. Biologen schätzen, dass bereits 90 Prozent aller Seevögel schon einmal Plastik im Bauch hatten.

Besonders häufig betroffen scheinen dabei Albatrosse und Sturmvögel zu sein – aber warum? „Tiere haben normalerweise einen Grund für ihre Entscheidungen“, sagt Studienleiter Matthew Savoca von der University of California in Davis. „Wenn wir wirklich verstehen wollen, warum Tiere das im Meer treibende Plastik fressen, müssen wir darüber nachdenke, wie sie ihr Futter finden.“

Geruch als Lockstoff?

Der Verdacht der Forscher: Möglicherweise gibt der Plastikmüll einen Geruchsstoff ab, der zusätzlich zum optischen Reiz anlockend für die Vögel wirkt. Denn von Albatrossen und anderen Vertretern der Röhrennasen (Procellariiformes) ist bekannt, dass sie Meeresgebiete mit besonders vielen Kleinkrebsen über den Geruch aufspüren. Wird Phytoplankton von den Krebsen gefressen, geben sie Dimethylsulfid (DMS) ab – und dieser Duftstoff signalisiert den Vögeln: Futter.

Dieser Sturmvogel hat Plastik gefressen und starb daran. © Sarah Youngren

„Wenn das Plastik von DMS-erzeugenden Organismen besiedelt wird, könnte es ebenfalls ein chemisches Profil entwickeln, das diese Vögel anlockt“, erklären Savoca und seine Kollegen. Um das zu untersuchen, setzten sie Plastikkügelchen aus drei verschiedenen gängigen Kunststoffen für drei Wochen dem Meerwasser vor der kalifornischen Küste aus. Anschließend extrahierten eventuelle vorhandene Duftstoffe und analysierten diese mittels Gaschromatografie.

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„Futterduft“ schon nach drei Wochen im Meer

Es zeigte sich: Vor dem Kontakt mit dem Meerwasser geben die Kunststoffe zwar kein Dimethylsulfid ab, hinterher aber sehr wohl: „Wir haben DMS bei allen Plastikpartikeln unseres Versuchs nachgewiesen“, berichten die Forscher. Die Konzentration lag dabei zwischen 0,6 und 28 Mikrogramm DMS pro Gramm Plastik. „Das belegt, dass diese drei gängigen Kunststoffe nach weniger als einen Monat im Meer bereits ausreichend DMS abgeben, um von den Röhrennasen wahrgenommen zu werden.“

Der von den Plastikteilchen abgegebene Duft war sogar stärker als der von den Algen im Ozean abgegebene, wie die Wissenschaftler erklären. Es liege daher nahe, dass eine starke Verschmutzung des Meeres mit Plastikmüll geradezu anziehend auf Albatros und Co wirke. „Der Plastikmüll emittiert den Duft eines Signalstoffs und erzeugt so eine olfaktorische Falle für anfällige Meerestiere“, sagen Savoca und seine Kollegen.

Olfaktorische Falle

Könnte dieser Effekt erklären, warum Albatrosse und Sturmvögel anfälliger für das Fressen von Plastik sind als andere? Um das herauszufinden, werteten die Wissenschaftler Studien aus, die die Menge und Häufigkeit von Plastik im Bauch von insgesamt gut 13.000 verschiedenen Seevögeln untersucht hatten.

Das Ergebnis: Die Meeresvögel, die sich bei ihrer Futtersuche an Dimethylsulfid orientieren, hatten sechs Mal häufiger Plastik im Bauch als rein auf Sicht jagende Vögel. „Man nimmt oft an, dass Meerestiere den Plastikmüll fressen, weil er aussieht wie ihre Beute. Aber unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass auch chemische Signale zu diesen irregeleiteten Fressverhalten beitragen“, konstatieren Savoca und seine Kollegen.

Vor allem die nach Geruch jagenden Albatrosse, Sturmvögel und Sturmschwalben sind demnach besonders anfällig dafür, auf diesen falschen Lockstoff hereinzufallen. (Science Advances, 2016; doi: 10.1126/sciadv.1600395)

(University of California – Davis, 10.11.2016 – NPO)

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