Die Echoortung der Fledermäuse funktioniert eigentlich nur der Luft. Aber trotzdem jagt das Große Hasenmaul in Südamerika auch Fische. Wie sie diese ortet, haben jetzt deutsche Forscher herausgefunden: Sie fängt das kurze Kräuseln der Wasseroberfläche auf, das kurz auftauchende Fische hinterlassen und berechnet daraus deren nächste Schwimmposition. Dieses raffinierte Beutefang-System zeigt, dass diese Fledermäuse nicht nur extrem gut räumlich denken können, sie müssen auch instinktiv komplexe Positions-Berechnungen anstellen.
Die Echoortung der Fledermäuse ist ein genialer Mechanismus für das Auffinden und Fangen von fliegender oder irgendwo sitzender Beute. Die Reflexionen der Ultraschallsignale verraten den Tieren genau, wo beispielsweise das Insekt sitzt. Das Ganze hat aber einen Haken: Es funktioniert nur an der Luft. Unter Wasser können die Ortungssignale nicht vordringen. Das aber scheint eine Fledermaus, das in Süd- und Mittelamerika heimische Große Hasenmaul (Noctilio leporinus) nicht zu stören: Ihre Leibspeise sind kleine Fische, die sie aus Flüssen und Tümpeln fängt. Aber wie?
Mit Highspeed-Kamera und Aufnahmegerät
Das haben Wissenschaftler vom Institut für Experimentelle Ökologie der Universität Ulm nun in zwei mehrwöchigen Forschungsaufenthalten in Panama genauer untersucht. Sie nutzten dabei Hochgeschwindigkeits-Kameras und Ultraschallaufnahmegeräte, um das Beutefangverhalten des Großen Hasenmauls zu beobachten und deren Echoortungssignale aufzuzeichnen. „Wir haben dafür einen speziellen Flugkäfig eingerichtet, samt Teich in der Mitte“, erläutert Studienleiterin Kirstin Übernickel. Um auf der Wasseroberfläche treibende Insekten zu simulieren, präparierten sie kleine Fischstückchen so als Köder, dass sie nur wenige Millimeter aus dem Wasser herausragten.
„Schwieriger war die Nachahmung der Unterwasserbeute, die nur gelegentlich an die Oberfläche kommt“, so die Biologin. Denn diese Fische hinterlassen nur vorübergehende Spuren, die die Fledermäuse in dieser kurzen Zeitperiode per Echoortung erfassen müssen. Hilfestellung leistete den Biologen dabei ein Kunstfisch, eine mobile, ferngesteuerte Schlauchpumpen-Konstruktion, die kleine Wasserschwalle erzeugt.
Kurzes Kräuseln hilft beim Berechnen der Position
Tatsächlich gelang es den Forscher auf diese Weise, hinter das Jagdgeheimnis der fischfressenden Fledermaus zu kommen: „Die Hasenmaulfledermaus adaptiert ihr Echoortungsverhalten an die jeweilige Jagdsituation“, erklärt Übernickel. Bei auf der Wasseroberfläche treibender Beute greift sie auf ein stereotypes Ortungsprogramm zurück, das dem der primär luftjagenden Arten sehr ähnlich ist. Hat die Fledermaus ihre Beute geortet, stößt sie im gezielten Anflug immer mehr und immer kürzere Rufsignale aus, um sie zielgenau anfliegen zu können.
Sucht die Hasenmaulfledermaus dagegen nach Fischen, also nach Beute, die die Wasseroberfläche nur kurz berührt und wieder verschwindet, verändern sich die Ortungsrufe: In der Endphase der Annäherung stößt sie längere und langsamere Signale aus. Anhand der Echosignale, die von Wasserspritzern und Kräuselwellen reflektiert werden, berechnet das Große Hasenmaul die wahrscheinliche Position seiner schwimmenden Beute. Mit ihren bekrallten Zehen tauchen sie ins Wasser und durchkämmen dann dort die Wasseroberfläche. Gelingt der Fang, wird er sofort verzehrt, oder die Große Hasenmaulfledermaus kehrt damit zu ihrem Ruheplatz zurück, um ihre Beute dort zu verspeisen.
Lernen aus Erfahrungen und guter Raumsinn
Die Beobachtungen zeigen damit, dass diese Fledermäuse auch dann erfolgreich sind, wenn ihre Beute in der „Radarerfassung“ nur kurz auftaucht und gleich wieder verschwindet. „Diese Fledermäuse haben wahrscheinlich nicht nur ein außergewöhnliches räumliches Vorstellungsvermögen, sondern sie besitzen auch die Gabe der erfahrungsbasierten Situationsauswertung“, erklärt Übernickel.
„Es war zu vermuten, dass diese besondere Fledermausart mit ihrem breiten Repertoire an Beutefangverhalten die Echoortung in verschiedenen Situationen unterschiedlich einsetzen würde. Mit unseren Untersuchungen ist es nun gelungen, unter kontrollierten semi-natürlichen Bedingungen diese Variabilität im Echoortungsverhalten wissenschaftlich zu dokumentieren“, fasst die Fledermausforscherin die Ergebnisse zusammen.
(Universität Ulm, 05.09.2013 – NPO)