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Biologie

Eiweiß-Inventur in Hefe-Mitochondrien

Proteom des Zellkompartiments entschlüsselt

Deutschen Wissenschaftlern ist ein Meilenstein in der Zellforschung gelungen: Sie haben erstmals alle Proteine, die sich in den Mitochondrien von Hefezellen befinden, identifiziert und analysiert. Insgesamt fanden sie dabei 851 verschiedene Eiweiße. Die neue Studie könnte, so die Forscher in der online Ausgabe der Fachzeitschrift "Journal of Proteome Research", viele neue Erkenntnisse über die Funktion von Mitochondrien-Proteinen liefern.

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Mitochondrien sind als "Kraftwerke" der Zelle bekannt. Ohne deren Energieproduktion sind höhere Lebewesen nicht lebensfähig. Neben der Zellatmung sind sie allerdings auch in eine Vielzahl zellulärer Funktionen involviert und erfüllen wichtige Aufgaben im Stoffwechsel von Eiweißen, Fetten, Zuckern und Eisen sowie bei der Apoptose, dem programmierten Zelltod. Für diese Aufgaben sind zahlreiche Proteine nötig.

Einen kleinen Teil dieser Proteine stellen die Mitochondrien aus eigener Erbinformation her. Doch nur ungefähr ein Prozent wird dort produziert. 99 Prozent der Proteine werden im Zellkern programmiert, im Cytosol zusammengebaut und dann in das Zellorganell transportiert. Der Transport ist allerdings gar nicht so einfach – denn die Mitochondrien liegen in der Zelle wie eine Art Unterzelle klar abgegrenzt. Über diese Grenze geht es nur über andere Proteine, die als Shuttle dienen.

Transportproteine im Visier der Forscher

Ursprünglich waren es diese Transport-Proteine, die die Zellforscher um Chris Meisinger von der Universität Freiburg interessierten. Doch bei ungefähr 1.000 Proteinen, die in Mitochondrien vorkommen, waren diese mit herkömmlichen Methoden einfach nicht zu fassen. Die Zusammenarbeit mit der Gruppe um Albert Sickmann vom Rudolf-Virchow-Zentrum/DFG-Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin in Würzburg erwies sich als Lösung: Die Würzburger fischten einfach alles raus was sie finden konnten: eine komplette Analyse des Proteoms, aller Proteine, die sich in den Mitochondrien befinden.

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Bei ihrer Arbeit setzen sie hoch moderne Methoden wie Massenspektrometrie und Hochleistungscomputer ein, die ihnen helfen, die unglaubliche Datenmenge von über 1.000 Proteinen zu ordnen und in einer Datenbank mit bereits bekannten zu vergleichen. Damit ist es den Forschern erstmals gelungen, nahezu die Gesamtheit aller Proteine von Mitochondrien zu erfassen. Nach mehr als 20 Millionen Datensätzen waren 749 Proteine (2003) bekannt, jetzt veröffentlichen die Forscher die letzten 102 Proteine.

Nur 14 Proteine sorgen für "Kraftwerks-Funktion" der Zelle

Bei der Datenbankanalyse der 749 stießen die Würzburger auf eine erste große Überraschung: Trotz der Hauptfunktion als "Kraftwerke" der Zelle sind nur 14 Prozent aller Proteine daran beteiligt. Über ein Viertel – 250 Proteine – sind dafür zuständig, das eigene kleine Mitochondrien-Genom abzulesen und in Proteine zu übersetzen. Außerdem sind 25 Prozent bis dato noch völlig unbekannt – 250 Proteine gehen an die Zellforscher nach Freiburg, die deren Funktion genauer untersuchen.

Die genaue funktionelle Analyse liefert den Zellforschern zehn Kandidaten. In den letzten drei Jahren konnten die Zellforscher um den Freiburger Nikolaus Pfanner damit einen Meilenstein in der Erforschung des Mitochondrien-Transport setzen: Sechs der 10 Kandidaten sind klar am Transport in die Mitochondrien beteiligt. Einige arbeiten in bereits bekannten Shuttlen – den Transportwegen TIM und TOM, für andere konnten sie einen ganz neuen Transportweg aufklären, den die Forscher SAM nennen. Damit ist einer der wichtigsten Transportmechanismen in der Zelle – der Transport von Proteinen in das "Kraftwerk" der Zelle zu einem großen Teil aufgeklärt.

84 Prozent der Proteine wurden durch die Studie nun erfasst. Dies erscheint uns nach den großen Schlagzeilen über die Entschlüsselung des Genoms, der Gesamtheit all unserer Gene, als wenig. Warum beenden die Forscher die Studie hier? Das Proteom, die Gesamtheit aller Proteine in einer Zelle oder Zellkompartiment ist jedoch hoch dynamisch. Das heißt, dass sich das Proteom im Gegensatz zum Genom ständig ändert. Die besten Daten bisher lagen bei knapp 50 Prozent (2004). Aber sind unter den fehlenden 150 noch wichtige unbekannte? Wahrscheinlich schon, allerdings ist es jetzt vorerst daran, die Techniken noch weiter zu verbessern, dann erst geht wieder das große Fischen los.

Krankheiten besser verstehen

Die Entschlüsselung des Proteoms ist nicht nur in der Zellforschung von großer Bedeutung – auch in der biomedizinischen Forschung. Eine Vielzahl der identifizierten Proteine ist direkt homolog zu Proteinen des Menschen. Darunter auch solche, die beim Menschen für die Entstehung von schweren Stoffwechselkrankheiten wie das Sjörgen- Larsson-Syndrom und das Wolf-Hirschhorn-Syndrom verantwortlich sind.

Auch an der Entstehung vieler Volkskrankheiten wie Krebs, kardiovaskulären Krankheiten oder Autoimmunkrankheiten sind fehlerhaft funktionierende Mitochondrien beteiligt. Die Kenntnis über diese Proteine soll zum tieferen Verständnis der Krankheiten führen.

(idw – Rudolf-Virchow-Zentrum, 07.06.2006 – DLO)

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