Anzeige
Zoologie

Dieser Fisch trommelt mit seinen Rippen

Rätsel um Schallerzeugung bei 140 Dezibel lautem Minifisch gelöst

Danionella cerebrum
Danionella cerebrum-Männchen nutzen einen skurrilen Trick zur Lauterzeugung. © AngryBurmese/CC-by-sa 4.0

Von wegen stumm wie ein Fisch: Der gerade einmal fingernagelgroße Fisch Danionella cerebrum kann Töne von mehr als 140 Dezibel erzeugen – und zwar indem er mit seinen Rippen trommelt, wie Forschende nun herausgefunden haben. Demnach ziehen die Fischmännchen mit leistungsstarken Muskeln ihre fünfte Rippe samt knorpeligem Trommelschlägel nach vorne und lassen sie dann plötzlich los. Der Knorpel schlägt nun auf die Schwimmblase und erzeugt so einen Ton von der Lautstärke eines Gewehrschusses.

Fische sind keineswegs stumm. Manche geben dumpfe Töne von sich, indem sie ihre Schwimmblase mit speziellen Muskeln in Vibration versetzen. Andere reiben ihre Zähne, Wirbel oder Flossenstrahlen gegeneinander, um so ein Raspeln oder Zirpen zu erzeugen. Ein besonders lautes Organ haben dabei männliche Fische der Art Danionella cerebrum. Mit einer Länge von 1,20 Zentimetern sind sie gerade einmal fingernagelgroß, erzeugen aber trotzdem Töne von mehr als 140 Dezibel – so laut wie ein Gewehrschuss oder ein Kampfflugzeug.

Schattenspiele im Aquarium

Doch wie gelingt den Minifischen das? Alle bislang bekannten Mechanismen zur Geräuscherzeugung bei Fischen konnten bei Danionella-Männchen bereits ausgeschlossen werden. Um der Entstehung ihrer lauten Rufe auf den Grund zu gehen, mussten Verity Cook von der Berliner Charité und ihre Kollegen daher nochmal ganz von vorne anfangen. Zunächst nahmen sie die Fische mit einer Hochgeschwindigkeitskamera auf. Da Danionella-Fische auch im Erwachsenenalter durchsichtig sind, konnten die Forschenden auf den Videos auch ihr Innenleben sehen.

Danionella Innenleben
Diese dunkle Struktur gab den ersten Hinweis. © Cook et al./ PNAS, 2024 /CC-by 4.0

Dabei zeigte sich: „Wenn die Fische von hinten beleuchtet wurden, beobachteten wir die Bewegung einer dunklen Struktur unmittelbar vor der Schwimmblase, die mit der Geräuschproduktion zusammenhing“, berichten Cook und ihr Team. Um den Aufbau der Struktur und ihre Rolle bei der Lauterzeugung zu ermitteln, führten die Forschenden ergänzende Scans im Mikro-Computertomografen durch.

Die Schwimmblase als Trommel benutzt

Die Scans ergaben, dass es sich bei der dunklen Struktur offenbar um einen kugelförmigen, 250 Mikrometer langen Knorpel handelte, wie die Forschenden berichten. Sie konnten beobachten, dass er bei der Geräuscherzeugung als eine Art Trommelschlägel dient. Um mit ihm Laute zu produzieren, müssen die Danionella-Männchen aber zunächst gezielt einen von zwei spezialisierten „Schallmuskeln“ zusammenziehen, der mit ihrer fünften Rippe verbunden ist.

Anzeige
Ablauf der Lauterzeugung
Der Ablauf der Geräuscherzeugung als 3D-Modell © Cook et al./ PNAS, 2024 /CC-by 4.0

Dadurch wird die Rippe zusammen mit dem Knorpel nach vorne gezogen und baut dabei große Spannung auf. Entlädt sich diese, beschleunigt das den Trommelschlägel auf das 2.000-Fache der Erdbeschleunigung . „Die plötzliche Freigabe des Knorpels führt dazu, dass er schnell auf die Schwimmblase aufschlägt und einen kurzen, lauten Impuls erzeugt“, so Cook und ihr Team. Artgenossen in direkter Nähe bekommen den Trommelschlag in voller Lautstärke zu hören. Ein Mensch, der neben dem Aquarium steht, hört jedoch allenfalls ein leises Zirpen.

Mitochondrien machen müde Muskeln munter

Nach seinem Einsatz kehrt der knorpelige Trommelschlägel in seine Ruheposition zurück und das Spiel kann von vorne beginnen. Pro Sekunde schlagen die Danionella-Männchen 60- bis 120-mal auf ihre Schwimmblase, wie die Forschenden berichten. Dieses hochfrequente Trommelkonzert hält in der Regel mehrere Sekunden an – eine enorme Belastung für die beteiligten Muskeln. Um den Strapazen standzuhalten, besitzen die Fische daher besondere Anpassungen.

Wie Cook und ihre Kollegen mithilfe von Genexpressionsanalysen ermitteln konnten, stecken im Schallmuskel zum Beispiel überdurchschnittlich viele Mitochondrien. Diese Kraftwerke der Zelle liefern stetig neue Energie und beugen so der Muskelermüdung vor. Dadurch können die trommelnden Danionella-Männchen auch lange „Gespräche“ miteinander führen, ohne schlapp zu machen. Die hohe Frequenz ihrer Töne hilft den Fischen außerdem dabei, selbst bei größerer Entfernung und schlechter Sicht in Kontakt zu bleiben. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2314017121

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Wunderwelt Ozean - Zehn Jahre Volkszählung im Meer - „Census of Marine Life“

Bücher zum Thema

Animal Talk - Die Sprache der Tiere von Eugene S. Morton und Jake Page

Das geheime Leben der Tiere - Ihre unglaublichen Fahigkeiten, Leistungen, Intelligenz und magischen Kräfte von Ernst Meckelburg

Top-Clicks der Woche