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Genetik

Beuteltier-Genom entschlüsselt

Hauptunterschiede liegen in der “Junk-DNA”

Erstes Beuteltier mit entschlüsseltem Genom: das südamerikanische Opossum © NIH

Zum ersten Mal hat ein internationales Wissenschaftlerteam das Erbgut eines Beuteltiers entschlüsselt. Zum Erstaunen der Forscher liegen die Hauptunterschiede zwischen dem Genom der südamerikanischen Opossumart und dem der restlichen Säugetiere in der vermeintlich nutzlosen „Junk-DNA“, wie sie jetzt in der Zeitschrift „Nature“ berichten.

Im Unterschied zu den so genannten plazentalen Säugetieren, zu denen auch der Mensch gehört, gebären Beuteltiere ihre Jungen in „halbfertigem“ Zustand und tragen sie dann in einer Hauttasche, dem Beutel, weiter aus. Die Abstammungslinien beider Tierformen teilten sich vor rund 180 Millionen Jahren. „Beuteltiere sind die engsten lebenden Verwandten der plazentalen Säuger“, erklärt Kirstin Lindblad-Toh, Hauptautorin der Nature-Veröffentlichung. „Wegen dieser Beziehung bietet uns das Opossumgenom eine einzigartige Sicht auch auf die Evolution unseres eigenen Genoms.“

Trennung vor 180 Millionen Jahren

Rund ein Fünftel der Schlüsselfaktoren im menschlichen Erbgut entstammt wahrscheinlich genau der Phase, in der sich Beuteltiere und plazentale Säuger voneinander abtrennten. „Das Genom des Opossums nimmt eine einzigartige Position im Baum des Lebens ein“, erklärt Francis S. Collins, Leiter des National Human Genome Research Institute (NHGRI) der amerikanischen Gesundheitsbehörde NIH. „Diese Analyse füllt eine entscheidende Lücke in unserem Wissen darum, wie sich die Säugetiergene über Millionen von Jahren entwickelt haben. Die neuen Funde zeigen auch, wie wichtig es ist, das gesamte menschliche Genom zu kennen und nicht nur die Teile, die die proteinkodierenden Genen enthält.“

Für die Sequenzierung ausgewählt wurde das Erbgut des grauen Kurzschwanz-Opossums, Monodelphis domestica. Die 2003 begonnenen Arbeiten wurden von der amerikanischen Gesundheitsbehörde NIH gefördert und am Broad Institute durchgeführt.

Veränderungen in der „Junk-DNA“ als Entwicklungsmotoren

Die Auswertung ergab zwei entscheidende Erkenntnisse: Zum einen zeigte sich, dass die große Mehrheit der genetischen Unterschiede zwischen Beuteltieren und plazentalen Säugern nicht in den protein-kodierenden Genen liegen, sondern in Regionen des Erbguts, die bis vor kurzem als „sinnlos“ galten, der so genannten „Junk-DNA“.

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Inzwischen ist bekannt, dass auch in diesen Bereichen regulatorische Elemente liegen, die die Funktion der nahebei liegenden Genen beeinflussen, doch die volle Bedeutung der Junk-DNA ist noch immer noch restlos aufgeklärt. Die jetzt entdeckten Unterschiede deuten darauf hin, dass die plazentalen Säuger sich möglicherweise nicht so sehr durch die Entwicklung neuer Proteinarten auszeichnen als vielmehr durch die Entwicklung neuer und anderer Kontrollmechanismen für die proteinkodierenden Gene.

„Springende Gene“ verteilen Information

Als Zweites ergab der Genvergleich, dass viele dieser bei den plazentalen Säugern neu entwickelten Sequenzen sich offenbar von so genannten Transposons oder „springenden Genen“ ableiten. Diese DNA-Stücke liegen ebenfalls in den Bereichen der Junk-DNA und gelten als sehr mobiler, flexibler Teil des Genoms. „Transposons haben einen ruhelosen Lebensstil, oft wechseln sie von einem Chromosom zum anderen“, erklärt Tarjei Mikkelsen vom Broad Institute. „Es ist jetzt klar, dass sie bei diesen Wechseln auch entscheidende genetische Information im Genom verbreiten.“

Mehr Basenpaare und viele Immungene

Die Sequenzierung enthüllte auch, dass das Opossumgenom eine ungewöhnliche Struktur besitzt: Das Erbgut besteht zwar aus weniger Chromosomen als das des Menschen – neun statt 23 Paare – ist aber dafür insgesamt länger: Während die menschliche DNA rund drei Milliarden Basenpaare umfasst, erreicht das Opossumgenom sogar 3,4 Milliarden Paare.

Zudem scheint das Genom die bisherige Annahme Lügen zu strafen, dass Beuteltiere nur ein sehr rudimentäres Immunsystem besitzen. Denn die Wissenschaftler konnten deutlich mehr Immungene identifizieren als zuvor erwartet.

(NIH/National Human Genome Research Institute, 10.05.2007 – AHE)

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