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Archäologie

Homo sapiens kam früher nach Südostasien

Gut 70.000 Jahre alte Fossilfunde in Laos legen Vorstöße früher "Pioniere" nahe

Höhle von Tam Pà Ling
Ausgrabungen in der Höhle von Tam Pà Ling in Nordlaos haben einige der bisher ältesten Fossilien des Homo sapiens in Südostasien zutage gefördert. © Vito Hernandez/ Flinders University

Frühe Pioniere: Zumindest einige Vertreter des Homo sapiens erreichten Südostasien viel früher als gedacht, wie nun Fossilfunde aus einer Höhle in Laos belegen. Dort waren schon vor mehr als 70.000 Jahren anatomisch moderne Menschen präsent. Dies deutet darauf hin, dass es vor der großen Migrationswelle des Homo sapiens vor rund 50.000 Jahren schon kleinere „Pionier“-Populationen in Asien gab, die sich aber nicht auf Dauer halten konnten. Die Funde bestätigen zudem, dass es in Südostasien damals viele Menschenformen gab.

Bisher ist strittig, wann der Homo sapiens Afrika verließ und sich über Asien nach Südostasien ausbreitete. So legen DNA-Vergleiche zwar nahe, dass die Haupteinwanderungswelle vor rund 45.000 bis 50.000 Jahren stattfand. Es gibt aber Fossilfunde aus dem Nahen Osten, von der Arabischen Halbinsel und aus China, die zehntausende Jahre älter sind. Auch auf Sumatra und in Australien wurden schon Homo-sapiens-Relikte entdeckt, die aus der Zeit vor 65.000 bis 70.000 Jahren stammen.

„Diese Funde deuten auf ein komplexes Ausbreitungsmuster hin, das nur schwer mit den aktuellen genetischen Belegen zu vereinbaren ist“, erklären Sarah Freidline von der University of Central Florida in Orlando und ihre Kollegen. Bisher ist daher unklar, wann und wie sich der Homo sapiens über Asien und Südostasien ausbreitete.

Schädelfragmente
In der Höhle von Tam Pà Ling neuentdeckte Schädelfragmente.© Freidline et al./ Nature Comunications, CC-by 4.0

Schädel und Schienbein vom Homo sapiens

Eine mögliche Antwort liefern nun Fossilfunde aus der Tam-Pà-Ling-Höhle im Norden von Laos. Dort wurden schon im Jahr 2009 mehrere Knochen und Zähne des frühen Homo sapiens entdeckt. Die Datierung der TPL-1 bis 5 getauften Relikte erwies sich jedoch als schwierig, weil gängige Methoden wie die Radiokarbon- oder Uran-Blei-Datierungen nicht möglich waren. Mithilfe der Lumineszenzmethode ließ sich jedoch das Alter der Fundschicht auf Zeit vor mehr als 46.000 Jahren eingrenzen.

Jetzt hat das Team um Freidline in der Höhle zwei weitere menschliche Fossilien zutage gefördert – einen Teil des vorderen linken Schädels (TPL-6) und ein Schienbeinfragment (TPL-7). Beide Funde stammen von eher zierlichen, aber wahrscheinlich ausgewachsenen Exemplaren des Homo sapiens, wie Vergleichsanalysen ergaben. „Die zierliche Ausprägung des Schädelknochens TPL-6 deutet darauf hin, dass dieser Mensch von einer Einwanderer-Population abstammte und nicht das Ergebnis einer lokalen Evolution oder Mischung des Homo erectus und Denisova-Menschen war“, erklärt das Team.

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Fossilien sind zwischen 65.000 und 92.000 Jahre alt

Weil diese Homo-sapiens-Fossilien aus Fundschichten unterhalb des zuvor erkundeten Niveaus stammen, müssten sie zudem älter sein als die bisherigen Funde aus der Tam-Pà-Ling-Höhle. Aber wie alt? Dies untersuchten die Forschenden mithilfe von Lumineszenz-Datierungen der Sedimente sowie zwei verschiedenen Methoden der Uran-Datierung.

Das Ergebnis: „Die Datierungen zeigen übereinstimmend, dass die ältesten Fossilien aus Tam Pà Ling zwischen 65.000 und 92.000 Jahre alt sind“, berichten die Forschenden. „Diese Fossilien repräsentieren damit einige der ältesten diagnostizierbaren craniomandibulären Relikte des Homo sapiens in Südostasien.“ Nach Ansicht der Forschenden bestätigen diese Funde, dass die ersten Vertreter des Homo sapiens schon vor mehr als 70.000 Jahren nach Südostasien gelangten – rund 20.000 Jahre früher als es die Erbgut-Analysen der heutigen Bewohner Südostasiens nahelegen.

Gescheiterte Gruppen von „Pionieren“

Doch wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Den Forschenden zufolge könnten schon vor der Hauptphase der Besiedlung erste Gruppen von „Pionieren“ den Weg aus Afrika in den Fernen Osten gefunden haben. Diese frühen Homo-sapiens-Einwanderer konnten sich aber nicht dauerhaft halten und starben ohne Nachkommen aus. Deshalb hinterließen sie keine Spuren im Erbgut der heutigen Südostasiaten. Erst rund 20.000 Jahre nach diesen ersten erfolglosen Vorstößen schaffte es der Homo sapiens dann, diese Region dauerhaft zu besiedeln.

Dieses Szenario der Pionier-Populationen könnte erklären, warum auch anderswo in Asien immer wieder ungewöhnlich alte Homo-sapiens-Fossilien gefunden wurden. „Unser 67.000 bis 73.000 Jahre altes Fossil TPL-6 gesellt sich zu anderen heiß diskutierten Fossilien aus dem südlichen und zentralen China, wie Huanglong, Zhiren, Luna und Fuyan, die ebenfalls auf eine frühere, wahrscheinlich erfolglose Ausbreitung hindeuten“, schreiben Freidline und ihre Kollegen.

Ausbreitung nicht nur entlang der Küsten

Interessant auch: Die Höhle von Tam Pà Ling liegt rund 300 Kilometer von der Küste entfernt im dicht bewaldeten Hochland. Die Tatsache, dass die ersten Homo sapiens selbst in diese küstenferne Gegend gelangten, wirft auch ein neues Licht auf Ausbreitungsrouten der frühen Menschen. Demnach zogen sie nicht nur entlang der Küsten weiter nach Süden und Osten, sondern durchstreiften auch die bewaldeten Gebiete im Inland.

„Die Höhle von Tam Pà Ling spielt eine Schlüsselrolle in der Ausbreitungsgeschichte des anatomisch modernen Menschen durch Asien. Aber wir beginnen erst jetzt, ihre Bedeutung und ihren Wert zu erkennen“, sagt Seniorautor Fabrice Demeter von der Universität Kopenhagen. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-38715-y)

Quelle: Nature Communications, Macquarie University

 

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