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Work in Progress

Wie weit ist die Entwicklung elektrokalorischer Systeme?

Elektrokalorische Wärmepumpen und Kühlanlagen gelten als vielversprechende und effiziente Zukunftstechnologie. Doch noch steckt die dafür nötige Technik in den Kinderschuhen. Deshalb wird weltweit intensiv an solchen Systemen geforscht – auch in Deutschland. Ziel ist es, die drei entscheidenden Parameter elektrokalorischer Systeme, Material, Elektronik und Wärmeableitung, weiter zu optimieren. Erste Fortschritte gibt es bereits.

optimierte Leistungselektronik
Dieser Demonstrator der optimierten Leistungselektronik für elektrokalorische Systeme erzielte in Tests einen elektrischen Wirkungsgrad von 99,75 Prozent. © Fraunhofer IAF

Effizientere Elektronik

Einen wichtigen Durchbruch bei der Elektronik der elektrokalorischen Systeme meldeten deutsche Forscher im Sommer 2023: Das Team um Kilian Bartholomé vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM hat einen Spannungswandler entwickelt, der die Verluste beim schnellen Wechsel der Ladungszyklen weiter minimiert. Das auf mehrschichtigen Modulen aus Galliumnitrid und siliziumbasierten Feldeffekttransistoren basierende System erreichte erstmals einen rein auf die Elektronik bezogenen Wirkungsgrad von 99,74 Prozent.

Das Entscheidende daran: Mit diesem Wert überschreitet die Elektronik erstmals die Schwelle, die nötig ist, um gängige elektrokalorische Materialien wie Blei-Magnesium-Niobat (PMN) über einen Gesamtwirkungsgrad von 50 Prozent zu bringen. „Ohne Temperatur-Regeneration ist für dieses Material in Carnot-Zyklen eine Ladungseffizienz von mehr als 99,71 Prozent nötig“, erklären Bartholomé und sein Team. Genau diese Schwelle haben sie nun geknackt. Ihren Berechnungen zufolge kann eine elektrokalorische Wärmepumpe mit dieser Elektronik und dem Material PMN einen Carnot-Wirkungsgrad von 52,5 Prozent erreichen.

„Dies ist ein Meilenstein auf dem Weg zu elektrokalorischen Wärmepumpen, denn es macht diese Systeme gegenüber den gängigen Wärmepumpen konkurrenzfähig“, konstatieren die Forscher. Werden diese elektrokalorischen Systeme zusätzlich mit einer effizienten Wärmerückgewinnung gekoppelt, könnten diese Wärmepumpen in der Praxis sogar Wirkungsgrade von rund 75 Prozent erreichen – und damit weit mehr als Kompressor-gestützte Wärme- oder Kühlaggregate.

Neue elektrokalorische Materialien

Fortschritte gibt es auch bei den elektrokalorischen Materialien. Bisher werden in Prototypen meist keramische Metalloxidverbindungen mit Perowskitstruktur eingesetzt, weil diese häufig eine gute elektrische Leitfähigkeit kombiniert mit schlechter Wärmeleitung zeigen. Gängige Beispiele dafür sind Blei-Scandium-Tantalat (PST), Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) oder Blei-Magnesium-Niobat (PMN). Parallel dazu gibt es auch einige halbkristalline Polymerverbindungen mit elektrokalorischem Effekt, darunter Polyvinyliden-Fluorid (PVDF) oder Triglycinsulfat (TGS).

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Perowskit-Struktur
Viele elektrokalorische Materialien haben eine Perowskit-Struktur, bei der die drei Komponenten eine kubische Kristallstruktur ausbilden. © Solid State/ CC-by-sa 3.0

„Die meisten bekannten elektrokalorischen Materialien zeigen aber eine relativ schlechte Kühlleistung unter Raumtemperatur-Bedingungen“, erklären Xitao Liu vom Fujian Institute für Strukturforschung und seine Kollegen. Das schmälert ihre Eignung für Klimaanlagen und Kühlgeräte. Liu und sein Team haben 2021 jedoch ein Material entwickelt, das bei 28 Grad die für den elektrokalorischen Effekt typische Polarisation und Ordnung zeigt. Das Material ist ein Hybrid aus einer organischen Verbindung und Bleichlorat, die zusammen eine hybride Perowskit-Struktur bilden. Dieses Material zeigte eine Temperaturveränderung von elf Kelvin bei schon relativ geringer Wechselspannung.

Ganz ähnliche Werte erzielte ein Team um Kailun Zhou von der Nationalen Labor für Optoelektronik in Wuhan mit Nanofasern aus Barium-Strontium-Titanat in einem leitfähigen Polymer. Dieses Hybridmaterial erreichte bei Raumtemperatur Temperaturdifferenzen von mehr als elf Kelvin. Das ist für gängige Anwendungen noch zu wenig – dafür werden mindestens 20 Kelvin benötigt. Aber beide Materialien erfordern weniger seltene oder aus Konfliktregionen stammende Elemente – und lassen sich weiter optimieren.

Optimierter Aufbau der Systeme

Und auch bei den elektrokalorischen Gesamtsystemen tut sich einiges. Im November 2023 berichteten Forschende aus Luxemburg und Japan über einen entscheidenden Fortschritt im Wirkungsgrad eines elektrokalorischen Komplettsystems. Junning Li vom Institut für Wissenschaft und Technologie in Luxemburg und seine Kollegen haben dafür die Anordnung des Blei-Scandium-Tantalats (PST) und der integrierten Elektroden optimiert und das Ganze mit einem effizienten System zur Wärmerückgewinnung gekoppelt.

Basis dieses Systems sind 0,5 Millimeter dünne Schichten aus PST, zwischen denen dünne Kanälchen für die Wärmeableitungs-Flüssigkeit verlaufen. Der Durchfluss dieses auf Silikonöl basierenden Fluids ist so getaktet, dass er auf die Ladungs- und Entladungszyklen des Materials abgestimmt ist. Metallische Verbindungsstücke sorgen für die elektrische Verbindung des Systems. Für ihre Tests koppelten die Forscher zwei solcher Einheiten.

Temperaturschwelle von 20 Grad geknackt

Das Ergebnis: „Wir präsentieren einen elektrokalorischen Kühler mit einer maximalen Temperaturspanne von 20,9 Kelvin und einer Kühlleistung von 4,2 Watt. Dies wird mit einem elektrischen Feld von zehn Volt pro Mikrometer erreicht“, berichten Junning Li vom Institut für Wissenschaft und Technologie in Luxemburg und seine Kollegen. Ihre elektrokalorische Wärmepumpe erreicht damit erstmals Temperaturwerte, die für eine praktische Anwendung geeignet wären.

Vielversprechend auch: „Die maximale Leistung erreicht 64 Prozent Carnot-Wirkungsgrad, selbst wenn man den Energieverbrauch für die Fluidpumpen mit einbezieht“, konstatieren Li und sein Team. Möglich wurde dies, weil das Doppelsystem die elektrische und thermische Energie auf effektive Weise wiedergewinnt.

Was aber bedeutet dies für die praktische Einsetzbarkeit elektrokalorischer Systeme?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Elektrokalorische Wärmepumpen
Wie Heizen und Kühlen mit Strom effizienter werden könnte

Wie funktionieren Wärmepumpen?
Warum gängige Systeme gut, aber nicht optimal sind

Geordnete Schwingungen im Kristallgitter
Wie funktionieren elektrokalorische Systeme?

Work in Progress
Wie weit ist die Entwicklung elektrokalorischer Systeme?

Wie geht es weiter?
Wann kommen elektrokalorische Wärmepumpen und Kühlsysteme?

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