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Botanik

Tödliche Fallen der Natur

Skurrile Fangmethoden von fleischfressenden Pflanzen

Während der Sonnentau seine Beutetiere mit einem Klebstoff anlockt und ihr Entkommen durch das Festkleben verhindert, gibt es noch weitere skurrile Fangmethoden in der Pflanzenwelt.

Klappe zu – Insekt tot

Die berühmte amerikanische Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) besitzt am Blattende ihres Fangapparats zwei getrennte Blatthälften mit Drüsenhaaren. Diese Härchen färben sich bei viel Sonneneinstrahlung dunkelrot färben und locken mit ihrem Duft Insekten an.

Venusfliegenfalle
Wohl die für uns bekannteste fleischfressende Pflanze: Die Venusfliegenfalle. © Denis Barthel/CC-by-sa 3.0

Landet ein Tier schließlich auf dem Fangblatt, registriert die Venusfliegenfalle das Opfer mithilfe spezieller Chitin-Rezeptoren, die den Baustein des Schutzmantels der Tiere erkennen. Das Chitin von Insektenkörpern verheißt der Pflanze zum Beispiel Nahrung. Aber noch schließt sie nicht ihre Klappfalle: Berührt das Insekt die Tasthärchen an den Blättern, entscheidet erst die Zahl der Berührungen, ob das Verdauungssekret gebildet wird.

Pflanze mit Zahlengedächtnis

Dieses Phänomen überraschte selbst die Biologen: Die fleischfressende Venusfliegenfalle beherrscht simple Mathematik, denn sie kann zählen, wie oft ein Insekt sie berührt. Anhand der Zahl dieser Kontakte entscheidet sie, ob sie ihr Fangblatt schließt und auch, wie viel Verdauungssekret sie produzieren muss. Dahinter steckt ein raffinierter Zählmechanismus: Wird nur ein Sinneshaar auf der Falle leicht bewegt, meldet es den ersten Beutekontakt über ein bio-elektrisches Signal.

„Ein einzelnes Signal löst aber noch keine Reaktion aus – es könnte sich ja um einen Fehlalarm handeln“, erklärt Rainer Hedrich von der Universität Würzburg. Erst beim zweiten Kontakt, also einer Berührung von zwei Härchen oder einen zweiten Reiz kurz darauf, klappt die Falle blitzschnell zu – innerhalb von nur einer Zwanzigstel Sekunde.

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Fliegenfalle
Eine Pflanze mit Zahlengedächtnis? © Noah Elhardt/CC-by-sa 3.0

Hedrich und seine Kollegen haben zudem entdeckt, dass die Venusfliegenfalle sogar weiter als nur bis zwei zählen kann. Denn sie entscheidet anhand der Zahl der Berührungen durch das gefangene Insekt, ob die Verdauungssäfte fließen und wie stark. So ist ein zappelndes und üppiges Beutetier ein deutlicher Auslöser für das Freisetzen von Hormonen, die Aktivierung von Ionenkanälen und die Weiterleitung elektrischer Signale, wodurch die Verdauung angeregt wird. Wie die Forscher feststellten, beherrscht die Venusfliegenfalle aber nicht nur das Zählen, sie kann sich die Zahl der Beutekontakte sogar merken – bis zu vier Stunden lang. Sie ist damit gewissermaßen eine Pflanze mit Gedächtnis.

Gefangene Insekten werden schließlich im Inneren der Pflanze zersetzt. Nach acht Tagen öffnen sich die Blätter wieder, um die unverdauten Reste der Beute freizugeben. Das Zählen kann von vorn beginnen.

Eine pflanzliche Falltür

Seltener, aber ähnlich effektiv, ist das Prinzip der Saugfallen: Dieses funktioniert nur unter Wasser oder unter der Erde. Vertreter dieser Methode sind die sogenannten Wasserschläuche (Utricularia), von denen es 200 verschiedene Arten gibt. Ihr Vorgehen: Sie besitzen abgeflachte, etwa ein Zentimeter große Blasen oder Schläuche mit einer falltürähnlichen Klappe. Berührt ein Insekt oder kleiner Krebs die Härchen an dieser Klappe, öffnet sie sich nach innen. In der Falle baut die Pflanze einen Unterdruck auf, der sich bei Berührung schlagartig ausgleicht und dabei Wasser und Beute in sich hinein saugt.

 

Wasserschlauch
Obwohl sie im Wasser stehen, jagen Wasserschlauchgewächse tierische Beute – und zwar mit ihren Wurzelblättern. © Botanikus~commonswiki/CC-by-sa 3.0

Ist die Beute im Pflanzeninneren, schließt sich die Tür nach kaum drei Millisekunden wieder – und ist damit eine der schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich. In der Fangblase werden schließlich eigens Enzyme produziert, die das Tier verdauen. Die Blase wird so für einige Stunden oder sogar Tage als Magen genutzt. Der Verdauungssaft wird anschließend aufgenommen und der Unterdruck wird neu aufgebaut.

Neben der fleischhaltigen Kost stellten Forscher allerdings fest, dass ein Großteil der Nahrung von Wasserschläuchen aus Algen oder Pollen besteht. Das liegt daran, dass unterschiedslos alles gefangen wird, was klein genug ist, um durch die Fallentür zu passen. Aber diese Mischkost gilt als evolutiv vorteilhaft: Utricularia-Pflanzen, die viele Algen und Pollenkörner gefangen haben, werden länger, bilden mehr Biomasse aus und wirken generell kräftiger. Der Fang von Tieren erhöht dagegen den Stickstoffgehalt der Pflanzen sowie die Zahl der für das Überleben im Winter entscheidenden Überdauerungsknospen.

Kompliziert aber effektiv

Erheblich komplizierter konstruiert sind die Reusenfallen der – ebenfalls zu den Wasserschlauchgewächsen gehörenden – Gattung Genlisea. Diese in der Neuen Welt und in Afrika vorkommenden Wasserpflanzen besitzen sowohl oberirdische wie unterirdische Blätter. Die Fangorgane dieser Pflanzen befinden sich unter der Erde.

Die umgebildeten Wurzelblätter – Rhizophylle genannt – weisen schmale schlitzförmige Öffnungen auf. Einzeller oder kleine, im Boden lebende Tiere werden durch Lockstoffe in die Reusenfallen gelockt und gefangen. Dabei versperren winzige, rückwärts gerichtete Haare ihnen den Weg zurück. Die so gefangene Beute gelangt in Richtung Verdauungskammer, in der sie schließlich durch Verdauungssäfte zersetzt wird. Manche Arten verdauen ihre Beute auch direkt durch Enzyme im Schlauchinneren.

Eine weitere Fang-Strategie fleischfressender Pflanzen ist so raffiniert, dass Wissenschaftler sich davon sogar Anregungen für die Materialforschung holen…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Grüne Fleischfresser
Karnivore Pflanzen als Überlebenskünstler

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Aus der Not heraus zum Fleischfresser

Ein Klebstoff als Falle
Eine spezielle Fangmethode fleischfressender Pflanzen

Tödliche Fallen der Natur
Skurrile Fangmethoden von fleischfressenden Pflanzen

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