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Botanik

Fleischfressende Pflanze ist auch vegetarisch glücklich

Wasserschlauch fängt auch Algen und Pollen als Nahrungsquelle

Pflanzen des Kleinen Wasserschlauchs © Kristian Peters

Auch Pflanzen setzen auf vegetarische Kost: Der eigentlich fleischfressende Wasserschlauch ernährt sich nicht nur von kleinen Wassertieren, sondern auch von Algen und Blütenpollen. Damit überlebt er auch in nährstoffarmen Gewässern, in denen Tiere selten sind, berichten Forscher aus Österreich. Eine ausgewogene Ernährung bietet demnach auch Pflanzen große Vorteile, erläutern die Wissenschaftler im Journal „Annals of Botany“.

Fleischfressende Pflanzen fangen kleine Tiere, verdauen sie und nutzen sie als Nährstoffquelle. Damit erschließen sie sich auch ansonsten nährstoffarme Böden und Gewässer als Lebensraum. Mit über 200 verschiedenen Arten bildet der Wasserschlauch mit dem wissenschaftlichen Namen Utricularia die größte Gattung fleischfressender Pflanzen.

Er fängt seine Beute unter Wasser mit Hilfe raffinierter blasenförmiger Fangorgane: In den Blasen herrscht ein starker Unterdruck. Bei der kleinsten Berührung öffnet sich eine Art Tür, Wasser strömt in die Falle ein und reißt kleine Organismen mit sich. Nach kaum drei Millisekunden schließt sich die Tür wieder, die Beute erstickt und wird von einer eigens gebildeten Verdauungsflüssigkeit aufgelöst.

Rund 90 Prozent vegetarische Beute

Schon seit über 100 Jahren ist bekannt, dass auch immer wieder Algen in die Fallen des Wasserschlauchs geraten. Wie groß deren Anteil ist und was die Algen für den Wasserschlauch bedeuten, haben Marianne Koller-Peroutka und ihre Kollegen von der Universität Wien nun untersucht.

Am Inhalt von über 2.000 Fallen stellten sie fest, dass nur knapp zehn Prozent der gefangenen Objekte Tiere sind. Rund die Hälfte der Beute des Wasserschlauchs besteht dagegen aus Algen. In nährstoffarmen Gewässern überwiegt der Algenanteil besonders stark. Mehr als ein Drittel der Beute bestand zudem aus Pollen von Bäumen, die am Ufer wuchsen und deren Blütenstaub ins Wasser fiel.

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Falle des Südlichen Wasserschlauchs (Utricularia australis) mit einem toten Wasserfloh (A) und einer gefangenen Zieralge (B) © Universität Wien

Geschluckt wird alles, was passt

Allerdings sieht es nicht danach aus, als ob der Wasserschlauch sich seine Beute aussuchen könnte. Vielmehr wird unterschiedslos alles gefangen, was klein genug ist, um durch die Fallentür zu passen. Daher vermuteten die Forscher zunächst, Algen und Pollen seien nur nutzloser Beifang, der zufällig zusammen mit Tieren von den Fallen geschluckt wird.

Ein genauerer Blick auf das Wachstum der Pflanzen abhängig von der Menge der gefangenen Algen lieferte jedoch ein anderes Bild: Utricularia-Pflanzen, die viele Algen und Pollenkörner gefangen haben, werden länger, bilden mehr Biomasse aus und wirken generell kräftiger. Der Fang von Tieren erhöht dagegen den Stickstoffgehalt der Pflanzen sowie die Zahl der für das Überleben im Winter entscheidenden Überdauerungsknospen.

Auch Pflanzen profitieren von ausgewogener Ernährung

Pflanzen mit einer vielseitigen Ernährung, die sowohl Algen als auch Pollen und Tiere gefangen hatten, wiesen den besten Allgemeinzustand auf. Die Forscher nehmen daher an, dass die Pflanzen manche Nährstoffe, etwa Stickstoff, vor allem aus Tieren, andere – wie Spurenelemente – hingegen bevorzugt aus Algen oder Pollenkörnern beziehen. Der Fang eines breiteren Beutespektrums sorgt damit auch für eine breite Palette an Nährstoffen, die der Pflanze zu Verfügung stehen.

Erst vor kurzem fanden Wissenschaftler heraus, dass die Fallen nicht nur durch die Bewegung eines Tieres ausgelöst werden. Wenn sie längere Zeit nicht gereizt werden, können sie sich auch von selbst auslösen. Im natürlichen Lebensraum scheint diese Fähigkeit, selbstständig Beute einzusaugen, von entscheidender Bedeutung zu sein: Mehr als die Hälfte der Fallen enthält nur unbewegliche oder sehr kleine Beuteobjekte wie Algen, Pollen, Bakterien oder Pilze, aber keine auslösenden Tiere. Durch den teilweise vegetarischen Speiseplan kann der Wasserschlauch auch Gewässer besiedeln, in denen Tiere selten sind. Ausschließlich Tiere fangen zu können wäre hier nur von geringem Nutzen. (Annals of Botany, 2015; doi: 10.1093/aob/mcu236)

(Universität Wien, 12.01.2015 – AKR)

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