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Klima

Spurensuche im Bergsee

Was Seesedimente und Isotope über die Vergangenheit verraten

Kasun Gayantha und Natalie Schröter gehören zum Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, das die Monsunschwankungen auf dem Tibetischen Plateau und im Zentralasiatischen Hochgebirge untersucht.

Tascharköl-See
Lage des Tscharköl-Sees in Kirgistan. © Frank Ramspott/ Getty images

Ein See mitten im Tian-Shan-Gebirge

Die Wissenschaftler haben für ihre Untersuchungen den Tschatyrköl-See in Kirgistan ausgewählt, der in rund 3.500 Meter Höhe im Tian-Shan-Gebirge liegt. Dieses Gebiet reguliert den Klima- und Wasserhaushalt des nördlichen Zentralasiens und verspricht nicht nur wertvolle ökologische, sondern auch kulturelle Informationen, da Kirgistan an der alten Seidenstraße liegt und damit einst eine Kulturbrücke zwischen Asien und Europa war.

„Während der Untersuchung von Oberflächenwasser haben wir bei einer kirgisischen Familie in einem Wohnwagen übernachtet. Es gab kein fließendes Wasser, keine Elektrizität und es war sehr abgeschieden. Bei dem geringen Sauerstoffgehalt in dieser Höhe muss man vorsichtig sein, und die Sonneneinstrahlung ist sehr hoch“, erzählt Natalie Schröter.

Seesedimente als Zeitzeugen

Die Paläoklimatologen nutzen Proben aus Seesedimenten, um die Veränderungen der Monsunniederschläge in der Vergangenheit und deren Umweltauswirkungen nachzuvollziehen. Um die Proben aus den Seesedimenten zu erhalten, sind große Anstrengungen nötig: „Man braucht mehrere LKW-Ladungen mit Ausrüstung für eine Bohrung“, berichtet Gerd Gleixner. „Das Material muss auf eine Höhe von über 3.500 Metern gebracht werden. Dann muss ein großes Team mehr als vier Wochen arbeiten, um die Bohrung durchzuführen.“

Sind die wertvollen Proben dem Bohrkern entnommen, analysieren die Forscherinnen und Forscher Isotope in Biomarkern, um das Klima in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Biomarker sind organische Verbindungen, die in geologischem Material wie dem Seesediment erhalten bleiben und sich auf ein Lebewesen oder einen Prozess wie die Photosynthese zurückführen lassen. Die Isotope eines Elements unterscheiden sich durch die Zahl ihrer Neutronen im Atomkern.

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Was Wasserstoffisotope über das vergangene Klima verraten

Bei der Isotopenanalyse bestimmen Forschende, welchen Anteil die verschiedenen Isotope eines Elements an einer Materialprobe haben. Die gemessenen Verhältnisse von leichtem und schwerem Wasserstoff in den organischen Verbindungen der Probe liefern dabei Informationen über Klima und Umwelt in der Vergangenheit.

Möglich ist dies, weil sich die beiden Wasserstoffisotope in ihrem Verhalten unterscheiden: Wenn Wasser verdunstet, gehen die leichten Wasserstoffisotope schneller in die Gasphase über, was in Folge die Isotopenverhältnisse verschiebt. Dieser Vorgang wird Isotopenfraktionierung genannt und ist stark von der Umgebungstemperatur abhängig. In Warmzeiten mit höherer Verdunstung reichert sich das schwere Wasserstoffisotop im Grundwasser und in den Gewässern an, in kalten Zeiträumen mit geringerer Verdunstung ist der Anteil des leichteren Wasserstoffisotops höher.

Wasserstoff-Isotope
Der isotopische Fingerabdruck des Regenwassers wird in Landpflanzen gespeichert, der des Seewassers in den Unterwasserpflanzen. Die Unterschiede zwischen beiden geben Aufschluss über Verdunstung und Klima der Vergangenheit.© Max-Planck-Gesellschaft/ HN, CC-by-nc-sa 4.0

Wenn nun Pflanzen dieses Wasser aufnehmen und in der Photosynthese verarbeiten, gelangt der Wasserstoff als Bestandteil organischer Moleküle in ihre Stängel, Blätter und Blüten. Der isotopische Fingerabdruck des Wassers wird dadurch im organischen Material abgespeichert. Sterben die Pflanzen ab, lagern sich ihre Überreste in Form von Fossilien in den Sedimenten der Seen, Flüsse oder Meere ab.

Isotopenfahndung in Blattwachsen

Indem Gerd Gleixner und sein Team die vor Tausenden von Jahren von Pflanzen eingelagerten Wasserstoff-Isotope analysieren, können sie längst vergangene Niederschlags- und Verdunstungsszenarien aufdecken. „Es dauerte fast 20 Jahre, bis sich diese Methode in der Paläoklimatologie etabliert hat. Sie musste in verschiedenen Systemen überprüft werden, damit wir sicher sein konnten, dass die Analyse der Wasserstoffisotope auch in unserem Fachgebiet funktioniert“, erklärt Gleixner.

Bei ihrer Forschung am kirgisischen Tschatyrköl-See nutzt das Team unverzweigten n-Alkane aus Blattwachsen als Klimazeugen. Je nachdem, ob diese von Land- oder Wasserpflanzen produziert wurden, spiegeln sie verschiedene Wasserquellen und Umgebungen wider: Wenn Landpflanzen das Wasser aus dem Boden aufnehmen und Blattwachse bilden, lässt sich durch die Analyse der langkettigen Alkane der ursprüngliche Gehalt an Wasserstoffisotopen im Regenwasser nachvollziehen.

Im Gegensatz dazu nutzen Unterwasserpflanzen und Schwimmpflanzen im See das Umgebungswasser als primäre Wasserquelle. Die kurzkettigen Alkane ihrer Blattwachse ermöglichen daher die Rekonstruktion des Isotopengehalts des Seewassers. Die Wasserstoffisotopen-Verhältnisse von aquatischen und terrestrischen Alkanen liefern somit Informationen über das Verhältnis von Wasserverlust durch Evapotranspiration und Wassergewinn durch Niederschläge (Evaporation-to-Inflow-Index). Der Index zeigt zusätzlich, ob Wasserzufuhr oder -verlust die Wasserbilanz veränderten.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Fingerabdruck des Monsuns
Spurensuche in der Klimavergangenheit Zentralasiens

Forschung am "dritten Pol"
Von der Klimavergangenheit lernen

Zwischen Sintflut und Dürre
Der asiatische Monsun und seine Ursachen

Spurensuche im Bergsee
Was Seesedimente und Isotope über die Vergangenheit verraten

Auf Wanderschaft
Wie Monsunveränderungen die Besiedlung prägten

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