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Phänomene

Mein Land, dein Land

Wenn territoriale Streitigkeiten eskalieren

Wenn Tiere regelrechte Kriege gegeneinander führen, dann tun sie dies in der Regel aus einem konkreten Grund – zum Beispiel, weil es Streitigkeiten um Reviere und Territorien gibt. Neben Schimpansen sind vor allem Löwen dafür bekannt, um Land und Ressourcen zu kämpfen – und dabei selbst vor dem Töten von Löwenbabys nicht zurückzuschrecken.

Löwenmännchen
Löwenmännchen sind keineswegs so träge wie sie auf den ersten Blick wirken. © Appaloosa/CC-by-sa 3.0

Bodyguard statt Faulenzer

Löwenmännchen mit ihren prächtigen Mähnen gelten häufig als faule Paschas des Rudels. Während die Löwinnen jagen und den Nachwuchs versorgen, liegen die Männchen häufig in der Sonne herum und entspannen – so sieht es zumindest von außen aus. Doch männliche Löwen müssen ihre Kräfte schonen, denn ihnen kann jederzeit eine blutige Schlacht um Leben und Tod drohen. Der Aggressor: herumstreunende Männchen ohne eigenes Rudel, die nach einem Revier und einem Harem aus Weibchen trachten.

Um solche Eroberer abzuschrecken, markiert der Rudelführer das Revier seiner Familie zwar mit einer Art unsichtbarem Zaun aus Duftstoff und Urin. Doch wenn das nicht reicht, muss er kämpfen. Das kann ihn vor allem dann teuer zu stehen kommen, wenn er das einzige Männchen seines Rudels ist und die Invasoren mit einer Übermacht anrücken. Gelingt es ihnen, den Rudelführer zu vertreiben oder sogar zu töten, treten sie fortan an seine Stelle. Und noch mehr: Sie vernichten in der Regel sein genetisches Erbe, indem sie alle von ihm gezeugten Jungtiere töten.

Kämpfende Löwen
Die Mapogo-Löwenkoalition zwang jeden Rudelführer in die Knie, der ihren Weg kreuzte. © EvgeniyQ / iStock

Sechs Männchen im Blutrausch

Normalerweise geben herumstreunende Löwenmännchen Ruhe, sobald sie ein eigenes Rudel und Revier erobert haben. Doch Mitte der 2000er liefen Revierstreitigkeiten im südafrikanischen Kruger-Nationalpark so sehr aus dem Ruder, dass sie einer Folge der Serie „Game of Thrones“ ähnelten. Sechs Löwenmännchen hatten sich zu dieser Zeit zur sogenannten Mapogo-Löwenkoalition zusammengeschlossen. Mit dieser Übermacht war es für die Gruppe ein Leichtes, Löwenrudel nach Löwenrudel zu übernehmen.

Man schätzt, dass die Mapogo-Löwenkoalition auf diese Weise ein Territorium von rund 70.000 Hektar erobert hat – ein Gebiet so groß, dass es sich zuvor acht verschiedene Löwenrudel geteilt hatten. Die Mapogo-Löwen waren außerdem berüchtigt für die Brutalität, mit der sie vorgingen. Manche schätzen die Zahl der Artgenossen, die die Koalition während ihrer Eroberungszüge getötet hat, auf etwa 100. Nach einiger Zeit zerbrach die Koalition schließlich und im Kruger-Nationalpark kehrte wieder Normalität ein.

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Specht am Vorratsbaum
Jede Eichelspecht-Familie hat ihren eigenen Vorratsbaum. © Frank Schulenburg/CC-by-sa 4.0

Kampf um die Speisekammer

Auch bei den nordamerikanischen Eichelspechten (Melanerpes formicivorus) kommt es hin und wieder zu kriegsähnlichem Streit ums Territorium. Jede Eichelspecht-Familie besteht aus einem Brutvogelpaar und dessen Nachwuchs und bewohnt ein eigenes Revier, das sie vehement gegen Eindringlinge verteidigt. Besonders intensiv bewachen die Vögel dabei ihren Vorratsspeicher – einen Baumstamm, in den sie im Herbst Löcher hacken und mit Eicheln bestücken. Im Laufe der Generationen entsteht so eine vertikale Speisekammer mit tausenden Eicheln.

Wenn eines der Bruttiere stirbt oder abwandert, gilt dessen Reich samt Vorratsstamm auf einmal als verfügbar. Wer es haben möchte, muss sich allerdings mit den anderen Interessenten und deren Entourage duellieren. Zu den Kontrahenten zählen vor allem die nicht-brütenden Tiere benachbarter Territorien, die sich mit der Eroberung des freigewordenen Gebiets ein eigenes Revier und das Recht auf Fortpflanzung erkämpfen wollen.

Kämpfende Spechte
Wird ein Specht-Revier frei, kommt es unter den Interessenten zu tagelangen Kämpfen. © Supercaliphotolistic/ iStock

Späher im Publikum

Bevor ein Sieger feststeht, toben zähe Kämpfe. Bis zu zehn Stunden täglich dauert das Hauen und Stechen der Eichelspechte, an dem sich in der Regel mehr als 30 Krieger beteiligen. Doch sie sind nicht die einzigen Anwesenden: Um sie herum bildet sich meist ein interessiertes Publikum, das teilweise mehrere Kilometer zurückgelegt hat, nur um die Arena zu beobachten. Wissenschaftler haben ermittelt, dass manche Tiere täglich mehrere Stunden im umkämpften Gebiet als Zuschauer verweilen.

Aber warum? Die Forschenden vermuten, dass die Vögel auf diese Weise wichtige Informationen über die Artgenossen in ihrer Nachbarschaft sammeln. Wer ist wie stark? Wer zieht nun neben mir ein? Auch unabhängig von Revierkämpfen wurden Eichelspechte bereits bei Spähflügen beobachtet, auf denen sie die umliegenden Gruppen und Territorien genauesten beobachteten. Wahrscheinlich hilft ihnen das dabei, das eigene Land bestmöglich zu verteidigen.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Krieg im Tierreich
Von tierischen Patrouillen, Schlachten und Lazaretten

Die Kultur des Krieges
Liegt das Kämpfen in unserer Natur?

Krieg der Affen
Der Schimpansenkrieg von Gombe

Sex auf dem Schlachtfeld
Paarungsbereite Zebramangusten zetteln Schlachten an

Mein Land, dein Land
Wenn territoriale Streitigkeiten eskalieren

Im Lazarett
Ameisen versorgen Verwundete mit Antibiotika

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