Anzeige
Klima

Hitzeofen Stadt

Warum Ballungsräume besonders von Klimaextremen betroffen sind

In Deutschland leben mehr als drei Viertel aller Menschen in einer Stadt, fast ein Drittel davon in einer Großstadt. Die Ballungsräume sind Motoren der Wirtschaft, Zentren des Handels und öffentlichen Lebens und wichtige Knotenpunkte der Infrastruktur. Gleichzeitig sind Städte jedoch besonders stark vom Klimawandel betroffen. Auch Wetterextreme wie Hitze oder Starkregen wirken sich in den Städten stärker aus.

Wärmebild Mensch
Hitze wird zur Gesundheitsgefahr, wenn unser Körper die überschüssige Wärme nicht mehr abgeben kann. © AnitaVDB/ Getty images

Gesundheitsgefahr Hitze

Kommt es zu einer sommerlichen Hitzewelle, kann dies schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben: Der Körper kann sich durch Schwitzen nicht mehr ausreichend kühlen und schafft es dadurch nicht mehr, die Kerntemperatur des Körpers auf 37 Grad zu halten – wir überhitzen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit versagt die Kühlung durch Schweiß noch früher. Gängigen Faustregeln nach kann ein gesunder Mensch eine sogenannte Kühlgrenztemperatur von 35 Grad nicht viel länger als sechs Stunden überleben. Diese ergibt sich aus der Kombination von Temperatur und Luftfeuchte und entspricht 35 Grad bei 100 Prozent Luftfeuchte oder 46 Grad bei 50 Prozent Feuchtigkeit.

Wenn der Körper überhitzt und gleichzeitig nicht genügend Wassernachschub bekommt, ist eine Hitzeerschöpfung, im schlimmsten Fall ein Hitzekollaps die Folge. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, eine heiße, trockene Haut, niedriger Blutdruck und Kreislaufprobleme bis hin zur Ohnmacht. Besonders anfällig sind Kleinkinder und ältere Menschen, weil bei ihnen die Schweißdrüsen noch nicht beziehungsweise nicht mehr so gut arbeiten. Ihr Körper kann sich daher weniger gut selbst kühlen.

Schätzungen zufolge sind im heißen Sommer 2022 allein in Europa mehr als 61.000 Menschen direkt oder indirekt an den Folgen der Hitze gestorben. In Deutschland ermittelte das Robert-Koch-Institut für den Sommer 2022 eine hitzebedingte Übersterblichkeit von rund 4.500 Fällen.

Ballungsräume trifft die Hitze am stärksten

Schon jetzt sind Stadtbewohner häufiger von den Folgen des Klimawandels betroffen. Sie erleben mehr Tage mit extremer Hitze über 30 Grad und mehr tropische Nächte, in denen die Temperaturen nicht mehr unter 20 Grad absinken. Berlin hat beispielswe3ise in den 30 Jahren von 1961 bis 1990 210 Hitzetage erlebt, in den 30 Jahren von 1993 bis 2022 waren es bereits 392. Im extrem heißem Sommer 2022 war es in vielen Städten Europas mehrere Tage in Folge sogar über 40 Grad heiß und kühlte auch nachts kaum ab. Im Sommer 2023 ist dies vor allem im Mittelmeerraum wieder der Fall. Aber auch in den Ballungsräumen Asiens und der USA wurden in den letzten Jahren immer neue Rekordhitzewerte erreicht.

Anzeige

Und es kommt noch schlimmer: Der fortschreitende Klimawandel verschärft die Extrem und bringt mehr Hitze, aber auch mehr Starkregen. „Wir können mittlerweile sagen, dass quasi jede Hitzewelle durch den Klimawandel in ihrer Intensität verstärkt wurde“, erklärt Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Laut letztem IPCC-Weltklimabericht sind Hitzewellen heute im Schnitt 1,2 Grad heißer als sie vor Beginn des anthropogenen Klimawandels gewesen wären. „Ein Verschieben der Temperaturverteilung hin zu höheren Temperaturen führt zudem zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen“, so Zscheischler.

Wärmeinsel-Effekt
In der Stadt sind die Temperaturen mehrere Grad höher als im Umland. Dieser urbane Wärmeinsel-Effekt macht sich vor allem nachts stark bemerkbar. © gemeinfrei

Die urbane Wärmeinsel

Doch warum wird die Hitze vor allem in den Städten verstärkt zum Problem? Einer der Hauptgründe dafür ist die dichte Bebauung und Versiegelung der Ballungsräume: Die von allen Seiten umbauten Straßenschluchten konzentrieren sowohl die Hitze als auch die nach einem Starkregen anfallenden Wassermassen. Je weniger puffernde Vegetation der Betondschungel aufweist, desto stärker ist dieser Effekt. Besonders deutlich macht sich dies im Wärmeinsel-Effekt der Städte bemerkbar: Im Schnitt liegen die Temperaturen in Innenstädten um ein bis drei Grad über denen des dünn bebauten Umlands.

Zustande kommt dieser Effekt unter anderem durch die vielen Beton- und Asphaltoberflächen der Häuserfassaden und Straßen. Bei Sonneneinstrahlung heizen sich diese Materialien erheblich stärker auf als Flächen, die mit Pflanzen bewachsen sind. Während Freiflächen gerade einmal fünf Prozent der von der Sonne eingestrahlten Energie speichern, halten dicht bebaute Gebiete rund die Hälfte der morgens und vormittags eingestrahlten Wärme fest, im Tagesverlauf sind es noch 25 bis 30 Prozent. Gibt es nur wenig Straßenbäume und die Fassaden und Betonoberflächen sind dunkel, dann verstärkt sich diese Heizwirkung noch.

Stadtgemachter Treibhauseffekt

Nachts strahlen die aufgeheizten Asphalt- und Betonflächen die am Tag gespeicherte Energie wieder ab und verhindern so die Abkühlung nach Sonnenuntergang. Je weniger Frischluft dann aus dem Umland in die Stadt weht, desto mehr bleibt die heiße Luft des Tages stehen. Hinzu kommt: Auf dem Land sorgen Vegetation und Gewässer für zusätzliche Kühlung durch die Wasserverdunstung. Weil es in den Städten meist nur wenige kleine Grünflächen oder Gewässer gibt, fällt dort auch dieser Kühleffekt weitgehend weg.

In den stark befahrenen Innenstädten reichert sich außerdem Kohlendioxid an, das die aufgestaute Hitze zusätzlich am Entweichen hindert – die Stadt produziert ihren eigenen Treibhauseffekt. Insgesamt kann der urbane Wärmeinsel-Effekt vor allem in den Sommernächten zu einem erhebliche Hitzestau in den Städten führen. Die Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Umland können dann bis zu zehn Grad betragen.

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Klimakur für die Stadt
Was tun gegen Hitzeextreme in Ballungsräumen?

Hitzeofen Stadt
Warum Ballungsräume besonders von Klimaextremen betroffen sind

Im Akutfall
Wie kann eine Stadt kurzfristig auf Hitze reagieren?

Grün und Blau sind Trumpf
Wie sich Städte langfristig an die Hitze anpassen können

Im Schneckentempo
Warum die Klimaanpassung der Städte nicht vorankommt

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema