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Das Problem der ENSO-Vorhersage

Um einen El Niño oder eine La Niña vorherzusagen, muss man die Vorwarnzeichen kennen – und wissen, welche Auslöser das ENSO-Pendel in die eine oder andere Richtung auslenken. Doch genau da hapert es: Ozean und Atmosphäre sind so auf so komplexe Weise miteinander verwoben, dass selbst nach Jahrzehnten der ENSO-Forschung unklar ist, welcher Faktor den Ausschlag gibt.

El Nino Vorhersage
Die Vorhersage eines El Niño ist schwierig, denn viele Faktoren und Wechselwirkungen beeinflussen seine Entstehung.© MCCAIG/ Getty images

Sind es die schwächer werdenden Passatwinde, die das Gleichgewicht der Meeresströmungen durcheinanderbringen? Oder geben vielmehr die steigenden Meerestemperaturen den Ausschlag, und die Winde sind nur deren Folge? „Wir wissen oft nicht genau, was diese Feedbackschleife initiiert – manchmal verändern sich erst die Meerestemperaturen und dann schwächen sich die Passatwinde ab, manchmal ist es umgekehrt“, sagt L’Heureux. Das macht die Vorhersage eines El Niño nicht einfacher.

Widersprüche von Luft und Ozean

Auch im Frühjahr 2023 waren die Messdaten widersprüchlich: Zwar lagen Ende April die Meerestemperaturen im Ostpazifik schon bei 0,4 Grad über dem langjährigen Mittel – nur noch 0,1 Grad unter dem offiziellen Grenzwert eines El Niño. Doch in der Atmosphäre tat sich zunächst wenig: „Obwohl der Ozean drauf und dran ist, die Schwelle zum El Niño zu überschreiten, scheint die tropische Atmosphäre zögerlicher, sie bleibt fest im ENSO-neutralen Bereich“, berichtet Nat Johnson von der NOAA. Die Passatwinde und die Walker-Zirkulation zeigten bis Anfang Mai noch keine Anzeichen für eine Abschwächung.

Erschwerend kommt dazu, dass im Frühjahr auftretende Anomalien der Passatwinde sich bis zum Sommer und Herbst wieder verflüchtigen können – es kommt dann quasi zum Fehlstart. Dies war unter anderem im Jahr 2014 der Fall, als es zwar erste Vorzeichen eines kommenden El Niño gab, er dann aber doch vorerst ausblieb. Erst im Jahr darauf manifestierte sich dann der starke El Niño von 2015/2016. „Ohne die Anomalien der tropischen Winde schaffen die El-Niño-Ereignisse nicht den Absprung“, erklärt die NOAA-Expertin L’Heureux. Unter anderem deshalb lässt sich ein kommender El Niño oft erst im Sommer verlässlich vorhersagen.

Ein Gürtel aus Messbojen…

Um die Vorwarnzeichen möglichst frühzeitig und umfassend erkennen zu können, fahren Klimaforscher und Meteorologen bei der ENSO-Überwachung zweigleisig: Ihre Vorhersage beruht sowohl auf Messungen des Ozeanzustands als auch auf Messdaten zum Luftdruck im äquatorialen Bereich. Für die Messung der Meerestemperaturen und -strömungen sorgen die Bojen des TAO/TRITON-Messnetzes. Sie bilden von Indonesien bis Südamerika einen rund 10.000 Kilometer breiten Gürtel quer über den äquatorialen Pazifik.

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Die am Meeresgrund verankerten Messbojen registrieren kontinuierlich Temperatur, Druck, Strömung, Sonneneinstrahlung und andere Faktoren an der Meeresoberfläche und bis zu 500 Meter darunter. Über Antennen senden sie ihre gesammelten Informationen regelmäßig an Satelliten, die die Daten dann direkt an die großen Rechenzentren der Klimaforscher weiterleiten. Dort werden sie mit Messdaten von Schiffen und Erdbeobachtungssatelliten kombiniert und ausgewertet.

SOI und El Nino
Entwicklung des Southern Oscillation Index (SOI) und der Meerestemperaturen im Niño-Messgebiet.© Climate.gov/ NOAA CPC

…und die Luftdruckwippe

Die zweite Säule der ENSO-Vorhersage ist die Southern Oscillation – die große Luftdruckwippe über dem Pazifik. Um ihre Entwicklung zu erfassen, werten Klimaforscher die Luftdruckunterschiede zwischen der Südseeinsel Tahiti und dem gut 13.000 Kilometer entfernten Ort Darwin in Australien aus. Mithilfe spezieller Klimamodelle erstellen sie aus den Messdaten den Southern Oscillation Index (SOI). Er gibt an, in welcher Phase sich dieses Luftdruckpendel befindet.

Im Idealfall passen die Ergebnisse beider Vorhersagemethoden zusammen: „Wenn der Luftdruck in Tahiti niedriger ist als in Darwin, dann ist bei einer warmen Episode des ENSO auch die Temperatur im Ostpazifik erhöht“, erklärt Nat Johnson. „Ist umgekehrt der Luftdruck in Tahiti höher als Darwin, dann sind auch die Meerestemperaturen im Messgebiet niedriger und eine La Niña kündigt sich an.“ Doch so einfach ist es eben leider nicht immer – und das macht die Vorhersage der ENSO-Kapriolen so schwierig.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

El Niño – Klimaphänomen mit globalen Folgen
Wie der tropische Pazifik das Weltklima beeinflusst

Er ist wieder da
2023 könnte ein neues El Niño-Jahr werden

Die Symptome
Wie manifestiert sich ein El Niño?

Die Zutaten
Wie entsteht ein El Niño?

Henne und Ei
Das Problem der ENSO-Vorhersage

Wird es schlimmer?
Wie der Klimawandel den El Niño beeinflusst

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