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Archäologie

Großstein-Bauten überall

Wer erfand die Megalith-Kultur?

Schon die einzelnen Megalith-Bauwerke sind beeindruckend in ihrer schieren Größe. Noch faszinierender aber ist, dass diese monumentalen Anlagen in weiten Teilen Europas fast zeitgleich entstanden. Scheinbar aus heiterem Himmel begannen die Menschen der Jungsteinzeit, überall solche Mega-Konstruktionen zu errichten – vom äußersten Westen Irlands und den Süden Skandinaviens über Großbritannien und Mitteleuropa bis nach Frankreich in die Küstenregionen der iberischen Halbinsel hinein.

Dolmen de Menga
Der rund 5.000 bis 5.500 Jahre alte Dolmen de Menga liegt in Andalusien, dennoch gleicht er den tausende Kilometer entfernt errichteten Dolmen in Irland, Großbritannien oder Skandinavien. © Grez/ CC-by-sa 3.0

Über tausende Kilometer hinweg gleich

Merkwürdig auch: Selbst Megalith-Anlagen an entgegengesetzten Enden Europas ähneln sich auf verblüffende Weise, obwohl tausende Kilometer zwischen ihnen liegen. „Sie haben ähnliche und teilweise sogar identische architektonische Merkmale über ihr gesamtes Verbreitungsgebiet hinweg“, erklärt Bettina Schulz Paulsson von der Universität Göteborg. Auch die Ausrichtung der meisten Megalith-Gräber ist einheitlich. Die meisten von ihnen zeigen in Richtung des Sonnenaufgangs, manche sogar präzise auf den Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende.

„Das wirft die Frage auf, ob es einen Ausgangspunkt gab, von dem sich die megalithische Kultur über Europa ausbreitete oder ob sich dieses Phänomen unabhängig voneinander in den verschiedenen Regionen entwickelte – möglicherweise angetrieben von ähnlichen soziokulturellen Bedingungen“, erklärt Schulz Paulsson.

Gibt es eine Verbindung zu Göbekli Tepe?

Tatsächlich gingen viele Archäologen im 20. Jahrhundert davon aus, dass die Ursprünge der Megalith-Kultur – wie die vieler früher Kulturen – im Mittelmeerraum liegen müsse. Denkbar wäre beispielsweise, dass die in der Jungsteinzeit nach Europa einwandernden Bauern nicht nur die Landwirtschaft mitbrachten, sondern auch ihre religiös-rituellen Traditionen. Ein mögliches Indiz dafür könnten die neolithischen Rundtempel auf Malta und Gozo, aber auch der Steinkreis von Göbekli Tepe in Anatolien sein. Seine riesigen T-Steine wurden vor mehr als 10.000 Jahren und damit lange vor den Megalith-Bauten in Europa aufgestellt.

Doch diese Theorie sehen heutige Archäologen kritisch: „Auch wenn es innerhalb Europas eine klare typologische, regionale und chronologische Beziehung zwischen verschiedenen Megalith-Konstruktionen gibt – es gibt keinerlei Verbindung zu den neolithischen Monumenten in Anatolien“, betont Jens Notroff vom Deutschen Archäologischen Institut. „Es handelt sich hier um sehr verschiedene Strukturen mit anderem Konstruktionstyp und einer ganz anderen Funktion.“ Er sieht daher keinen direkten Zusammenhang zwischen Göbekli Tepe und den europäischen Megalith-Steinkreisen.

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Zeitliche Abfolge
Die zeitlich-räumliche Abfolge der Megalith-Kultur könnte auf eine Ausbreitung entlang der Küsten und über den Seeweg hindeuten.© Bettina Schulz Paulsson/ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Ausbreitung in drei Wellen

Aber wie ist die verblüffende Übereinstimmung der Megalith-Bauwerke dann zu erklären? Ist es wirklich denkbar, dass die Menschen vor rund 6.500 Jahren unabhängig voneinander, aber dennoch fast gleichzeitig Steinkreise, Dolmen und Ganggräber „erfanden“? Um dies zu klären, haben Schulz Paulsson und ihr Team im Jahr 2019 gut 2.400 Megalith-Bauten aus ganz Europa noch einmal einer genaueren Datierung und Überprüfung unterzogen. Dadurch wollten sie feststellen, ob ähnliche Bauwerke wirklich überall fast gleichzeitig auftraten oder doch zeitlich nacheinander.

Tatsächlich entdeckte die Archäologin eine räumlich-zeitliche Abfolge: Den Anfang machten demnach die Megalith-Gräber im Nordwesten Frankreichs. „Diese Region ist auch die einzige in Europa, in der es prä-megalithische Monumentalbauten und Übergangsstrukturen gab“, berichtet Schulz Paulsson. Zu diesen Anlagen gehörten bis zu 280 Meter lange Hügelgräber aus Holzkammern mit aufgeschichteter Erde. Vom Nordwesten Frankreichs breiteten sich die ersten einfachen Megalith-Gräber dann nach Südfrankreich, den Norden Spaniens und die Mittelmeerinseln aus.

Dann folgte einige Jahrhunderte später eine zweite Welle der Megalith-Kultur, durch die sich Gang- und Kammergräber entlang der Atlantikküste von Süden nach Norden ausbreiteten. Vor rund 5.500 bis 5.000 Jahren hatte die Megalith-Kultur dann auch den Norden und die Mitte Europas erreicht – nun entstanden auch Stonehenge und die anderen Megalith-Anlagen in Großbritannien und Skandinavien.

Waren die Megalith-Erbauer Seefahrer?

Nach Ansicht von Schulz Paulsson ist diese Reihenfolge kein Zufall: Sie sieht darin einen Beleg dafür, dass die Megalith-Kultur sehr wohl einen gemeinsamen Ursprung hatte – und dass sie sich über den Seeweg ausgebreitet haben muss. „Die Annahme der frühen Archäologen war demnach korrekt. Sie irrten nur in Bezug auf die Ursprungsregion und die Richtung der megalithischen Ausbreitung“, erklärt die Archäologin.

Statt aus dem Nahen Osten und Kleinasien kam die Megalith-Kultur aus dem Nordwesten Frankreichs und breitete sich von dort aus entlang der Küsten über das jungsteinzeitliche Europa aus. Sollte sich dies bestätigen, könnten auch die Anfänge der Seefahrt weiter zurückreichen als gedacht. „Die maritimen Fähigkeiten, das Wissen und die Technologie dieser Gesellschaften müssen weiter entwickelt gewesen sein als bisher angenommen“, sagt Schulz Paulsson.

Doch wer waren die Menschen, die die Megalith-Kultur erfanden und weiterverbreiteten?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Rätsel der Megalithe
Wer waren die Erbauer der prähistorischen Steinmonumente?

Lange vor Stonehenge
Die Anfänge der Megalith-Kultur

Das Mysterium des Gigantismus
Warum waren die Steine so riesig und wie wurden sie transportiert?

Wozu dienten Stonehenge und Co?
Megalith-Anlagen als Ritual-Ort, Kalender und Festplatz

Monumente für die Toten
Von Dolmen, Grabhügeln und Ganggräbern

Großstein-Bauten überall
Wer erfand die Megalith-Kultur?

Der Steinzeit-Adel
Initiierte eine elitäre Priesterkaste die Megalith-Bauwerke?

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