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Archäologie

Das Mysterium des Gigantismus

Warum waren die Steine so riesig und wie wurden sie transportiert?

Sie wogen manchmal mehr als hundert Tonnen, waren fünf bis zehnmal so hoch wie ein Mensch und wurden teilweise über Dutzende bis hunderte Kilometer weit herangeschafft: Die gewaltigen Großsteine der Megalith-Anlagen wären selbst mit heutiger Technik schwer zu bewältigen. Doch die jungsteinzeitlichen Erbauer von Carnac, Stonehenge und Co hatten weder Kräne noch andere motorisierte Hilfsmittel.

Preseli-Felsen
Die Erbauer der Megalith-Monumente transportierten die Großsteine teilweise über große Entfernungen. Diese Felsformation in Wales könnte beispielsweise der Ursprung der Blausteine von Stonehenge sein. © Ceridwen/ geograph.org.uk, CC-by-sa 2.0

Wie schafften es die Erbauer der Megalith-Monumente, diese enormen Massen zu bewältigen – und warum taten sie es? Über diese Frage diskutieren Archäologen schon seit mehr als hundert Jahren. Denn schon die frühesten Menhir-Formationen bestehen aus Großsteinen, die in mehrere Kilometer entfernten Felsabbrüchen gebrochen wurden. Die Blausteine von Stonehenge, die den äußeren Doppelring bildeten, wurden sogar aus dem hunderte Kilometer entfernten Westen von Wales herbeigeschafft.

Rollen, Schlitten und Schweinefett

Wie die steinzeitlichen Erbauer diese riesigen Lasten transportierten und aufrichteten, ist bisher unklar. Lange Zeit gingen Archäologen von Rollen aus losen Holzstämmen aus, auf denen die schweren Steine bewegt wurden. „Diese Roller-Hypothese ist weit verbreitet, wahrscheinlich, weil es diese komplexe Frage auf einfache und anschauliche Weise beantwortet“, erklärt der Archäologe Barney Harris vom University College London. „Aber Experimente haben gezeigt, dass diese Technik höchst unpraktisch, ineffizient und sogar gefährlich ist.“

Heute gehen Forschende eher davon aus, dass die Erbauer von Stonehenge, Carnac und Co die Großsteine auf einer Art Schlitten über Land bewegten, wie es auch spätere Kulturen taten. Dabei wurden die Menhire über mit Pfosten fixierte Holzstämme gezogen – ähnlich wie ein Schlitten auf Schienen. Ein mögliches Indiz für diese Schlitten-Hypothese haben Archäologen vor wenigen Jahren in Stonehenge entdeckt: Dort fanden sich auffallend viele Scherben großer, mit Schweinefett gefüllter Gefäße.

„Bisher nahm man an, dass dieses Tierfett vom Kochen und den Speisen stammte“, sagt Lisa-Marie Shillito von der Newcastle University. Doch sie und ihre Kollegen gehen angesichts der Art der Gefäße und der Mengen des Fetts eher davon aus, dass dieses zum Einfetten der Steinschlitten verwendet wurde. Dadurch wären die tonnenschweren Megalithe leichter über ihre Holzstamm-Unterlage geglitten. Ob diese Annahme stimmt, ist allerdings ebenso offen wie die, dass die Großsteine aus weiter entfernten Steinbrüchen mithilfe von Flößen transportiert wurden – es fehlt schlicht an Belegen.

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Kilklooney-Dolmen
Warum wählte man ausgerechnet die schwer zu bewältigen Steinriesen als Baumaterial, wie hier beim Kilklooney-Dolmen in Irland? © aluxum/ iStock

Warum gerade Megalithe?

Und noch eine Frage stellt sich: Warum machte sich die Menschen der Jungsteinzeit überhaupt diese Mühe? Die Megalith-Konstruktionen waren weder die naheliegendste noch die einfachste Art, um große Anlagen zu errichten. „Die Manipulation der riesigen Steinblöcke, jeder tonnenschwer, erforderte eine besondere Expertise und wahrscheinlich mehr Menschen und Arbeitsaufwand als wenn man diese Strukturen aus Trockenmauern errichtet hätte“, erklärt Chris Scarre von der Durham University. „Es war daher keine sehr opportunistische Art, beispielsweise ein Grab zu errichten.“

Die Wahl von Megalithen als „Baumaterial“ legt demnach nahe, dass es die Großsteine selbst waren, denen man damals Macht und spirituelle Bedeutung zusprach. „Die Wahl der Steine war vermutlich nicht zufällig, auch nicht die Kombination von Megalithen aus verschiedenen Gesteinsarten in einem Monument“, sagt Scarre. Er vermutet, dass schon die Herkunftsorte der Steine – meist hohe, schroff aus der Landschaft aufragende Klippen und Felsabbrüche – eine spirituelle Bedeutung für die Menschen der Jungsteinzeit hatten.

„Bestimmte Orte wurden mit Macht assoziiert. Man glaubte, sie seien von übernatürlichen Wesen bewohnt oder hätten selbst übernatürliche Kräfte“, so Scarre. Um sich den Beistand dieser Mächte zu sichern, könnten Menschen Steine aus diesen Kraftorten in ihre Monumente und Gräber integriert haben, so die Vermutung des Archäologen.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Rätsel der Megalithe
Wer waren die Erbauer der prähistorischen Steinmonumente?

Lange vor Stonehenge
Die Anfänge der Megalith-Kultur

Das Mysterium des Gigantismus
Warum waren die Steine so riesig und wie wurden sie transportiert?

Wozu dienten Stonehenge und Co?
Megalith-Anlagen als Ritual-Ort, Kalender und Festplatz

Monumente für die Toten
Von Dolmen, Grabhügeln und Ganggräbern

Großstein-Bauten überall
Wer erfand die Megalith-Kultur?

Der Steinzeit-Adel
Initiierte eine elitäre Priesterkaste die Megalith-Bauwerke?

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