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Informatik

Gegen die Datenkraken

Wie lassen sich Schattenprofile verhindern?

Was kann man tun, um das Sammeln von Daten durch Social-Media-Plattformen und das Anlegen von Schattenprofilen zu verhindern? Das Problem beginnt schon bei unserem eigenen Verhalten: „In der Öffentlichkeit herrscht noch kein umfassendes Bewusstsein darüber, dass die Verteilung der eigenen Daten im Netz stets auch die Verteilung von Informationen über andere bedeutet“, erklärt die Strafrechtlerin Liane Wörner von der Universität Konstanz. „Meine Daten sind immer zugleich auch die Daten der Anderen.“

Social Media
Was kann man gegen das Datensammeln der Social-Media-Plattformen tun? © bigtunaonline/ iStock

„Privatsphäre ist eine kollektive Aufgabe“

Bei der Regulierung von digitalen Netzwerken neigen wir sehr häufig zu einer individualisierten Lösung: Wir wollen den Individuen die Kontrolle darüber geben, was sie auf der Plattform teilen. „Das hilft aber nur begrenzt“, erläutert der IT-Experte David Garcia. „Wenn wir glauben, dass der Schutz der Privatsphäre allein eine individuelle Entscheidung ist, dann verfehlen wir das größere Bild. Privatsphäre ist nicht nur ein individuelles Phänomen. Privatsphäre ist vielmehr eine kollektive Aufgabe.“

Der Informatiker warnt: „Individualisierte Lösungen werden nicht ausreichen, um unsere Privatsphäre zu schützen.“ Um Schattenprofile zu verhindern, empfiehlt er Regulierungen, die auf kollektiver Ebene greifen. „Ein Ansatz wäre, zentralisierte Datensammlungen zu verhindern, so dass nicht eine Person oder eine Institution die ganzen Daten in den Händen hält“, schlägt Garcia vor. Ferner sollten die Unternehmen aus seiner Sicht zur Einhaltung von Standards verpflichtet werden, die Schattenprofile verhindern und mehr Transparenz gewährleisten.

Mit Störrauschen gegen Datensammler

Garcia forscht bereits an technischen Ansätzen, durch die Menschen vor Schattenprofilen geschützt werden könnten. Eine Idee ist, gegenüber den Netzwerken ein „Informationsrauschen“ zu erzeugen. Dabei schützt man die echten Daten, indem man Netzwerke mit einem „Hintergrundrauschen“ an automatisierten falschen Daten füttert. Auf ähnliche Weise versuchen Informatiker bereits, gegen Deepfakes durch Bildgeneratoren vorzugehen. Schattenprofile wären dann wertlos, weil sie auf Fehlannahmen beruhten. Das strukturierte „Erpuzzeln“ von Profilen würde erschwert oder ganz unmöglich gemacht.

Darin liegt freilich zugleich die Gefahr, das mit den nunmehr auf Fehlannahmen beruhenden Angaben „Fake History“ entstünde. Es droht eine Verlagerung des Problems, wenn dies nicht gleichzeitig mitverhindert wird, sagt Liane Wörner. Weiterer Forschung bedarf es, um zu verstehen, wie dieses Rauschen einerseits die Präzision von Schattenprofilen und andererseits die Nutzbarkeit des Netzwerks beeinflusst – eine Forschung, der das Centre for Human | Data | Society nun nachgehen möchte.

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Garcia möchte zudem ein Modell erarbeiten, mit dem sich einschätzen lässt, ab welcher „roten Linie“ ein Netzwerk zu viele Daten besitzt, so dass Schattenprofile zu präzise werden. Allerdings betont der Forscher auch, dass eine Lösung nicht allein von technischer oder juristischer Seite erfolgen kann, sondern stets aus einer multidisziplinären Perspektive kommen muss. Diese muss zugleich die kulturellen Auswirkungen für die Gesellschaft und den einzelnen Menschen im Auge behalten.

Gute Daten, schlechte Daten

Auch für die Rechtswissenschaftlerin Liane Wörner geht es nicht nur um einen juristischen Regulierungsmechanismus. Die zentrale Frage lautet für sie vielmehr: In welcher datafizierten, also von Daten gestützten und geprägten Welt wollen wir eigentlich leben? Und wie können wir diese sinnvoll gestalten? „Das Recht wird viel zu oft auf die Rolle des Regulators reduziert, der erst ganz am Ende einsetzt, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Eine zentrale Aufgabe des Rechts ist aber die Gestaltung unserer zwischenmenschlichen Beziehungen“, sagt Wörner.

Die Juristin sieht eine große Chance für unsere Gesellschaft, wenn wir deren Digitalisierung und Datafizierung bewusst und klug gestalten. Die Voraussetzung dafür ist aber eine multidisziplinäre Perspektive, in der die Rechtswissenschaft, die Informatik und die Kulturwissenschaft Hand in Hand zusammenarbeiten. Das Centre for Human | Data | Society will hier Pionierarbeit leisten.

„Unser Aufruf aus Konstanz ist, an gemeinsamen Konzepten des Daten-Sharings zu arbeiten. Wie wir gemeinsam eine sinnvolle Daten-Welt generieren können, deren Teil wir sind und die wir gemeinsam nutzen und gemeinsam steuern können“, sagt Wörner. „Ein schnelles Internet haben wir schon. Aber ein gutes Internet, das haben wir nicht. Gute Daten, die wollen wir haben. Und was das ist, darüber müssen wir diskutieren.“

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Daten der Anderen: Shadow Profiles
Wie soziale Netzwerke Daten auch über Nichtnutzer sammeln

Ein Klick genügt
Wie Schattenprofile entstehen

Was wissen die von mir?
Was Schattenprofile über uns verraten

Die Rechtslage
Sind Schattenprofile illegal?

Gegen die Datenkraken
Wie lassen sich Schattenprofile verhindern?

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