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Medizintechnik

Kleiner Lebensretter im Brustkorb

Deutsche Herzstiftung e.V. / Deutsche Stiftung für Herzforschung

Betroffene mit hohem Risiko für einen plötzlichen Herztod sind neben einer optimalen medikamentösen Therapie mit einem implantierten Defibrillator (ICD) am wirksamsten geschützt. Dafür gibt es verschiedene Geräte-Typen. Eine neue Technologie steht voraussichtlich Ende dieses Jahres zur Verfügung.

Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 65.000 Menschen am plötzlichen Herztod. Ursache dieses Sekundenherztods ist in den meisten Fällen ein lebensbedrohliches Kammerflimmern, bei dem es zu einer unkoordinierten Serie von schnellen Kontraktionen des Herzens kommt. „Nur wenn innerhalb weniger Minuten eine Herzdruckmassage durch Laien erfolgt oder ein sogenannter Defibrillator mit einem Stromstoß das Kammerflimmern beendet, hat die oder der Betroffene eine Überlebenschance“, betont Prof. Dr. med. Christian Butter, Leiter der Kardiologie am Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg.

An vielen Flughäfen, Bahnhöfen und in öffentlichen Gebäuden sind zunehmend sogenannte automatisierte externe Defibrillatoren (AEDs) angebracht, die von medizinischen Laien bedient werden können. Extern deswegen, weil der Stromstoß von außen mittels Elektroden auf der Brust erfolgt. Auf einem Display oder akustisch wird man Schritt für Schritt beim Bedienen eines AEDs angeleitet, bis Ärzte und Sanitäter eintreffen.

Zwei Drittel der Betroffenen sind älter als 60 Jahre alt

„Ein plötzlicher Herztod ereilt etliche Menschen ohne Vorwarnung“, erklärt Prof. Butter, der sich schwerpunktmäßig mit kardialen elektrischen Implantaten beschäftigt. Zwei Drittel der Betroffenen sind älter als 60 Jahre alt; Männer trifft es doppelt so häufig wie Frauen. Verlieren Menschen kurzzeitig das Bewusstsein (Synkope), haben regelmäßige starke Brustschmerzen oder treten in einer Familie gehäuft Fälle eines plötzlichen Herztodes auf, sollten sie eine kardiologische Praxis aufsuchen. Denn dies können Warnzeichen sein, die auf das lebensbedrohliche Ereignis hinweisen. Auch ein bereits überlebter plötzlicher Herztod oder bestimmte Herzerkrankungen können die Gefahr eines plötzlichen Herztods erhöhen. Das ist zum Beispiel bei einer länger bestehenden Herzinsuffizienz (Herzschwäche) der Fall, bei der das Herz nicht mehr in der Lage ist, genügend Blut zu pumpen und den Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. In jungen Jahren sind insbesondere Menschen mit entzündlichen Herzmuskelerkrankungen, strukturellen Veränderungen des Herzmuskels (Kardiomyopathien) oder mit genetisch bedingten Herzrhythmusstörungen bedroht.

Sonden des Defibrillators überwachen den Herzrhythmus

„Patienten, die ein hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod tragen, sind neben einer optimalen medikamentösen Therapie mit der Implantation eines Defibrillators (ICD) am wirksamsten geschützt“, betont Prof. Butter. Die Abkürzung ICD steht für „Implantierbarer Cardioverter Defibrillator“. Das kleine Gerät – die modernen Ausführungen sind maximal fünf Zentimeter groß und zirka einen Zentimeter dick – wird meist in der linken Schulter unter der Haut eingesetzt. Es besteht aus der Steuereinheit inklusive Batterie sowie mindestens einer Sonde, die über die Vene in die rechte Herzkammer gelegt wird. Diese Sonde überwacht den Herzrhythmus. Tritt das gefährliche Kammerflimmern auf, normalisiert der Defibrillator mit einem Stromstoß die Herzaktivität.

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Daneben kann das Gerät bestimmte regelmäßig auftretende Herzrhythmusstörungen mittels Stimulationsimpulsen beenden oder aber den Herzschlag wie ein Schrittmacher beschleunigen, wenn er zu langsam ist. Davon merken die Patientinnen und Patienten nichts. „Eine ICD-Schockabgabe dagegen ist für die meisten Patienten schmerzhaft“, sagt Prof. Butter. „Er ist vergleichbar mit einem Schlag auf den Brustkorb.“ Allerdings würden die Betroffenen bei sehr schnellen Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern meist nach wenigen Sekunden bewusstlos werden, sodass sie den Stromstoß nicht miterleben.

Mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Medizin

In der Regel reichen für die Implantation eines ICD-Defibrillators eine lokale Betäubung sowie eine leichte Narkose. Die Patienten können am selben oder am nächsten Tag die Klinik verlassen. Allein im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 20.000 ICD neu implantiert. „Ein ICD wacht über den Herzrhythmus, kann lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen beenden und so Leben retten“, so der Herzspezialist aus Bernau. „Bei der Entscheidung für die Implantation eines ICD steht diese Schutzfunktion, einen plötzlichen Herztod zu verhindern, im Vordergrund. Der ICD lindert keine akuten Beschwerden wie Luftnot, Brustschmerzen oder geschwollene Beine. Dafür kommen andere Therapien wie Medikamente oder interventionelle Verfahren zum Einsatz.“ Patienten mit einem implantierten ICD werden engmaschig kontrolliert.

Dennoch kann es, verbunden mit einem ICD, zu Risiken und Nebenwirkungen kommen. Die häufigste unerwünschte Nebenwirkung sind sogenannte inadäquate Stromstöße, weil das Gerät harmlose Herzrhythmusstörungen fehldeutet oder die Sonden falsche Messdaten liefern. Das kann für Patienten psychisch sehr belastend sein. Entzündungen im Bereich des implantierten Defibrillators oder der Sonden können ebenfalls eine Folge sein. Um mögliche Komplikationen in solchen Fällen zu vermeiden, muss der ICD dann meist entfernt werden. „Doch die lebensrettende Wirkung der Defibrillator-Therapie, das geschenkte Leben, überwiegt die möglichen Nebenwirkungen“, sagt Herzstiftungs-Experte Prof. Butter. „Die Medizin hat mehr als 40 Jahre Erfahrung mit dem ICD-System. Das ist der Goldstandard in der Defibrillator-Therapie.“

Verschiedene Defibrillator-Typen

  • Transvenöse Defibrillatoren werden unterhalb des Schlüsselbeins auf dem Brustmuskel implantiert. Über die Schlüsselbeinvene werden ein oder mehrere Sonden in die rechte Herzkammer gelegt. Dieses System heißt „Implantierbarer Cardioverter Defibrillator“(ICD).
  • Subkutane Defibrillatoren (subkutane ICD oder s-ICD) werden unterhalb der linken Achsel zwischen Muskelschichten eingebracht, die Sonden neben dem Brustbein unter der Haut platziert. Sie werden mit dem Gerät per Kabel unter der Haut verbunden. Vorteil: Keine Gefahr von schweren Infektionen. Nachteil: Sie können nicht wie die ICDs bestimmte Herzrhythmusstörungen beheben oder als Schrittmacher fungieren.
  • Kardiale Resynchronisationssysteme (CRT) mit Defibrillator sind besondere Herzschrittmacher, die über zwei Elektroden beide Herzkammern erreichen und dafür sorgen, dass diese synchron aufeinander abgestimmt schlagen. Dadurch verbessern sich bei Patienten mit Herzinsuffizienz die Symptome. Diese Systeme haben häufig zusätzlich eine Defibrillatorfunktion (CRT-D).
  • Defibrillatorwesten sind Textilwesten mit Gurten, in die eine Elektronik integriert ist, die den Herzrhythmus überwacht und falls notwendig einen Stromstoß abgibt. Mittels Stimulationsimpulsen kann sie bei Herzrhythmusstörungen auch den normalen regelmäßigen Herzschlag ermöglichen. Die Westen werden vorübergehend von Patienten mit neu diagnostizierter Herzinsuffizienz getragen oder wenn die Implantation eines ICD noch unklar ist. Die Westen werden mit WCD abgekürzt für „Wearable Cardioverter Defibrillator“.

Und als Neuzugang:

  • Extravaskuläre Defibrillatoren basieren auf einer neuen Technologie, die voraussichtlich Ende 2023 zur Verfügung stehen wird. Das Aggregat wird in der Achsellinie implantiert, die Elektrode hinter dem Brustbein auf dem Herzen. Diese können Stimulationsimpulse abgeben und so bestimmte regelmäßig auftretende Herzrhythmusstörungen beheben.

Quelle: Deutsche Herzstiftung e.V. / Deutsche Stiftung für Herzforschung

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