Anzeige
Energie

Tödliches Herz

Der Rückbau der Reaktorkerne

Am gefährlichsten und technisch aufwändigsten ist der Rückbau der eigentlichen Reaktorkerne mitsamt Druckbehältern und Einbauten. Denn sie sind hochradioaktiv und durch Neutronenstrahlung bis die Tiefen des Materials aktiviert. Diese Bauteile strahlen selbst Jahre nach dem Abschalten des Atomkraftwerks noch so stark, dass jeder direkte Kontakt für einen Menschen tödlich wäre – selbst mit Schutzanzug.

Zerlegung des Reaktordruckgefäßes im AKW Würgassen.© Eon/ Peter Klimmeck

Roboter und Unterwasserschneider

Diese hochradioaktiven Bauteile können daher nur ferngesteuert abgebaut werden. Teilweise geschieht dies in speziell isolierten Schutzräumen, die am stärksten strahlen Bauteile aber werden zum zusätzlichen Schutz vor der Strahlung unter Wasser bearbeitet. Dabei kommen Kräne, Manipulatoren sowie Plasmabrenner und Spezialsägen zum Einsatz. Mit ihnen werden zunächst alle Einbauten der Reaktorkerne in Stücke zerlegt und für den Transport ins Zwischenlager vorbereitet.

Bei dem seit 1990 stillgelegten Atomkraftwerk Greifswald wurden die dafür nötigen Verfahren und Abläufe zunächst in einer Art „Generalprobe“ getestet – mit den Reaktoreinbauten zweier nie in Betrieb gegangener Reaktorblöcke. Erst dann wagten sich die Mitarbeiter des Kraftwerks und der Entsorgerfirma EWN an die Zerlegung der Bauteile der ersten beiden strahlenden Reaktorblöcke.

Zwischenlager Nord
Im Zwischenlager Nord werden die radioaktiven Reste der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg gelagert. © Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH

Arbeit für Jahrzehnte

Parallel dazu setzt EWN noch eine andere Strategie ein: Statt die hochradioaktiven Bauteile vor Ort zu zerlegen, werden die restlichen Reaktoreinbauten und Druckgefäße als Ganzes mit speziell abgeschirmten Transporten ins nahegelegene Zwischenlager Nord gebracht. Dort sollen sie – in Castorbehältern verpackt – weiter abklingen und erst später zerlegt werden, so die EWN. Dafür wurden im Zwischenlager speziell abgeschirmte Zerlegeplätze eingerichtet. Dort füllen die hochradioaktiven Reste des Kernkraftwerks Greifswald inzwischen 61 Castoren.

Anzeige

Erst wenn der gesamte Inhalt eines Kraftwerksgebäudes samt Wänden dekontaminiert und die hochradioaktiven Reste abtransportiert wurden, wird das Gebäude abgerissen. „Pro Spezialgebäude werden sieben bis acht Jahre für die Demontage und Dekontamination benötigt, bevor der konventionelle Abriss beginnen kann“, erklärt EWN-Ingenieurin Philipp.

Mittlerweile läuft der Rückbau im Atomkraftwerk Greifswald seit fast 24 Jahren – und bis zu seinem Abschluss wird es noch einige Jahre dauern. Für den Rückbau des Atomkraftwerks Biblis in Hessen rechnen die Verantwortlichen mit einer Dauer von 15 bis 20 Jahren. Damit ist klar: Der Weg vom Abschalten bis zur nicht mehr kontaminierten, vollständig freigeräumten „grünen Wiese“ ist alles andere als schnell oder einfach. Allein der Rückbau des Kraftwerks Greifswald könnte am Ende bis zu vier Milliarden Euro gekostet haben.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Megaprojekt Rückbau
Vom Atomkraftwerk zur "grünen Wiese"

Abschalten – und dann?
Die Nachbetriebsphase eines Kernkraftwerks

Messen, messen, messen
Das Problem der Aktivierung

Einschluss oder Rückbau?
Die Frage des Timings

Der große Abwasch
Dekontamination und Entsorgung der schwach verstrahlten Teile

Tödliches Herz
Der Rückbau der Reaktorkerne

Wie geht es weiter?
Der Stand der Dinge

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Atom-Endlager: Mikroben gegen Lecks?
In Salzstöcken lebende Archaeen können gelöstes Uran in unlösliche Kristalle umwandeln

AKW-Rückbau: Neue Messmethode für radioaktive Abfälle
Radioaktive Belastung von Beton- und Graphit-Bauteilen bisher schwer einschätzbar

Atommüll-Behälter: Alarmierende Schäden
Mehr als 2.000 Fälle von beschädigten Atommüll-Fässern in Deutschland

Atommüll: Strahlung degradiert Gestein schneller als erwartet
Neue Methode enthüllt Zersetzungsprozesse in den Einschlussmineralien

Dossiers zum Thema

Uran - Wichtiger Rohstoff – strahlende Gefahr