Das Geschlecht von Honigbienen wird nicht wie beim Menschen durch X-Y Chromosomen, sondern anhand der Kombinationen von Varianten eines einzigen Gens bestimmt. Jetzt berichten Wissenschaftler in der aktuellen Online-Ausgabe von „Nature“ über eine weitere, neu entdeckte Schlüsselkomponente der komplementären Geschlechtsbestimmung: das feminizer-Gen (fem).
In Bienenvölkern existieren über 15 Varianten des so genannten „complementary sex determiners“ (csd). Gleich einem Spiel mit zwei Würfeln erzeugen gleiche Zahlen bzw. Varianten Männchen, ungleiche Zahlen Varianten Weibchen. Die Entschlüsselung der komplementären Geschlechtsbestimmung der Honigbiene begann bereits vor mehr als 150 Jahren durch den oberschlesischen Pfarrer Johann Dzierzon, der ein Zeitgenosse von Gregor Mendel war.
Das unter Federführung von Wissenschaftlern der Universität Düsseldorf um Martin Hasselmann, Tanja Gempe, Marianne Otte und Professor Martin Beye identifizierte fem-Gen wird nun für die weibliche Entwicklung gebraucht und liegt in direkter Nachbarschaft zum csd-Gen. Es übersetzt dabei die komplexe Information der über 15 verschiedenen csd-Varianten in eine binäre Aktivität: Weibchen haben ein funktionstüchtiges, Männchen besitzen ein funktionsloses fem-Genprodukt.
Verwandlung von Weibchen in Männchen
Beye und seine Kollegen zeigten, dass die Blockierung des fem-Gens mit Hilfe einer Technik, die als RNA-Interferenz bekannt ist, zu einer vollständigen Verwandlung der Weibchen in Männchen führte. Das gleiche Ergebnis resultierte für das csd-Gen, jedoch führte hier die Blockierung zusätzlich zu einem Umschalten des fem-Genprodukts in die funktionslose männliche Variante. Diese Ergebnisse zeigen, dass beide Gene das Geschlecht bestimmen, jedoch csd die geschlechtsbestimmende Aktivität von fem festlegt.
Die Forscher analysierten weitere fem-Gene aus anderen Bienenarten und konnten zeigen, dass csd aus einer Kopie des fem-Gens in den letzten 10 bis 70 Millionen Jahren hervorgegangen ist. Dabei wurden einzelne Änderungen im csd-Protein identifiziert, die bevorzugt unter positiver darwinscher Selektion im Laufe der Evolution fixiert wurden und für die Entstehung der würfelgleichen Funktionsweise von entscheidender Bedeutung waren.
Evolutive Neuerung
Das csd-Gen stellt eine evolutive Neuerung der Honigbienen dar. Wespen, Ameisen und andere Bienenarten haben auch eine komplementäre Geschlechtsbestimmung, doch müssen andere Gene verantwortlich sein.
Die Studie zeigt, dass neue Formen der Geschlechtsbestimmung durch einfache Umbauten des bestehenden Genrepertoires entstehen können. Die zugrunde liegenden evolutionären Prozesse, Genduplikation und positive Selektion, belegen eindrucksvoll, wie Innovationen von Entwicklungsvorgängen entstehen können.
(idw – Universität Düsseldorf, 27.06.2008 – DLO)