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Physik

Radioaktives Eisen wirft Einordnung kosmischer Ereignisse über den Haufen

Halbwertszeit von Eisen-60 fast doppelt so lang als bisher angenommen

Der Supernova-Rest "Krebsnebel" - die neu bestimmte Halbwertszeit von Eisen-60 könnte bisherige Erkenntnisse zum Verlauf von Sternexplosionen in Frage stellen. © NASA

Physikern ist es gelungen, die Halbwertszeit des seltenen radioaktiven Isotops Eisen-60 genauer als je zuvor zu bestimmen. Die große Überraschung dabei: Die Halbwertszeit von Eisen-60 liegt mit 2,6 Millionen Jahren deutlich über dem bisher bekannten Wert von 1,5 Millionen Jahren. Da der Wert auch zur Datierung und Einordnung von kosmischen Ereignissen diente, verändert diese in den „Physical Review Letters“ erschienene Studie auch die Sicht auf die Prozesse im frühen Sonnensystem.

Der Zerfall radioaktiver Elemente im Universum liefert Astronomen wertvolle Erkenntnisse über den zeitlichen Hergang kosmischer Abläufe. Gelingt es den Wissenschaftlern, die Mengenverhältnisse der beteiligten Ausgangs- und Zerfallsprodukte zu bestimmen, können sie auf den Zeitpunkt schließen, an dem der radioaktive Prozess seinen Anfang nahm – vorausgesetzt, die Halbwertszeit des betreffenden Stoffes ist bekannt. Eines dieser Stoffe ist das seltene, radioaktive Eisen-Isotop Eisen-60, dessen Kern vier Neutronen mehr beherbergt als das häufigste Isotop Eisen-56.

Indiz für Supernova nahe dem frühen Sonnensystem

Eisen-60 interessiert die Wissenschaftler aus mehreren Gründen. So liefert die Strahlung seines unmittelbaren Zerfallsproduktes Kobalt-60 Hinweise über die Entstehung schwerer Elemente in massereichen Sternen der Milchstraße. Die Zerfallsreihe des Eisenisotops führt über Kobalt-60 zum stabilen Element Nickel-60, dessen Häufigkeit in Meteoritengestein Aufschlüsse über die früheste Geschichte des Sonnensystems vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren zulässt. In jener Phase, so vermuten Astrophysiker, konnte Eisen-60 gemeinsam mit anderen radioaktiven Elementen als Wärmequelle im Inneren der neu entstehenden Planeten und Kleinplaneten agieren und so deren Beschaffenheit entscheidend beeinflussen.

Das Vorhandensein von Eisen-60 im entstehenden Sonnensystem können sich die Astronomen allerdings nur durch ein externes Ereignis erklären, etwa eine nahe Supernova, deren ausgeworfenes Material sich mit dem Gas des entstehenden Sonnensystems vermischte. Eine Supernova vor wenigen Millionen Jahren war vermutlich der Lieferant für die Eisen-60-Spuren, die die gleiche Forschergruppe in Krustenmaterial des Meeresgrundes nachweisen konnte.

Für eine zuverlässige Interpretation der Messdaten in all diesen Zusammenhängen ist eine genaue Kenntnis der Halbwertszeit von Eisen-60 von entscheidender Bedeutung. Der bisherige Wert von rund 1,5 Millionen Jahren litt unter einer Unsicherheit von fast 20 Prozent – zu viel für die Forscher, da

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die Interpretation und Datierung der Prozesse empfindlich von der Eisen-60-Halbwertszeit abhängt.

Eisen-60-Probenbehälter im Detektor © Excellence Cluster "Universe"

Neuer Test mit Eisen-60 aus „Strahlstopper“

Um hier neue Werte zu erhalten, untersuchte eine Gruppe von Wissenschaftlern der TU München und dem Exzellenzcluster Universe zusammen mit Kollegen des Schweizer Paul Scherrer Instituts (PSI) erneut einige Gramm Eisen-60-haltigen Materials – damit standen ihnen zehnmal mehr zur Verfügung bei der letzten Messung 1984. Das Eisen extrahierten sie chemisch aus einem Stück Kupfer, das von 1980 bis 1992 als „Strahlstopper“ für energiereiche Protonen am PSI diente.

Nach dieser speziellen chemischen Aufbereitung am PSI beobachteten die Forscher mit einem besonders empfindlichen Gamma-Spektrometer knapp drei Jahre lang die Anreicherung des Materials mit Kobalt-60, dem unmittelbaren Zerfallsprodukt des radioaktiven Eisens. Zudem wurde am PSI die

Gesamtzahl an Eisen-60-Atomen genau bestimmt. Aus den Ergebnissen ihres aufwändigen Experimentes konnten die Wissenschaftler die Eisen-60 Halbwertszeit mit einer Unsicherheit von weniger als zwei Prozent berechnen – und erlebten eine Überraschung.

Überraschung: Halbwertszeit viel kürzer

Wie sich herausstellte liegt die Halbwertszeit mit 2,6 Millionen Jahren 75 Prozent über dem bisher angenommenen Wert. Dieses Ergebnis könnte dazu führen, dass bisherige Untersuchungen zu kosmischen Vorgängen neu bewertet werden müssen: zum Beispiel die Entstehung der chemischen Elemente und die Erkenntnisse über Supernovae, die sich in der Vergangenheit in der Nähe des Sonnensystems ereigneten.

(Excellence Cluster „Universe“, 27.08.2009 – NPO)

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