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Medizin

Erstes Medikament gegen Kobra-Bisse gefunden

Herz-Kreislauf-Medikament hemmt wesentliche Komponente des Speikobra-Giftes

Speikobra
Das Gift von Speikobras kann schwere Gewebeschäden verursachen. © Marius Burger, gemeinfrei

Gefährlicher Biss: Wissenschaftler haben die erste wirksame Behandlung gegen den Biss einer Speikobra gefunden. Der Schlüssel liegt demnach in einem Medikament, das ursprünglich zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt wurde. Mit seiner Hilfe lassen sich die massiven Gewebeschäden verhindern, die normalerweise durch das Kobra-Gift entstehen. Das Gegenmittel soll sogar schon überraschend bald zu diesem Zweck zum Einsatz kommen.

Jährlich sterben Schätzungen zufolge rund 138.000 Menschen durch Schlangenbisse. 400.000 weitere überleben zwar, tragen aber Langzeitschäden wie Erblindung, Gewebeschäden oder in deren Folge amputierte Gliedmaßen davon. In Afrika gehen solche Langzeitschäden vor allem auf das Konto von Speikobras. Ihr Gift sorgt dafür, dass sich Haut, Muskeln und Knochen rund um die Bissstelle zersetzen beziehungsweise absterben.

Noch existiert allerdings keine wirksame Behandlung gegen den Biss einer Speikobra. Alle gängigen Gegengifte sind auf die Bisse anderer Schlangenarten ausgelegt und außerdem nicht zur Verhinderung einer lokalen Nekrose geeignet.

Gefährliches Toxin-Teamwork

Doch Forschende um Keirah Bartlett von der Liverpool School of Tropical Medicine haben nun einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem sich Todesfälle und Langzeitschäden auch infolge eines Speikobra-Bisses verhindern lassen könnten. Dafür analysierte das Team zunächst die molekulare Zusammensetzung des Giftes und ermittelte, welche Komponenten genau für das Absterben des Gewebes nach einem Biss verantwortlich sind.

Dabei stellte sich heraus, dass das Kobragift seine verheerende Wirkung dem Zusammenspiel zweier Toxingruppen zu verdanken hat: den Drei-Finger-Toxinen, die bis zu 85 Prozent der Gesamt-Toxinmenge ausmachen und Zellmembranen zerstören, und den Phospholipasen-A2-Toxinen (kurz PLA2). Diese Enzyme verstärken offenbar die Wirkung der Drei-Finger-Toxine und verursachen auch selbst Gewebenekrosen.

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Ein Medikament gegen Kobra-Bisse

Um das Gewebe rund um die Bissstelle zu schützen, bräuchte es daher einen Wirkstoff, der beide Toxine zuverlässig hemmt. Bei Drei-Finger-Toxinen gestaltet sich das aufgrund ihrer molekularen Eigenschaften zwar noch schwierig, doch dafür existiert bereits ein Mittel, das nachgewiesenermaßen gegen PLA2 wirkt. Ursprünglich ist dieses Varespladib genannte Medikament gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt worden, doch seine PLA2-hemmende Wirkung hat es vor ein paar Jahren in den Fokus der Schlangengift-Forschung gerückt.

Wie Experimente an Mäusen belegen, scheint Varespladib auch im Zusammenhang mit Speikobra-Bissen wirksam zu sein. Tiere, denen zuvor Kobragift injiziert worden war, entwickelten durch das Medikament deutlich geringere Gewebeschäden als die Vergleichsgruppe, die kein Varespladib erhalten hatte. Dieser Effekt zeigte sich auch, wenn das Medikament erst eine Stunde nach dem simulierten Biss gespritzt wurde, wie Bartlett und ihr Team berichten.

Zulassung ist bereits auf dem Weg

Da Varespladib durch vorangegangene Forschung bereits kurz vor der Zulassung bei Schlangenbissen steht, könnten Betroffene sogar schon sehr bald von seiner hemmenden Wirkung profitieren. Einer der großen Vorteile des Mittels liegt laut Forschungsteam auch darin, dass es sich nicht nur als intravenöse Infusion, sondern ebenso per normaler Spritze verabreichen lässt. Dadurch könnten Gebissene direkt vor Ort behandelt werden und müssten nicht erst lange Wege bis zum nächsten Krankenhaus auf sich nehmen.

In einem nächsten Schritt wollen Bartlett und ihr Team nun noch Wege finden, neben den PLA2-Toxinen auch die Drei-Finger-Toxine im Gift der Speikobras wirksam zu hemmen. Langfristig ließe sich so eine verbesserte Version von Varespladib entwickeln, die Gewebeschäden nicht nur reduziert, sondern komplett verhindert und so auch das Sterberisiko weiter senkt. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2315597121

Quelle: Lancaster University

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