Welche Lebenserfahrungen können unseren Charakter prägen? Können wir unser Schicksal auch selbst in die Hand nehmen und aktiv an unserer Persönlichkeit arbeiten? Denn ob erfolgreicher, lustiger oder schöner – die meisten Personen würden vermutlich sofort die eine oder andere Sache einfallen, die sie gerne an sich ändern würden.
Wunsch nach Entspanntheit, Sorgfalt und Aufgeschlossenheit
Dass der Wunsch nach Veränderung der eigenen Persönlichkeit weit verbreitet ist, spiegelt sich unter anderem in den hohen Verkaufszahlen von Selbsthilfebüchern wider.
Im Jahr 2021 beispielsweise erwirtschafteten die Anleitungen zum Organisierter-, Gelassener- oder Beliebterwerden allein in Deutschland mehr als 700 Millionen Euro. Auch Studien belegen, dass die sich meisten Teilnehmenden am liebsten in allen fünf Persönlichkeitsdimensionen des OCEAN-Modells etwas an sich ändern würden. „Für jede Dimension hegen weniger als 13 Prozent der Teilnehmer den Wunsch, so zu bleiben, wie sie jetzt sind“, berichten die Persönlichkeitspsychologen Nathan Hudson und Chris Fraley von der University of Illinois.
Dabei scheinen allerdings einige Charakterzüge beliebter zu sein als andere. So wären fast alle Menschen gerne gewissenhafter, extravertierter und emotional stabiler, einige wünschen sich auch mehr Offenheit für neue Erfahrungen. Laut der Forscher sind dies auch Eigenschaften, die im Allgemeinen sozial erwünscht und mit Erfolg und Ansehen assoziiert sind. Nur der Hang zur Verträglichkeit scheint für viele ein zweischneidiges Schwert darzustellen: Während einige Individuen gerne mehr auf ihre Mitmenschen eingehen würden, wünschten sich sechs Prozent der Teilnehmenden sogar eine niedrigere soziale Verträglichkeit.
Offener werden durch Auslandsjahr
Um sich den Wunsch nach mehr persönlicher Offenheit, Geselligkeit oder Sorgfalt zu erfüllen, nutzen Menschen unterschiedliche Strategien. Einige begeben sich beispielsweise in Situationen, die die gewünschten Eigenschaften automatisch fördern. So könnte man hoffen, bei einem Auslandsaufenthalt etwa offener und verträglicher zu werden, da man dort häufig auf Leuten mit komplett anderen Lebensrealitäten trifft und mit ihnen klarkommen muss.
Dass diese Strategie funktionieren kann, zeigt auch eine Studie von einem Team um Esther Niehoff von der Leuphana Universität in Lüneburg. Sie untersuchten ein Semester lang die Big-Five-Eigenschaften von 221 deutschen Studierenden. Das Ergebnis: „Der Aufenthalt im Ausland steigerte die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden. Des Weiteren führte eine hohe Anzahl der wöchentlichen sozialen Kontakte zur Entwicklung einer höheren Selbstwirksamkeit im Auslandsjahr.”
Allerdings kann, wenn man zu sehr gegen die eigene Natur handelt, auch ein gegenteiliger Effekt eintreten. Wenn sich beispielsweise eine verschlossen, schüchterne Person ins Ausland oder auch nur auf eine wilde Party zwingt, wird sie in der Stresssituation vermutlich in alte Verhaltensmuster zurückfallen und sich während dieser Erfahrungen drei Monate in ihr Zimmer verkrümeln oder bei der Party schweigend in der Ecke stehen, statt aufzublühen. Derartige negative Erfahrungen könnten der gewünschten Verhaltensänderung dann wiederum dauerhaft im Wege stehen.
Eigenständiges Ändern der Persönlichkeit
Doch was tut man dann als schüchterne Person, die gerne offener werden will? Laut Hudson und Fraley ist die beste Strategie ein konkreter Plan. In einer Studie aus dem Jahr 2015 ließen sie hierfür Studienteilnehmende ihre Big-Five-Eigenschaften bewerten und angeben, welche dieser Persönlichkeitsdimensionen sie gerne an sich ändern würden – ob sie etwa zugänglicher, kreativer oder flexibler werden wollten. Darauf basierend erarbeiten Teilnehmer gemeinsam mit den Forschern Pläne, um diese Eigenschaften gezielt zu stärken.
Das Ergebnis: Es war zentral für den Erfolg, dass die Teilnehmenden sich realistische und konkret überprüfbare Verhaltensweisen als Ziel setzten, beispielsweise „Ich lächle und lache mit anderen.“ oder „Ich mische mich bei sozialen Events unter die Leute“, wenn man extravertierter werden wollte.
Waren die selbst gesteckten Ziele konkret genug und blieben die Teilnehmenden am Ball, ließen sich tatsächlich Erfolge verzeichnen. „Es zeigte sich, dass Personen, die das Ziel formulierten, sich in Bezug auf eine der Big-Five-Persönlichkeitseigenschaften zu verbessern, in den darauf folgenden 16 Wochen eine tatsächliche Verbesserung ihrer Selbsteinschätzungen zu dieser Eigenschaft sowie ihres täglichen Verhaltens erfuhren“, berichten die Forscher. Die Änderungen der Eigenschaften blieben allerdings trotzdem eher moderat. Auch, ob längerfristige Bemühungen die Eigenschaften der Personen stärker ändern würden oder ob mit der Zeit abnehmender Grenznutzen auftreten würden, ist noch nicht abschließend geklärt.