Psychologie

Vom wilden Rebellen zum liebevollen Opa

Wie sich Persönlichkeit im Lauf des Lebens ändert

Ist unsere Persönlichkeit schon von Kindesbeinen an ausgeprägt? Und wie stabil oder veränderlich ist sie durch Einflüsse und Erfahrungen im Verlauf unseres Lebens?

Lehrerin vor Schulklasse
In einer Studie bewerteten Lehrende vor über 60 Jahren die Charaktereigenschaften ihrer Schüler. © Heinscher/ Bundesarchiv, Bild 183-S75969/ CC-BY-SA 3.0

Zwar sind einige Aspekte unseres Charakters angeboren, andere jedoch nicht. Während man bis vor kurzem dachte, dass der Charakter eines Menschen bis zum Alter von 30 Jahren fast komplett ausgebildet ist, zeigen jüngste Studienergebnisse das Gegenteil: Im Experiment wurden Lehrkräfte gebeten, den Charakter ihrer Schüler einzuschätzen. Fast 60 Jahre später machten wiederholten einige der Schüler den Test – dieses Mal allerding mittels Selbstauskünften. Das Ergebnis: Fast keine ihrer Eigenschaften waren gleich geblieben – die ehemaligen Schüler hatten sich in Bezug auf ihre Persönlichkeit oft fast zur Unkenntlichkeit verändert. Doch was hat aus den unsicheren, aber interessanten Teenagern im Alter selbstbewusste, aber langweilige Charaktere gemacht?  

Aus unfreundlichen Chaoten werden ordnungsliebende Charmeure 

Tatsächlich gibt es eine bestimmte, typische Charakterentwicklung, die viele Menschen an den Tag legen: Im jungen Erwachsenenalter verändern sich demnach vor allem diejenigen Individuen, die dem sogenannten unterkontrollierten Persönlichkeitstyp zugeordnet werden können. Diese zeichnen sich durch eine geringe Verträglichkeit und eine geringe Gewissenhaftigkeit aus. „Etwa 40 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland haben eine unterkontrollierte Persönlichkeit“, sagt Jule Specht, Professorin für Psychologie an der FU Berlin. „Ab einem Alter von etwa 30 Jahren reifen aber viele dieser jungen Rebellen zu resilienten Persönlichkeiten heran.“

Punk mit Bier in der Hand
Punks wird von vielen Menschen eine rebellische Persönlichkeit unterstellt. © Ritzii

Solche resilienten Individuen seien leistungsfähig, hätten ein hohes Selbstwertgefühl und litten nur selten unter psychischen Problemen.  

Im hohen Alter ändert sich die Persönlichkeit dann noch einmal stark. „Anders als bei den jungen Erwachsenen folgen die Persönlichkeitsveränderungen bei den Senioren jedoch keinem typischen Reifungsmuster“, erklärt Specht. Vielmehr beobachteten Psychologinnen und Psychologen bei älteren Versuchspersonen im Verlauf von vier Jahren eine große Bandbreite von Persönlichkeitsveränderungen. Der Grund ist noch unklar, doch einige mögliche Erklärungen lassen sich bereits ausschließen. „Gesundheitsveränderungen, Großelternschaft und Renteneintritt scheinen eine überraschend kleine Rolle dabei zu spielen“, sagt Specht. 

Der Job macht sorgfältig, die Ehe macht verschlossen 

Einen starken Einfluss auf die Persönlichkeit hat außerdem der Berufseinstieg. „Erstaunlicherweise haben wir festgestellt, dass der Job die Persönlichkeit stärker verändert als familiäre Ereignisse“, sagt die Forscherin. So nimmt bei Personen um die 30 vor allem der Charakterzug der Gewissenhaftigkeit zu. Das hat nach Angaben der Psychologin mit den sozialen Erwartungen zu tun, denen wir dort ausgesetzt sind – wir passen unsere Persönlichkeit an die neue Rolle an, um sie bewältigen zu können. Denn im Job muss man pünktlich sein, sorgfältig, die Dinge, die man sagt, dass man sie tut, auch tatsächlich tun. Und diese Einstellung färbt auch auf andere Lebensbereiche ab. 

Doch auch die Familiensituation beeinflusst den Charakter: So führt die Ehe laut Specht mit der Zeit dazu, dass die Partner weniger offen für neue Erfahrungen sind.

Familie mit Kindern
Der ordentliche Eindruck täuscht, denn nach dem Kinderkriegen werden Eltern erst mal für eine Weile weniger gewissenhaft. © skynesher/ iStock

Nicht sehr überraschend: Die Partner werden auch weniger gesellig. Verblüffend wirkt auf den ersten Blick allerdings folgendes Ergebnis: Nach der Geburt eines Kindes nimmt die Gewissenhaftigkeit junger Eltern eher ab. Aber weshalb? „Wir erklären das bisher so: Junge Eltern wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen und müssen sich erst in die neue komplexe Rolle einfinden“, sagt die Psychologin. 

Machen Krisen stärker? 

Auch andere Ereignisse können den Charakter beeinflussen, allerdings nicht immer zum Guten. Die Idee, man müsse erst einmal Schweres durchmachen, um stark zu werden, ist weit verbreitet. Doch die Forschung deutet in die entgegengesetzte Richtung: Individuen, die Schlimmes erlebt haben, wie zum Beispiel eine schwere Krankheit, den Tod einer nahestehenden Person, sind danach in der Regel nicht resilienter und selbstbewusster, sondern eher sorgenvoller, verletzlicher und ängstlicher. Auch ihr allgemeines Wohlbefinden sinkt.  

Glückspilze, die es im Leben immer leicht hatten, haben hingegen im Schnitt auch ein höheres Wohlbefinden und können sich daher besser auf Herausforderungen und veränderte Lebensumstände einstellen. Eine Eigenschaft, die sich vermutlich viele wünschen. 

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
Der Einfluss der Persönlichkeit

So bin ich eben
Wie entsteht Persönlichkeit?

Die Vermessung der Eigenschaften
Wie Persönlichkeitstests den Charakter erklären sollen

Besorgte Menschen hören Punk und Metal
Welchen Einfluss hat die Persönlichkeit auf den Lebensweg und Vorlieben?

Vom wilden Rebellen zum liebevollen Opa
Wie sich Persönlichkeit im Lauf des Lebens ändert

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Kann man seinen Charakter aktiv verändern?

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