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Chemie

Polyester wird umweltfreundlicher

Chemiker entwickeln neue Kunststoff-Variante mit hoher Stabilität, aber guter Abbaubarkeit

Kunststoff
Eine neue Polyester-Variante ist stabil wie gängige hochdichte Kunststoffe, aber weit besser recycelbar und biologisch abbaubar. Sie lässt sich zudem aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen. © Kriengsak Tarasri/ Getty images

Stabil, aber kompostierbar: Chemiker haben eine neue Variante des vielgenutzten Kunststoffs Polyester entwickelt, der Plastik deutlich umweltfreundlicher machen könnte. Denn das neue Material ist zwar ähnlich kristallin und stabil wie hochdichtes Polyethylen (HDPE), kann aber dank Sollbruchstellen in den Polymerketten weit besser recycelt und innerhalb weniger Tage bis Wochen biologisch abgebaut werden – sogar in Kompostieranlagen.

Um den Plastikmüll nicht noch weiter anwachsen zu lassen, suchen Wissenschaftler schon seit längerem nach umweltverträglicheren Alternativen. Doch das ist nicht einfach: Viele Biokunststoffe werden zwar aus nachwachsenden Rohstoffen produziert, sind aber dennoch weder klimafreundlich noch ungiftig. Auch mit dem biologischen Abbau dieser Plastikmaterialien hapert es noch. Zudem sind Biokunststoffe längst noch nicht überall einsetzbar.

Stabilität versus Abbaubarkeit

Das Problem: Für viele Anwendungen werden besonders harte, widerstandfähige Kunststoffe benötigt. Sie bestehen meist aus wasserabweisenden Polymeren, deren Ketten mittels Wasserstoffbrücken eine kristallartige Struktur bilden. Ein Beispiel dafür ist hochdichtes Polyethylen (HDPE), aus dem Plastikflaschen für Reinigungsmittel, stabile Folien, Plastikrohre und mittels Spritzguss hergestellte Haushaltswaren und Verpackungen produziert werden.

Doch die große Stabilität bedeutet auch, dass diese Kunststoffe kaum abbaubar sind – sie bleiben über Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Umwelt, ohne zersetzt zu werden. „Die Kristallinität in Kombination mit dem wasserabweisenden Charakter bremst in der Regel die biologische Abbaubarkeit der Materialien stark, weil sie die Zugänglichkeit der Sollbruchstellen für Mikroorgansimen erschwert“, erklärt Seniorautor Stefan Mecking von der Universität Konstanz.

Sollbruchstellen erleichtern Recycling und Abbau

Eine Lösung für dieses Dilemma könnte nun das Team um Mecking und Erstautor Marcel Eck gefunden haben. Sie bauen chemische „Sollbruchstellen“ in die Polymerketten ein. Diese bieten Ansatzstellen für das Aufbrechen der Struktur im Rahmen des Recyclings oder des biologischen Abbaus, ohne dass sie die stabile, kristalline Struktur des Kunststoffs stören. Eine erste Variante solcher Kunststoffe hat sich bereits als gut recycelbar erwiesen, war aber noch nicht biologisch abbaubar.

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Jetzt ist den Chemikern auch der zweite Schritt gelungen: Sie haben einen neuen Polyester entwickelt, der industriell gefragte Materialeigenschaften und gute Umweltverträglichkeit in einem Material vereint. Der neue Kunststoff, Polyester-2,18, besteht aus zwei Grundbausteinen, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden können: der aus 18 Kohlenstoffatomen aufgebauten Dicarbonsäure 1,18-Octadecanedi-Carboxylsäure und dem zwei Kohlenstoffatome enthaltenden Ethylenglykol.

Durch die Verkettung dieser Grundeinheiten entsteht ein Polymer, das ähnlich wie das hochdichte Polyethylen eine kristalline Struktur aufweist und daher eine hohe mechanische Stabilität und Temperaturbeständigkeit besitzt. In Tests zeigte das PE-2,18 eine ähnlich hohe Druck- und Zugfestigkeit wie HDPE, wie Eck und seine Kollegen berichten.

Abbau
Abbau des Polyesters PE-2,18 durch Enzyme (oben) und Kompostmikroben. © Eck et al. /Angewandte Chemie, CC-by-nc-nd 4.0

Zersetzung durch Enzyme oder Kompost-Mikroben

Noch wichtiger jedoch: Trotz dieser hohen Kristallinität und Festigkeit ist der Polyester überraschend gut biologisch abbaubar, wie Laborversuche mit natürlicherweise vorkommenden Enzymen und Tests in einer industriellen Kompostieranlage zeigten. So konnte der Kunststoff durch die Enzyme im Laborversuch innerhalb weniger Tage abgebaut werden. Die Mikroorganismen in der Kompostieranlage benötigten etwa zwei Monate.

„Wir waren selbst über diese schnelle Abbaubarkeit erstaunt“, sagt Mecking. „Natürlich lassen sich die Ergebnisse aus der Kompostieranlage nicht eins zu eins auf jede erdenkliche Umweltsituation übertragen. Sie belegen dennoch die biologische Abbaubarkeit des Materials und deuten darauf hin, dass es um ein Vielfaches weniger persistent ist als Kunststoffe wie HDPE, sollte es einmal unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen.“

Alternativen sind machbar

Auch wenn noch weitere Untersuchungen zur Abbaubarkeit unter verschiedenen Umweltbedingungen folgen müssen: Nach Ansicht des Forschungsteams demonstriert ihr neuer Kunststoff, dass man Plastikmaterialien herstellen kann, die den klassischen Polyethylen-Kunststoffen in puncto Festigkeit nicht nachstehen, aber die dennoch besser recycelbar und biologisch abbaubar sind.

Anwendungsmöglichkeiten für das neue Material sehen die Chemiker zum Beispiel im 3D-Druck oder bei der Herstellung von Verpackungsfolien. (Angewandte Chemie International Edition, 2022; doi: 10.1002/ange.202213438)

Quelle: Universität Konstanz

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