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Biologie

Raffinierte Fangstrategien von Mückenlarven enthüllt

Katapultierender Kopf und fegender Hinterleib verhelfen räuberischen Larven zu ihrer Beute

Mückenlarven
Beutefang mit Kopf-Katapult und Schwanzschlag: Fangstrategien von Mückenlarven. © Hancock et al 202/ Annals of the Entomological Society of America

Skurrile Fangmethoden: Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, das Jagdverhalten räuberischer Mückenlarven hochauflösend zu filmen und zu analysieren. Dies enthüllte zwei sehr ungewöhnliche Strategien des Beutefangs. Zwei der untersuchten Stechmücken-Arten jagen demnach, indem sie ihren Hals plötzlich ausstrecken und ihren Kopf auf die Beute schleudern. Eine dritte Art fegt bei der Jagd mit dem Hinterleib in Richtung ihres Kopfes und wischt die Beute so direkt zu ihren Mundwerkzeugen.

Bevor Stechmücken ausreifen und zum fliegenden Plagegeist werden, verbringen sie ihre Jugend in stehenden Gewässern wie Überschwemmungsgebieten, Tümpeln oder auch Blumentöpfen. Die meisten Stechmücken fressen in diesem Larvenstadium Algen, Bakterien und andere Mikroorganismen. Manche Arten leben allerdings räuberisch und ernähren sich von Wasserinsekten – auch von anderen Mückenlarven. Ihr Beutefang dauert dabei nur den Bruchteil einer Sekunde, weshalb es lange Zeit schwierig war, die mikroskopisch kleine Jagd genauer zu beobachten und mehr über die Mechanismen dahinter zu erfahren.

SAbethes-Larve
Einige Mückenlarven greifen selbst ihresgleichen an, wie hier rechts eine Sabethes-Larve. © Hancock et al 202/ Annals of the Entomological Society of America

Mit modernster Technik aufgenommen

Doch ausgestattet mit modernsten Kameras und Mikroskopen ist es Robert Hancock von der Metropolitan State University of Denver und seinem Team nun gelungen, die Jagd mitzuverfolgen. Da der Beutefang der Mückenlarven nur etwa 15 Millisekunden dauert, mussten die Wissenschaftler die mit einer Highspeed-Kamera erstellten Aufnahmen zunächst stark verlangsamen. Dadurch konnten sie schließlich als Erste die genauen Bewegungsabläufe der Tiere beobachten.

Hancock und seine Kollegen filmten auf diese Weise Mückenlarven dreier Arten. Toxorhynchites amboinensis und Psorophora ciliata ernähren sich als obligate Räuber ausschließlich von anderen Insektenlarven, weshalb sie besonders gut an den Beutefang angepasst sind. Die dritte untersuchte Art, Sabethes cyaneus, ist ein fakultativer Räuber und frisst neben Wasserinsekten auch Mikroorganismen.

Ein Kopf wie eine Harpune

Eine besonders skurrile Jagdstrategie beobachteten die Forschenden bei den Toxorhynchites- und Psorophora-Arten. Beide fangen ihre Beute, indem sie plötzlich den Hals ausstrecken und dadurch ihren Kopf vom Körper weg und auf die Beute zu schleudern. Dabei spreizen die Larven sowohl ihre Mandibeln, spezielle Mundwerkzeuge, als auch mehrere schnurrhaarähnliche Bürsten, die dann bei der Kollision mit der Beute zuschnappen.

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Der Kopfvorstoß dieser Mückenlarven erinnert damit ein wenig an den Wurf einer Harpune. Er entsteht vermutlich, indem die Mückenlarven Druck in ihren Bauchsegmenten aufbauen und diesen dann ruckartig in Richtung Kopf verlagern. Als Folge komprimieren sich die Bauchsegmente, während sich der Nacken verlängert und den Kopf nach vorn katapultiert, wie das Team erklärt. Diese Angriffsstrategie könnte es den Mückenlarven dieser Arten erleichtern, auch relativ große Beute aus unmittelbarer Nähe anzugreifen.

Dank dieser Jagdstrategie und ihrer proteinreichen Ernährung wachsen die Toxorhynchites- und Psorophora-Larven zu den größten Stechmücken der Welt heran. Eine einzige Toxorhynchites-Larve verschlingt bis zu 5.000 Beutetiere, bevor sie sich zur ausgewachsenen Stechmücke entwickelt. Die Tiere standen deshalb bereits in der Diskussion, gezielt gegen Mückenlarven eingesetzt zu werden, die im Erwachsenenstadium Krankheitserreger übertragen.

Eine Toxorhynchites amboinensis-Larve attackiert ihre Beute, indem sie ihren Kopf zu ihr katapultiert.© Science X: Phys.org, Medical Xpress, Tech Xplore

Fegender Hinterleib

Sabethes-Mückenlarven bedienen sich einer anderen Jagdtechnik. Sie fangen ihre Beute, indem sie ihren gesamten Hinterkörper als Fangorgan einsetzen. Sie fegen mit dem Schwanz, auch Siphon genannt, in Richtung ihres Kopfes und transportieren dabei die daran hängen bleibende Beute zu ihrem Mund. Die Beutetiere erwarten dort geöffnete Mundwerkzeuge, mit denen die Larve schließlich zuschnappt.

Dass der Siphon bei der Beutejagd eine so zentrale Rolle spielt, war eine große Überraschung für Hancock und sein Team. Normalerweise dient er als eine Art Atemröhre, wenn die Mückenlarven kopfüber an der Wasseroberfläche hängen. Sie vermuten, dass die Sabethes-Mückenlarven ihre Schwanzfeger-Strategie entwickelt haben, um so auch verschieden große Beute und Futterpartikel gut einfangen zu können. „Ihre Nutzung des Siphons und des gesamten Bogens ihres Larvenkörpers ermöglicht ihnen eine Spannbreite an Beutegrößen, die die von Toxorhynchites- und Psorophora-Larven übertrifft“, erklären die Biologen.

Reflexartige Angriffe

Da beide Angriffsmuster, der harpunenartige Kopfvorstoß und die fegende Schwanzbewegung, nur wenige Millisekunden dauern, schließt Hancock auf ein reflexartiges Verhalten der Mückenlarven. Das bedeutet, dass die Beute für die Mückenlarven einen Schlüsselreiz darstellt, der die Kopf- und Schwanzbewegungen dann automatisch auslöst. (Annals of the Entomological Society of America, 2022; doi: 10.1093/aesa/saac017)

Quelle: Entomological Society of America

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