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Biologie

Molekulare Identitätskrise: RNA-Enzym ohne RNA entdeckt

Mitochondriale „RNase P“ besteht aus Proteinen statt aus Ribonukleinsäure

Klassisches Ribozym © Frédéric Dardel/ GFDL

Ribozyme sind Enzyme auf der Basis von RNA – eigentlich. Doch wie sich jetzt herausstellt, ist die Ribonukleinsäure keineswegs immer ein Bestandteil dieser speziellen Enzymform. Entgegen der gängigen Lehrmeinung vermutete ein österreichisches Forscherteam schon seit Längerem, dass bestimmte Formen von des Ribozyms „RNase P“ keine RNA enthalten. Jetzt haben sie dies mit einer Reihe Experimente belegt, die im Fachjournal „Cell“ veröffentlicht wurden.

Ribozyme sind fast eine Art lebende Fossilien, denn diese Enzyme, deren Funktionalität auf RNA basiert, zeugen von einer lang vergangenen Zeit. Einer Zeit, als biochemische Vorgänge noch durch RNA-Moleküle gesteuert wurden. Später erst setzten sich die Proteine molekular in Szene. RNase P, ein Enzym, das Transfer-RNAs modifiziert, gilt als ein solches RNA-Enzym (Ribozym). Alle bisher charakterisierten Formen dieses Enzyms bestätigten die Vermutung über deren RNA-Anteil. Seit 20 Jahren gab es jedoch auch Indizien, die Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieser Entdeckung nährten und andeuteten, dass dieses Enzym nur aus Proteinen bestehen würde. Für Diskussion unter den ExpertInnen war gesorgt.

Ohne RNA geht’s auch

Jetzt scheint diese Diskussion beendet. Die Arbeitsgruppe von Professor Walter Rossmanith an der Medizinischen Universität Wien zog diesen Schlussstrich mit der gelungenen Identifikation der Bestandteile von RNase P aus menschlichen Mitochondrien. „RNase P besteht aus drei Proteinen, die gänzlich ohne RNA für die katalytische Aktivität des Enzyms sorgen“, erklärt Rossmanith. „Das herauszufinden war bisher nicht gelungen, da das Enzym aufgrund des losen Zusammenhalts seiner Bestandteile bei der Isolierung leicht zerfällt. Durch ein von uns entwickeltes Protokoll konnten wir nun dieses Problem umgehen. Das war der Durchbruch für die Identifizierung der Proteine.“

Johann Holzmann, Doktorand im Team von Rossmanith, ergänzt: „Die schwierigste Aufgabe war es, die Proteine aufzuspüren, danach ging es schnell. Wir produzierten die einzelnen Proteine getrennt in Bakterien, isolierten sie und stellten aus ihnen die mitochondriale RNase P im Reagenzglas wieder her. Damit gab es für uns keine Zweifel mehr: Mitochondriale RNase P kommt ohne RNA aus.“

Das Rad neu erfunden

Die Identität der drei Proteine beantwortete zusätzlich eine bislang ungelöste Frage der molekularen Evolutionsforschung: Wie wird ein Ribozym durch ein Protein-Enzym ersetzt? Die Antwort, die sich aus den Daten ergibt, ist, dass die aus Proteinen bestehende mitochondriale RNase P sich parallel zum Ribozym entwickelt hat. Am Ende ersetzte sie diese. Interessant ist, dass die drei Proteinkomponenten aus ganz verschiedenen Stoffwechselwegen rekrutiert wurden und dass sie dabei trotzdem ihre ursprünglichen Funktionen beibehalten haben.

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„Wir bezeichnen die mitochondriale RNase P auch als Patchwork-Enzym, weil sie wie ein Flickwerk aus ein paar gerade zur Verfügung stehenden Bestandteilen zusammengestellt erscheint“, ergänzt Rossmanith. Unklar bleibt, warum nur RNase P in den Mitochondrien von Tieren und nicht sämtliche Ribozyme durch Protein-Enzyme ersetzt wurden. Somit stehen die Ergebnisse dieses Projektes ganz am Anfang einer Reihe von Fragen – und Antworten.

(Wissenschaftsfonds FWF, 05.11.2008 – NPO)

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