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Medizintechnik

Kohlenstoffnadel gegen Bandscheibenvorfall

Neuartige Punktionsnadel soll Eingriffe erleichtern

Einlumige, Kohlenstofffaser-verstärkte Punktionsnadel © Fraunhofer IPT

Manchmal fängt es mit leicht ziehenden Schmerzen im Rücken an, manchmal geht von einem Augenblick zum anderen nichts mehr: ein Bandscheibenvorfall. Nicht immer muss der Patient gleich unter das Messer. Es gibt effektive Alternativen zu einer Operation. Zum Beispiel die Punktion der Bandscheiben. Dabei werden mit einer dünnen Nadel Medikamente an die entzündete Stelle im Körper gespritzt. Eine neue Punktionsnadel aus Kohlenstofffaser verstärktem Kunststoff soll diese Eingriffe jetzt erleichtern.

Minimalinvasive Operationstechniken, bei denen der Arzt durch einen kleinen Zugang an die zu behandelnde Region gelangt, bieten für den Patienten deutliche Vorteile: Sie senken das Risiko von Blutungen und Wundinfektionen und verheilen schneller. Allerdings benötigt der Mediziner ein Bild vom Operationsgebiet, um den Eingriff ständig kontrollieren und die Instrumente exakt positionieren zu können. Dafür nutzen die Ärzte bildgebende Verfahren wie die Magnet-resonanz-Tomographie (MRT), die Computertomographie oder Röntgenverfahren. Besonders vorteilhaft für den Patienten ist dabei die MRT, denn sie kommt ohne schädigende ionisierende Strahlung aus.

„Problem war jedoch, dass herkömmliche metallische Instrumente das Magnetfeld des MRT beeinflussen und im Bild Störungen, die Artefakte, hervorrufen“, erklärt Sebastian Schmitz vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT. „Die Aufgabe war deshalb, Instrumente aus Faserverbundwerkstoffen für den Einsatz im Tomographen zu entwickeln. Denn dieses Material ermöglicht dem Arzt freie Sicht.“

Doch wie fertigt man eine Punktionsnadel aus Kohlenstofffaser verstärktem Kunststoff, die ebenso steif und fest ist, wie eine Nadel aus Edelstahl? Die Ingenieure vom IPT entwickelten ein neues Herstellungsverfahren. Bis zu achttausend einzelne Kohlenstofffasern werden mithilfe eines miniaturisierten Pultrusionsverfahrens verarbeitet: Die Fasern werden mit einem Kunststoff, genauer gesagt einem Duroplast, getränkt. Durch Erhitzen härtet er aus. Gleichzeitig wirkt ein hoher Druck, um die Fasern zusammen und in Form zu pressen. Beide Vorgänge müssen gleichzeitig ablaufen ohne sich gegenseitig zu behindern. Um Arbeitskanäle in die Nadeln einzubringen, verwenden die Ingenieure vom IPT Hohlglasfasern, die zusammen mit den Kohlenstofffasern verarbeitet werden. Auf dieser Basis läuft heute die Serienfertigung der patentierten Nadeln.

Die fertige Nadel mit einem Arbeitskanal hat einen Durchmesser von 0,8 Millimeter. Nadeln mit drei Kanälen sind mit 1,2 Millimeter nur ein wenig dicker. In einem Kanal befindet sich beispielsweise ein Endoskop. Dieses beleuchtet das zu behandelnde Gewebe. Das reflektierte Licht gelangt auf dem gleichen Weg zu einer Kamera, und der Operateur sieht auf dem Monitor ein bewegtes Bild. Die Faser des zweiten Kanals leitet Laserlicht. Mit ihm kann der Chirurg Gewebe schneiden oder schweißen. Durch den dritten Kanal bringt er Spülflüssigkeiten oder Medikamente ein. So lassen sich mehrere Behandlungsschritte gleichzeitig durchführen und überwachen.

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Die Partner im InnoNet-Verbund entwickelten noch weitere Technologien, zum Beispiel für eine biokompatible Beschichtung der Oberfläche und für den Anschliff der Nadelspitze. Denn die Schneide der Kunststoffnadel soll ebenso glatt in das Gewebe eindringen wie die Scheide an einer Nadel aus Edelstahl. Und das Team sorgte mit einer Fügetechnologie dafür, dass sich die Nadel problemlos an standardisierte Adaptermodule anschließen lässt. Gefördert wurde die Entwicklung der Nadel in einem InnoNet-Projekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Während beim IPT die Serienfertigung entwickelt wurde, kümmerte sich die Radimed GmbH um die Konformitätsbewertung, damit das neue Medizinprodukt ein CE-Zeichen erhält. Alle Hürden wurden genommen: Die Nadel erfüllt die strengen Anforderungen und Normen. Im Oktober 2006 war es soweit: Erste Einsätze am Patienten im Grönemeyer-Institut für Mikrotherapie und beim Münchner Orthopäden Dr. med. Martin Marianowicz, der die neue Punktionsnadel zur Schmerztherapie an der Wirbelsäule nutzt.

(Fraunhofer-Gesellschaft, 19.12.2006 – NPO)

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