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Mikrobiologie

Schlacht im Mund

Zahnmediziner analysieren Aggressivität von Bakterien

In jedermanns Mund tobt eine Schlacht: Dutzende Arten von Bakterien, mitunter auch Viren und Pilze, kämpfen um optimale Lebensbedingungen. Zu den Opfern zählen aber nicht nur die jeweils gegnerischen Mikroorganismen, sondern auch die Zähne und das Zahnfleisch des Menschen. Zahnmediziner untersuchen nun mithilfe der Massenspektrometrie, was während des „Gemetzels“ passiert und welche Bakterien und Pilze zusammen oder gegeneinander arbeiten. Dies könnte neue Wege in der Prävention von Mundkrankheiten eröffnen.

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„Dass wir Bakterien im Munde haben, ist nicht krankhaft“, erläutert Dr. Stefan Rupf, Oberarzt an der Poliklinik für konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. „Über die Normalbesiedelung mit Viren wissen wir bislang noch relativ wenig. Bekannt ist allerdings, dass Pilze problematisch sind. Bestimmte Bakterien hingegen, im Durchschnitt tummeln sich in der gesunden Mundflora 30 bis 50 Arten, brauchen wir sogar. Sie sind eine Art Schutztruppe gegen besonders aggressive Artgenossen sowie gegen Viren. Kritisch wird es erst, wenn viel mehr der rund 500 bekannten Bakterienarten über den Mund herfallen oder wenn einige dieser Arten die Oberhand gewinnen.“

Gute und böse Stämme

Nun sind die Schuldigen zwar längst ausgemacht. Für Karies beispielsweise sind vor allem die Mutans-Streptokokken verantwortlich. Doch jede Bakterienart gliedert sich in ganz verschiedene, unterschiedlich aggressive Stämme, die sich wiederum in Laufe der Zeit bis in die Genstruktur hinein verändern können. Bleibt also die Frage, wie man nicht nur die Anwesenheit bestimmter Bakterien registrieren, sondern so viel wie möglich über deren aktuelle Aggressivität erfahren kann.

Hier machen sich die Zahnmediziner ein Verfahren zu Nutze, das für die Feinanalyse von Bakterien- Unterarten eingesetzt wird: MALDI-TOF (Matrix Assisted Laser Desorption/Ionisation Time of Flight). Bei dieser Massenspektrometrie werden die zu analysierenden Substanzen – in diesem Fall die Eiweißbestandteile der Bakterien – mittels Laserenergie ionisiert. Die Ionen werden dann innerhalb eines Vakuums durch ein elektrisches Feld beschleunigt. Da einige der winzigen Teilchen schneller unterwegs sind als andere, werden sie auf diese Weise sortiert. Das Ergebnis solch einer Massenspektrometrie ist eine Grafik, auf der verschiedene Spitzen darauf hinweisen, welche Eiweiße bei einem bestimmten Bakterium besonders häufig vorkommen.

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Massenspektrometrie identifiziert Schädlinge

„Wir können also einerseits im Labor die Säureproduktion einzelner Bakterienstämme messen und andererseits parallel dazu über MALDI-TOF Massenspektrometrie deren Eiweißstruktur und, mit anderen Methoden, auch ihr Genom charakterisieren. Dann geht es ans Vergleichen“, erläutert Rupf den Fortgang der Analyse. „Wir werden herausbekommen, welche Stämme unter welchen Umständen besonders schädlich für Zähne und Zahnfleisch sind.“

Bleibt natürlich die Frage, inwieweit der Zahnmediziner mit diesem Wissen auch als „Schlachtenlenker“ auftreten und den „guten“ Bakterien helfen könnte, die „bösen“ aus dem Mund zu vertreiben. „Hier stehen wir noch ziemlich am Anfang“, dämpft Rupf die Hoffnung auf die maßgeschneiderte Killer-Pille. „Die Impfung von Patienten gegen Karies war bislang erfolglos. Auch das kontrollierte Einbringen von Bakterien in die menschliche Mundhöhle ist nicht ohne Risiko, denn sie könnten nicht nur die aktuelle Balance unkontrolliert verändern, sondern auch die Mundhöhle verlassen und sich in anderen Körperregionen ansiedeln. Ich vermute einen Lösungsansatz vor allem in der Identifizierung von Faktoren, die bekannte Bakterienstämme besonders aggressiv machen. Wenn man dies weiß, könnte man im Vorfeld pathologischer Veränderungen neue Wege der Prävention beschreiten.“

Lieber selten viel als oft wenig Süßes

Wer nun glaubt, er könne die Zahnbürste demnächst wegstecken, der irrt allerdings. „Nach wie vor spielt die Mundhygiene eine wichtige Rolle beim Kampf gegen Karies und Parodontitis“, so Rupf. „Für den Schutz vor Karies ist es zum Beispiel wichtig zu wissen, dass die Menge des Zuckers, den man isst – zumindest aus zahnmedizinischer Sicht – weniger bedeutsam ist als die Häufigkeit, mit der man den Bakterien neue Nahrung zuführt und sie so zur ständigen Säureproduktion animiert.“ Also zugespitzt: Lieber mal eine ganze Tafel Schokolade verschlingen als jede Stunde ein Stückchen auf der Zunge zergehen lassen.

(idw – Universität Leipzig, 07.09.2006 – AHE)

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