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GeoUnion

Geophysikerin Andrea Hampel im Interview

Erdbeben im Visier

Andrea Hampel vor einer tektonisch bedingten Abschiebung © Andrea Hampel / RUB

Die Geophysikerin Andrea Hampel erforscht die Häufigkeit von Erdbeben an seismisch aktiven Störungen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt ihre Arbeit an der Ruhr-Universität Bochum für die kommenden fünf Jahre durch das Emmy-Noether- Programm. In einem Interview gibt die Nachwuchswissenschaftlerin Auskunft über ihr aktuelles Projekt und ihren Werdegang.

g-o.de:

Sie untersuchen Erdbeben, die durch so genannte Massenumlagerungen ausgelöst werden. Was genau versteht man darunter?

Hampel:

Unter Massenumlagerungen oder Massenänderungen fallen alle Prozesse, die an der Erdoberfläche Gesteins-, Eis- oder Wassermassen umlagern, vergrößern oder verringern. Dazu gehören Erosion, Transport und Sedimentation von Gesteinsmaterial sowie der Vorstoß oder das Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden, die Bildung und Austrocknung großer Seen sowie Schwankungen des Meeresspiegels. Auf einer Zeitskala von 10-100 Jahren kommen noch anthropogene Änderungen wie die Anlegung großer Stausseen oder Tagebaue hinzu.

g-o.de:

Wieso entstehen hierdurch Erdbeben und welche Regionen sind besonders betroffen?

Hampel:

Änderungen in der Gesteins-, Eis- oder Wassermasse an der Erdoberfläche wirken sich auf das Spannungsfeld in der Erdkruste aus. Die Spannungsänderungen können so groß werden, dass sie die Bewegungsraten von Störungen und damit die Häufigkeit von Erdbeben auf aktiven Störungen beeinflussen. Besonders betroffen sind Regionen, die während der letzten Eiszeit von Eisschilden, großen Gletschern und Seen bedeckt waren, zum Beispiel die Basin and Range Province (USA), Skandinavien oder die Alpen.

Andrea Hampel © Andrea Hampel / RUB

g-o.de:

Was genau ist das Ziel Ihrer Arbeit und gibt es wichtige Teilprojekte in den kommenden fünf Jahren?

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Hampel:

Zusammen mit zwei Mitarbeitern möchte ich mit dreidimensionalen numerischen Modellierungen die Reaktion verschiedener Störungstypen wie Abschiebungen, Überschiebungen und Blattverschiebungen, auf Massenänderungen an der Eroberfläche untersuchen. Dabei kommen innovative Techniken aus den Ingenieurswissenschaften zur Anwendung, die die explizite Modellierung von Bruchzonen in der Erdkruste erlauben. Wir werten dann die Modellergebnisse im Hinblick auf die Bewegungsrate der Störung aus, um den direkten Vergleich mit geologischen Daten zu ermöglichen. Wichtige Teilprojekte sind die Quantifizierung des anthropogenen Einflusses sowie die Modellierung von Systemen mit mehreren Störungen, die sich gegenseitig in ihrer seismischen Aktivität beeinflussen und gleichzeitig durch Prozesse an der Erdoberfläche beeinflusst werden.

g-o.de:

Sie verbringen für die Modellierungen der Erdbeben sicherlich viel Zeit vor dem Computer. Wie wichtig sind denn heute noch Geländeaufenthalte vor Ort?

Hampel:

Geländestudien halte ich für unverzichtbar, auch wenn mein Emmy-Noether-Projekt keine Geländeaufenthalte beinhaltet. Jedoch wird die Nachwuchsforschergruppe eng mit mehr geländeorientierten Kooperationspartner wie Prof. B. Stöckhert (Ruhr-Universität Bochum), Prof. R. Hetzel (Universität Münster) und Prof. A. Pfiffner (Universität Bern) zusammenarbeiten. Diese untersuchen vor Ort die tektonischen Prozesse in Tibet, den Anden und Alpen sowie in der Ägäis und in der Basin and Range Province (USA). Der Vergleich der Modellergebnisse mit bekannten Bewegungsraten von Störungen in der Natur nimmt eine zentrale Stellung innerhalb des Projekts ein. Gleichzeitig hoffe ich umgekehrt, dass die Modellergebnisse Anstöße zur Erhebung neuer Daten an bisher weniger gut erforschten Störungen geben werden.
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g-o.de:

Im Rahmen Ihrer Dissertation über die Kollision des Nazca-Rückens mit dem peruanischen Kontinentrand waren Sie 10 Wochen mit dem Forschungsschiff SONNE vor der südamerikanischen Küste unterwegs. Was haben Sie damals herausgefunden?

Hampel:

Der peruanische Kontinentrand gehört zu den tektonisch aktiven Regionen und zeichnet sich durch das Auftreten starker Erdbeben aus. Verantwortlich dafür ist das Abtauchen der ozeanischen Nazca-Platte unter den südamerikanischen Kontinent. Der Nazca-Rücken ist ein submariner Höhenzug auf der Nazca-Platte, der vor Südperu mit dem Kontinent kollidiert. Die Kollisionszone ist durch eine deutliche Hebung der Küste um bis zu einem Kilometer gekennzeichnet. Durch meine Arbeit konnte ich nachweisen, dass der Nazca-Rücken einige Millionen Jahre früher zu subduzieren begann als bisher angenommen. Zudem hat die Subduktion des Rückens die tektonische Erosion am peruanischen Kontinentrand verstärkt. Die Forschungsreise mit der SONNE diente dazu, wichtige marin-geophysikalische Daten vor Ort zu erheben, um diese dann anschließend mit Laborexperimenten zu kombinieren.

g-o.de:

Als Frau gelten Sie in der Geophysik sicherlich als „Exot“. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Fach zu studieren?

Hampel:

Im Gegensatz zu anderen Naturwissenschaften ist der Frauenanteil in den Geowissenschaften relativ hoch, ich würde sagen, etwa ein Drittel der Studierenden, Promovierenden und Postdocs sind Frauen. Von daher habe ich mich bislang nicht als „Exot“ gefühlt. Geophysik habe ich aufgrund meines Interesses an den Prozessen, die den Planeten Erde formen, studiert, wobei die Aussicht auf Auslandsaufenthalte und Schiffsexpeditionen ein weiterer Anreiz war.

(GeoUnion / RUB / Andrea Hampel, 24.01.2006 – AHE)

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