Diamanten galten bisher als das härteste und am wenigsten komprimierbare Material auf der Erde. Forscher des Bayerischen Geoinstituts (BGI) der Universität Bayreuth haben nun Diamant-Nano-Röhrchen entdeckt, die dichter sind als alle bisher bekannten Formen von Kohlenstoff und zudem auch ihr Volumen unter extremem Druck kaum verringern.
Dichte und Verdichtbarkeit sind wesentliche Materialeigenschaften, mit denen schon jedes Kind, etwa beim Spielen mit Luftballons oder beim Formen von Sandkuchen, seine ersten Erfahrungen sammelt. Auch aus dem täglichen Leben wissen wir, dass gasförmige Stoffe sehr leicht zu komprimieren sind. Die Verbrennungsmotoren unserer Autos werden mit einem Kompressionsverhältnis von ungefähr neun zu eins betrieben, das Benzin-Luft-Gemisch wird also um das Neunfache verdichtet.
Dass sich Flüssigkeiten deutlich schwerer komprimieren lassen, können wir ebenfalls in unserem Auto erkennen. Auch bei einer kräftigen Vollbremsung nimmt das Volumen der Bremsflüssigkeit im hydraulischen Bremssystem normalerweise nicht ab. Noch schlechter verdichtbar sind Feststoffe. Sie und Flüssigkeiten gelten als nahezu unkomprimierbar.
Diamant als Rekordhalter abgelöst
Alle elastischen Eigenschaften eines Materials bestimmen gemeinsam, wie stark sich ein Material unter bestimmten äußeren Drücken komprimieren lässt. Das Maß für die relative Volumenänderung als Reaktion auf die Änderung eines von außen angelegten Druckes heißt Kompressibilität. Den Kehrwert der Kompressibilität bezeichnet man als den Kompressionsmodul.
Bisher hielt Diamant den Rekord als das härteste und am wenigsten komprimierbare Material. Zwischen Kompressionsmodul (K) und Härte (H) besteht eine offensichtliche Korrelation: Je größer H, desto größer auch K. Man hat oft festgestellt, dass sich positive Eigenschaften einer Materie noch verbessern, wenn die Materie in nano-kristalliner statt in makro-kristalliner Form vorliegt. Bisher war es schwer vorstellbar, dass es weitere, noch weniger kompressible Stoffe mit größeren Kompressionsmoduli als Diamant geben könnte.
Nano-Drähte und Nano-Röhrchen mit herausragenden Eigenschaften
In theoretische Studien wurden herausragende Eigenschaften von Nano-Drähten und Nano-Röhrchen (Bruchfestigkeit, Druckzähigkeit) prognostiziert, was diese Materialien zu wichtigen und realisierbaren Zielen von Synthese-Experimenten machten. Die Herstellung von Nano-Röhrchen aus verschiedenen Ausgangsmaterialien verläuft sehr erfolgreich; es gibt es bisher keine Erkenntnisse aus Experimenten mit Nano-Röhrchen aus Diamant.
Erste Erfolge bei der Synthese dieses neuartigen Materials aus aggregierten Diamant-Nano-Röhrchen (ADNR’s = aggregated diamond
nanorods) wurden kürzlich von Natalia Dubrovinskaia, Leonid Dubrovinsky und Falko Langenhorst, Wissenschaftler am Bayerischen Geoinstituts der Universität Bayreuth, vorgestellt. Zusammen mit Kollegen aus Grenoble/Frankreich und der Technischen Fachhochschule Wildau untersuchten sie die elastischen Eigenschaften des Materials.
Höhere Dichte als gewöhnlicher Diamant
Sie fanden heraus, dass dieses Material einen extrem hohen Kompressionsmodul und eine höhere Dichte als gewöhnlicher Diamant aufweist. Es wurde mittlerweile nachgewiesen, dass ADNR’s die dichteste bekannte Form des Kohlenstoffs darstellen und von allen bekannten Materialien die geringste Kompressibilität besitzen.
Die ADNR’s wurden in den speziellen Hochdruckpressen am Bayerischen Geoinstitut bei Drücken, wie sie im Erdinneren an der Grenze zwischen oberem und unterem Mantel (24 GPa – 240.000 atm) vorliegen, synthetisch hergestellt. Unter derartigen enormen Druckbedingungen würde sogar das Volumen von Wasser (Eis) um 35 Prozent, das von Stahl um elf Prozent und das von ADNR’s lediglich um circa vier Prozent verringert werden.
Die drei beteiligten Wissenschaftler haben ihre neu entwickelte Methode zur Synthese der superharten, verschleißfesten und thermisch stabilen aggregierten Diamant-Nano-Röhrchen (ADNR’s) und ihre Verwendung patentieren lassen. Die auch für Anwender sehr interessanten Ergebnisse aus der materialwissenschaftlichen Forschung wurden gerade in der renommierten Fachzeitschrift Applied Physics Letters veröffentlicht.
(idw – Universität Bayreuth, 24.08.2005 – DLO)