Münchener Wissenschaftler haben entdeckt, dass selbst kleinste Nukleinsäure-Stückchen in der Lage das Immunsystem des Menschen in Alarmzustand zu versetzen. Die Forscher hoffen diese bislang unbekannte Eigenschaft des Immunsystems für neuartige Wirkstoffe zur Therapie von Erkrankungen nutzen zu können.
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Es geht dabei um eine bestimmte Form von kurzen Nukleinsäure-Stückchen, so genannte kurze interferierende Ribonukleinsäure – short interfering RNA (siR-NA). Diese Form von Nukleinsäure-Stückchen wird seit kurzem eingesetzt, um die Bildung beliebig wählbarer Proteine in der Zelle ganz gezielt abzuschalten (so genannte RNA-Interferenz). Diese Technik hat die Möglichkeiten zur Entschlüsselung des menschlichen Erbguts revolutioniert.
Gunther Hartmann und Veit Hornung vom Klinikum der Universität München ist es mit weiteren Kollegen der Universität München und der Biotechnologie-Firma Alnylam Pharmaceuticals Inc. in Cambridge, Massachusetts, gelungen die Interaktion solcher Nukleinsäure-Stückchen mit dem Immunsystem aufzuklären. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass diese speziellen Nukleinsäure-Stückchen zu klein sind, um durch das Immunsystem erkannt zu werden und sie würden daher nicht zu einer Aktivierung des Immunsystems führen.
Wie das Forscherteam im Fachjournal Nature Medicine berichtet, wurde jetzt eine hochspezialisierte Zelle des Immunsystems identifiziert, die tatsächlich in der Lage ist, diese Form von kurzen Nukleinsäure-Stückchen sehr effektiv zu identifizieren. Es handelt sich dabei um die so genannte plasmazytoide dendritische Zelle, diejenige Zelle im Immunsystem, die ganz spezifisch Viren erkennt und das Immunsystem daraufhin über die Ausschüttung von Interferon (Interferon-alpha) in einen Alarmzustand versetzt.
Die Münchner entdeckten, dass die Erkennung solcher Nukleinsäure-Stückchen durch das Immunsystem von der Sequenzabfolge der Nukleinsäure abhängt, und über einen auf diese Erkennung spezialisierten Rezeptor erfolgt, den so genannten Toll-ähnlichen-Rezeptor 7 (Toll-like receptor 7). Sie konnten bestimmte Sequenzmotive ermittelt, die das Immunsystem dabei in einen besonders effektiven Alarmzustand versetzen, wie dies bei einer tatsächlich vorliegenden Virusinfektion der Fall ist. Die Befunde haben drei wichtige Konsequenzen:
– Damit ist ein neuer Mechanismus aufgeklärt, über den das Immunsystem Nukleinsäuren, wie sie in Viren vorkommen, erkennt und sich gegen Viren zur Wehr setzt.
– Beim therapeutischen Einsatz der Nukleinsäure-Stückchen zur gezielten Hemmung von krankmachenden Proteinen kann ganz gezielt die immunologische Aktivität aus diesen Moleküle eliminiert oder als zusätzliche Wirkkomponente in diese eingesetzt werden.
– Es können nun Nukleinsäure-Stückchen generiert werden, mit denen das Immunsystem ausschließlich und gezielt gegen Virusinfektionen gesteuert werden kann, und, da hier das gleiche immunologische Prinzip benötigt wird, auch gegen Tumoren.
(idw – Klinikum der Universität München, 28.02.2005 – DLO)