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Medizin

Mittel gegen Erkältung in Sicht?

Neuer Wirkstoff könnte Rhinoviren erfolgreich bekämpfen

Laufende Nase, Niesattacken und Co: Eine Erkältung kann ganz schön unangenehm sein. © Sasha Suzi/ iStock.com

Mehr als nur Symptombehandlung: Forscher haben einen Wirkstoff gegen klassische Erkältungsviren entwickelt. Das Molekül blockiert ein Protein in menschlichen Zellen, das die Erreger für ihre Vermehrung brauchen. Auf diese Weise kann es die Replikation der Viren vollständig stoppen, wie erste Zellversuche belegen. Bestätigen weitere Studien die Ergebnisse, könnte es damit erstmals ein Mittel gegen die eigentliche Ursache von Erkältungen geben.

Triefnase, Niesanfälle, Halskratzen: Die klassische Erkältung hat wohl jeden schon einmal erwischt. Verantwortlich für die lästige Infektion können eine Vielzahl von Viren sein – allen voran Vertreter der sogenannten Rhinoviren. Gegen all die unterschiedlichen grassierenden Erregerstämme eine Impfung zu entwickeln, ist so gut wie unmöglich. Hinzu kommt, dass sich die Viren wie auch bei der Grippe rasend schnell verändern und daher leicht Resistenzen bilden.

Aus diesem Grund können bisher lediglich die Symptome einer Erkältung, nicht aber die eigentliche Ursache bekämpft werden. Im Volksmund heißt es deshalb oft: Ohne Behandlung dauert eine Erkältung eine Woche und mit Behandlung sieben Tage. Nun haben Wissenschaftler um Aurélie Mousnier vom Imperial College London jedoch einen Wirkstoff entwickelt, der die Erkältung an der Wurzel packt: Er hindert Rhinoviren daran, sich erfolgreich in ihrem Wirt zu vermehren.

Der neue Wirkstoff IMP-1088 hemmt das menschliche Protein NMT, das Erkältungsviren für den Aufbau ihres Kapsids brauchen. © Imperial College London

Schutzlose Erreger

Das Team setzte das Molekül IMP-1088 aus zwei bereits bekannten chemischen Bestandteilen zusammen. In dieser neuen Kombination hemmen sie effektiv ein menschliches Protein namens N-Myristoyltransferase (NMT). Genau dieses Protein brauchen klassische Erkältungsviren jedoch, um in der Wirtszelle zu überleben und sich fortzupflanzen. Sie kapern das Protein und bauen daraus ihr Kapsid – eine Art Kapsel, die das Virusgenom umhüllt und es schützt.

Ohne NMT können sich die Erreger nicht vermehren. Experimente bestätigten: Blockierte der Wirkstoff das Protein, verhinderte dies die weitere Replikation von Rhinoviren in menschlichen Zellen vollständig. Außerdem fanden die Forscher keine Hinweise darauf, dass IMP-1088 möglicherweise toxisch für die Zellen sein könnte. Ähnliche Ansätze seien bisher an solchen Nebenwirkungen gescheitert, wie sie berichten.

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Resistenzbildung unwahrscheinlich

Der entscheidende Vorteil des neuen Mittels: Es greift ein menschliches Protein und nicht die Viren selbst an. Weil dieses Protein von allen Rhinoviren benötigt wird, wirkt das Mittel daher bei verschiedenen Erregerstämmen. Zudem macht sein Ansatz am menschlichen Protein es unwahrscheinlicher, dass die Viren Resistenzen entwickeln und der Wirkstoff irgendwann seine Schlagkraft verliert.

„Eine Erkältung ist für die meisten von uns bloß eine Lappalie“, sagt Mousniers Kollege Ed Tate. „Doch sie kann bei Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma oder COPD ernste Komplikationen verursachen. Ein Mittel wie unseres könnte in diesem Zusammenhang extrem nützlich sein, wenn es in der frühen Phase der Infektion verabreicht wird.“

Das Team hofft daher, dass sich die vielversprechenden Ergebnisse aus den Zellversuchen auch in Studien mit Tieren und schließlich Menschen bestätigen lassen. Theoretisch könne der Wirkstoff dann nicht nur gegen Erkältungsviren, sondern womöglich auch gegen verwandte Erreger wie Polioviren oder die Auslöser der Hand-Fuß-Mund-Krankheit eingesetzt werden, schließen sie. (Nature Chemistry, 2018; doi: 10.1038/s41557-018-0039-2)

(Imperial College London, 16.05.2018 – DAL)

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